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Tauziehen um Gaza-Deal - Warnung vor neuem Krieg

Die indirekten Verhandlungen Israels mit der Hamas wecken Hoffnung auf eine Waffenruhe. Von einer «letzten Hürde» ist die Rede. Zugleich wächst die Sorge vor einer Eskalation an einer anderen Front.
Mossad-Chef David Barnea
Israelische Soldaten feuern nahe dem Libanon eine Haubitze ab
Nahostkonflikt - Chan Junis

Während im Gaza-Krieg die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und den Austausch von Geiseln gegen Gefangene nächste Woche weitergehen sollen, warnen die Vereinten Nationen vor einer Ausweitung des Nahost-Konflikts. Zunehmende Schusswechsel zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel an der Grenze zum Libanon erhöhten das «Risiko eines umfassenden Krieges», teilten die UN in New York mit.

Erneut Angriffe auf Norden Israels

Kurz zuvor hatte die Hisbollah erneut mehrere Geschosse auf den Norden Israels abgefeuert, wie das israelische Militär mitteilte. Sie seien in mehreren Gebieten eingeschlagen, einige seien abgefangen worden. Zwei Soldaten wurden den Angaben zufolge leicht verletzt. Die israelische Artillerie griff daraufhin Gebiete im Südlibanon an. Kampfflugzeuge hätten zudem eine Abschussanlage und einen Beobachtungsposten der Hisbollah attackiert, hieß es. Die Angaben des israelischen Militärs konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

«Eine Eskalation kann und muss vermieden werden. Wir betonen erneut, dass die Gefahr einer Fehleinschätzung, die zu einem plötzlichen und größeren Flächenbrand führt, real ist», so die UN. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach am Telefon mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant über die «andauernde Bedrohung» durch vom Iran unterstützte Gruppen wie der Hisbollah und bekräftigte das «eiserne Engagement der Vereinigten Staaten für die Sicherheit Israels und das Recht Israels auf Selbstverteidigung», so das Pentagon.

Gaza-Verhandlungen sollen weitergehen

Derweil führen Israel und die islamistische Hamas nach wochenlangem Stillstand wieder indirekte Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Nach der Rückkehr des israelischen Delegationsleiters David Barnea, Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad, von ersten Gesprächen mit den Vermittlern in Doha gab Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu grünes Licht für eine Fortsetzung der Verhandlungen in der nächsten Woche, wie sein Büro mitteilte. Es bestünden weiterhin Streitpunkte zwischen den beiden Seiten, hieß es.

Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, fungieren Katar, Ägypten und die USA als Vermittler. Die Gespräche waren zuletzt in eine Sackgasse geraten, weil die Hamas die Freilassung von rund 120 israelischen Geiseln in ihrer Gewalt an die Beendigung des Krieges im Gazastreifen durch Israel geknüpft hatte. Zur Wiederaufnahme der Gespräche kam es, nachdem die Islamisten eine gewisse Flexibilität signalisiert hatten. 

Auf dem Tisch liegt ein von den Vermittlerstaaten vorgelegter und von Israel weitgehend gebilligter Stufenplan, der zunächst eine zeitlich befristete Waffenruhe sowie den Austausch von weiblichen, älteren und kranken Geiseln gegen eine größere Zahl von palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen vorsieht. Während der Waffenruhe sollen die Seiten über die Beendigung des Krieges und die Freilassung der restlichen Geiseln verhandeln. 

Ringen um Stufen des Plans für eine Waffenruhe

Die jüngste Bewegung in dem schwierigen Verhandlungsprozess kam zustande, weil sich die Hamas nun doch auf den Stufenplan einzulassen scheint. Zugleich aber dringen die Islamisten auf eine schriftliche Zusage seitens der Vermittler, dass die Phase der Verhandlungen - und damit die befristete Waffenruhe - ohne zeitliche Begrenzung fortgesetzt wird, wenn es in der vorgesehenen Frist zu keiner Einigung kommt, wie der israelische Journalist Barak Ravid im Portal «walla.co.il» schrieb.

Mossad-Direktor Barnea habe in Doha seinem katarischen Gastgeber klargemacht, dass Israel diese Bedingung nicht akzeptieren könne, schrieb Ravid unter Berufung auf zwei Regierungsbeamte, die mit dem Vorgang vertraut sind. Die Vermittler würden sich nunmehr um Formulierungen bemühen, die diese Kluft überbrücken. «Es ist die letzte Hürde, die überwunden werden muss, um zu den eigentlichen Verhandlungen über eine Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln zu gelangen», so Ravid. Viele Geiseln dürften allerdings bereits tot sein.

Druck auf die Hamas wächst 

Dass Israels Armee den sogenannten Philadelphi-Korridor im Süden des Gazastreifens unter ihre Kontrolle gebracht hat, habe dazu beigetragen, die Hamas an den Verhandlungstisch zurückzudrängen, sagte Amos Jadlin, ein ehemaliger Leiter des israelischen Militärgeheimdienstes, dem «Wall Street Journal». Bei dem Korridor handelt es sich um einen schmalen, auf der Gaza-Seite verlaufenden Streifen entlang der Grenze zu Ägypten, der für die Kontrolle dieser Grenze entscheidend ist. Israel vermutet, dass sich die Hamas durch Tunnel, die unter der Grenze verlaufen, bislang mit Nachschub versorgte.

Hinzu komme wachsender Druck auf die Hamas-Führung seitens der Bewohner des Gazastreifens, die die massiven Zerstörungen, Vertreibungen und den Zusammenbruch von Recht und Ordnung in dem Gebiet ertragen müssten, schrieb die Zeitung weiter. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bereits rund 38.000 Palästinenser in Gaza getötet. In der Zahl sind sowohl Kämpfer als auch Zivilisten enthalten. 

 

Ob aber die in Tunneln unter dem abgeriegelten Küstengebiet ausharrende militärische Führung der Hamas zum Einlenken bereit sei, werde sich erst zeigen, wenn die Verhandlungen über ein Abkommen Fortschritte machen, schrieb das «Wall Street Journal». Die Hamas sei «nicht völlig abgekoppelt von dem, was über der Erde geschieht», sagte Gershon Baskin, der früher an Verhandlungen mit der Hamas beteiligt war, der Zeitung. Aber auch für Israel könnte ein geeigneter Moment für einen Deal gekommen sein, erklärte Ofer Shelah, ein Militäranalyst an Israels Institut für nationale Sicherheitsstudien, der US-Zeitung.

Auch Israels Regierung unter Druck 

Israel steht kurz vor dem Abschluss seines Militäreinsatzes in Rafah im Süden Gazas, das es als letzte Bastion der Hamas sieht und wo auch der Philadelphi-Korridor liegt. Zwar wäre das nicht das Ende des Militäreinsatzes Israels im Gazastreifen. Das israelische Militär sei aber nun zunehmend über eine Eskalation des Konflikts mit der Hisbollah im Norden besorgt, berichtete die Zeitung weiter. Vor diesem Hintergrund drängten das Militär und die israelischen Geheimdienste die Regierung Netanjahu zu einem Deal mit der Hamas, hieß es. 

In Israel geht die Befürchtung um, dass Netanjahu wie in früheren Phasen der Verhandlungen seine Zustimmung verweigern könnte, weil er Rücksicht auf seine ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartner nehmen muss. Diese wehren sich gegen mögliche Zugeständnisse - wie die Beendigung des Krieges vor der restlosen Zerschlagung der Hamas - und drohen mit dem Austritt aus der Koalition. Mossad-Beamte hätten den Vermittlern aber mitgeteilt, sie seien «optimistisch», dass das Kabinett den derzeit diskutierten Vorschlag für einen Deal am Ende akzeptieren werde, zitierte das «Wall Street Journal» einen Beamten.

© dpa
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