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Sorge vor Flächenbrand nach Raketenangriff auf dem Golan

Ein Geschoss iranischer Bauart reißt mindestens zwölf junge Menschen beim Fußballspiel in den Tod. Der erschütternde Vorfall auf den Golanhöhen schürt die Angst vor einem großen regionalen Krieg.
Nahostkonflikt - Golanhöhen
Nahostkonflikt - Golanhöhen
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Netanjahu in den USA - Treffen mit Harris
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Ein verheerender Raketenangriff auf den von Israel annektierten Golanhöhen hat mindestens zwölf junge Menschen getötet und die Gefahr eines größeren Krieges in der Region verschärft. Israel machte die mit dem Iran verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah für die Attacke verantwortlich und drohte mit einer harten Reaktion. Bereits in der Nacht bombardierte die israelische Luftwaffe nach Militärangaben mehrere Hisbollah-Ziele im Libanon. 

Der Vorfall löste international Bestürzung und Sorge vor einer Eskalation der Gewalt in der Region aus. UN-Vertreter riefen beide Parteien zu «größtmöglicher Zurückhaltung» auf. Auch die USA und die EU verurteilten den Angriff.

Der tödliche Vorfall in Madschdal Schams war der bisher schlimmste auf israelischer Seite seit Beginn der Gefechte mit der Hisbollah vor fast zehn Monaten. Der Raketenangriff auf den Golanhöhen folgte auf einen israelischen Angriff im Dorf Kfar Kila nahe der libanesisch-israelischen Grenze, bei dem nach Angaben der Hisbollah vier ihrer Mitglieder getötet wurden. 

Vor allem Kinder und Jugendliche auf Fußballplatz getötet

Mindestens zwölf Menschen im Alter von 10 bis 20 Jahren kamen am Samstag bei dem Raketenangriff in der drusischen Ortschaft Madschdal Schams ums Leben, die meisten davon Kinder und Jugendliche. Eine Rakete iranischer Bauart schlug dort nach israelischen Angaben auf einem belebten Fußballplatz ein. Augenzeugen beschrieben grauenhafte Szenen mit zerfetzten Leichen. Tausende von Menschen nahmen am Begräbnis der jungen Opfer teil.

Die Hisbollah teilte in einer Erklärung mit, sie habe mit dem Angriff nichts zu tun. Dies wurde jedoch von Israel als falsch eingestuft. Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi sagte bei einem Besuch am Ort des Einschlags, es handele sich um eine Falak-Rakete mit einem 53-Kilogramm-Sprengkopf. Es sei eine Rakete der Hisbollah. «Wer eine solche Rakete auf ein Wohngebiet schießt, will Zivilisten töten, will Kinder töten.»

Umstrittenes, strategisch bedeutsames Gebiet

Die Golanhöhen sind ein strategisch wichtiges Felsplateau, etwa 60 Kilometer lang und 25 Kilometer breit. Im Sechstagekrieg 1967 wurde das Plateau von Israel erobert und 1981 annektiert. Dies wurde international aber nicht anerkannt. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte die Golanhöhen im März 2019 formell als Staatsgebiet Israels anerkannt und damit eine Kehrtwende in der US-Außenpolitik vollzogen.

Der Raketenangriff traf einen Ort, in dem vor allem arabischsprachige Drusen leben. Die Religionsgemeinschaft ist im elften Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. In Israel dienen viele Drusen in der Armee. 

Israel: Letzte Chance für Diplomatie

Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums sagte, es gebe nur eine Möglichkeit, einen umfassenden Krieg zu verhindern, «der auch für den Libanon verheerend wäre». Die Hisbollah müsse gezwungen werden, sich gemäß einer UN-Resolution bis hinter den Litani-Fluss zurückzuziehen, schrieb Oren Marmorstein bei X. Dieser liegt 30 Kilometer von der Grenze zwischen Israel und dem Libanon entfernt. «Jetzt ist es die allerletzte Minute, dies noch diplomatisch zu tun.»

Im Bemühen um eine Entschärfung der Lage sprach der US-Gesandte Amos Hochstein mit dem führenden drusischen Politiker Walid Dschumblatt im Libanon. Hochstein habe sich besorgt gezeigt mit Blick auf den tödlichen Angriff in Madschdal Schams, teilte Dschumblatts Büro mit. Es sei notwendig, dass Israel seine Angriffe im Libanon wie auch im Gazastreifen umgehend einstelle, sagte der ehemalige Abgeordnete demnach.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte: «Die Hisbollah wird einen hohen Preis dafür bezahlen, einen Preis, den sie bislang noch nicht bezahlt hat.» Er berief nach seiner Rückkehr aus den USA das Sicherheitskabinett ein. Netanjahu hatte in den USA eine Rede vor dem Kongress gehalten und US-Präsident Joe Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat Donald Trump getroffen. Seine Abreise aus Washington zog er um mehrere Stunden vor. 

Expertin hält Fehlschuss für möglich 

Die israelische Militärexpertin Sarit Zehavi verwies darauf, dass die Schiitenmiliz vor dem tödlichen Vorfall Angriffe auf eine israelische Militärbasis auf dem Berg Hermon für sich reklamiert habe. «Es ist sehr leicht, die Basis auf dem Berg Hermon mit ungenauen Raketen, wie etwa der Falak, zu verfehlen», meinte sie. Madschdal Schams liege unmittelbar darunter. 

Die Hisbollah richtet sich indes nach eigenen Angaben auf einen möglicherweise schweren Angriff Israels ein. «Wir sind seit Monaten in Bereitschaft und halten Ausschau nach jeglichem Angriff des Feindes», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Miliz. 

«Wir fordern die Parteien nachdrücklich auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und die anhaltenden heftigen Feuergefechte zu beenden», hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Chefs der UN-Friedenstruppe im Libanon, Aroldo Lázaro, und der Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine Hennis-Plasschaert. Die Kämpfe «könnten einen größeren Flächenbrand entfachen, der die gesamte Region in eine unvorstellbare Katastrophe stürzen würde», warnten die beiden UN-Vertreter.

Baerbock: Angriffe müssen sofort aufhören

Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA verurteilte den Raketenangriff und versicherte in einer Mitteilung: «Unsere Unterstützung für Israels Sicherheit gegen alle vom Iran unterstützten Terrorgruppen, einschließlich der libanesischen Hisbollah, ist eisern und unerschütterlich.» Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich über den Angriff schockiert. «Wir rufen alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung und zur Vermeidung jeglicher weiterer Eskalation auf», teilte er auf der Plattform X mit. 

«Die perfiden Angriffe müssen sofort aufhören. Es gilt jetzt, mit kühlem Verstand zu agieren», schrieb die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf X. Ihr Mitgefühl gelte den Familien. 

Seit Beginn des Gaza-Kriegs im vergangenen Oktober liefern sich die Hisbollah und Israels Armee nahezu täglich Gefechte. Die vom Iran unterstützte Miliz handelt aus Solidarität mit der Hamas, die auch im Libanon aktiv ist. Im Libanon sind dabei nach offiziellen Angaben bisher mehr als 100 Zivilisten und rund 360 Hisbollah-Kämpfer getötet worden. Auf israelischer Seite wurden nach israelischen Angaben bisher 42 Menschen getötet, davon 23 Zivilisten. 

Iranische Reaktion

Israels Erzfeind Iran machte den jüdischen Staat selbst für den Angriff in Madschdal Schams verantwortlich. «Dieses Massaker ist ein Krieg gegen die Menschheit und verstößt gegen alle international anerkannten Gesetze und Vorschriften», sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani laut der Nachrichtenagentur Isna. 

Der iranische Botschafter im Libanon schlug dagegen andere Töne an. Er sehe trotz des tödlichen Raketenangriffs kaum Risiken für einen noch größeren Krieg im Nahen Osten, sagte Botschafter Mudschtaba Amani. Die Chancen dafür seien «sehr gering», da in der Region ein «auferlegter Mächteausgleich» herrsche. Der Iran wolle keine Ausweitung des Konflikts mit Israel, habe aber auch keine Angst davor. 

Gespräche über Waffenruhe im Gaza-Krieg in Rom 

Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, führte derweil in Rom Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Die indirekten Gespräche zwischen Israel und der islamistischen Hamas, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, verlaufen seit Monaten sehr schleppend. Seit Mai kreisen sie um einen mehrstufigen Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe im Gaza-Krieg vorsieht. Außerdem sollen die Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. 

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit 1.200 Toten, das die Islamisten der Hamas zusammen mit anderen Gruppen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober des Vorjahres im Süden Israels begangen hatten. Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Schulgebäude in Deir al-Balah im Gazastreifen wurden am Samstag nach palästinensischen Angaben mindestens 30 Menschen getötet. Das israelische Militär erklärte, dort eine Kommandozentrale der Hamas angegriffen zu haben.

Redaktionshinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Raketentyp mit "Farak" wiedergegeben. Korrekt ist "Falak".

© dpa ⁄ Sara Lemel, Johannes Sadek, Gregor Mayer und Denis Düttmann, dpa
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