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Industriekultur im Fjordland: In die Gründerzeit Norwegens

Kommandozentralen wie bei James Bond, Schlafen wie einst die Manager, Wasserkraftwerke im Jugendstil: Auf der Ryfylke-Route kann man Norwegens typische Landschaft von unbekannterer Seite erleben.
Kraftwerk Tyssedal
Flørli-Treppe
Flørli mit Jugenstilkraftwerk
Flørli mit Jugenstilkraftwerk
Hessel Haker
Arbeiterdorf Flørli
Zwillingswasserfall Lättefossen
Jørpeland und Preikestolen
Architekturhighlight in Nesflaten
Design im  Energiehotellet
Kathedrale der Technik
Werkzeugtafel im ehemaligen  Wassrkraftwerk Tyssedal
Schalttafel aus marmor im Kraftwerk Tyssedal
Die Ryfylke-Route in Norwegen

Wie oft er die Treppe schon hinaufgestiegen ist? Hessel Haker, 46 Jahre alt, kann es nicht sagen, aber eines weiß er genau: «Was man beim Aufstieg beachten sollte: Du musst deinen eigenen Rhythmus finden, niemals zu schnell loslaufen, sonst wirst du es nicht schaffen. Du kommst außer Atem und dein Herz wird wild pochen.»

Hakers Rat klingt nicht von ungefähr wie die eines Wanderführers: 4.444 Stufen umfasst die schmale Holztreppe neben den Fallrohren des historischen Wasserkraftwerkes in Südnorwegen. Knapp 1,5 Kilometer führt die Stiege steil bergauf, sie überwindet einen Höhenunterschied von 740 Metern. Es soll die längste Holztreppe der Welt sein.

Und sie ist eine Touristenattraktion: Für den Aufstieg reisen die Besucher nach Flørli am Lysefjord, wo das Wasserkraftwerk ab 1916 für die Stromversorgung der nahen Großstadt Stavanger im Südwesten Norwegens gebaut wurde.

Damals muss es eine unvorstellbare Plackerei für die 200 Bauarbeiter gewesen sein. Alles Material wurde von den Männern bergauf getragen, manche hatten 80 Kilo auf dem Buckel, heißt es. Sie wurden nach getragenem Gewicht entlohnt.

Nach zwei Jahren war die erste Stufe des Wasserkraftwerkes mitsamt einem Speichersee fertig und konnte ans Netz gehen. Bis Ende der 1990er-Jahre war das Kraftwerk in Betrieb, dann wurde eine leistungsstärkere Anlage 900 Meter in den Berg gebaut, sie ist durch Tunnel erreichbar.

Im autofreien Arbeiterdorf

Zu der Zeit sollte Flørli mit seinen etwa einem Dutzend Häusern abgerissen werden, in denen Bauarbeiter und Beschäftigte des alten Kraftwerkes gewohnt hatten. Das wurde abgewendet. Der norwegische Alpenverein setzte sich für den Erhalt ein und richtete ein Café im historischen Kraftwerk ein, das der Niederländer Haker 2016 übernahm.

Autos gibt es nicht im winzigen Flørli, keine Straße führt hierhin. Besucher reisen mit der Fähre ab Lauvvik östlich von Stavanger an. Ausflugsfahrten für die Passagiere der riesigen Kreuzfahrtschiffe, die in Stavanger haltmachen, sind derzeit indes nicht geplant: Flørli am Lysefjord soll frei bleiben von Massentourismus.

Flørli mit seinem Jugendstilkraftwerk ist einer der Orte in Norwegens Fjordland, der beispielhaft für die industrielle Blüte des Landes ab etwa 1900 steht. Mit der Nutzung von Wasserkraft kam die Energieversorgung in Schwung. Elektrizität wurde zur Grundlage für den Bau von Fabriken, etwa für Düngemittel, Zink, Aluminium und Stahlerzeugung.

Im Unbekannten

Ortswechsel nach Høllesli, am Eingang des rund 40 Kilometer langen Lysefjordes. Hier beginnt die Landschaftsroute Ryfylke, die zu den interessantesten touristischen Zielen der Fjordregion führt. 18 solcher Landschaftsrouten wurden von der Straßenverwaltung des Landes geschaffen und sollen Reisende auch in die unbekannteren Regionen führen.

So soll die Ryfylke-Route an die Geschichte der Industrialisierung im Fjordland heranführen. Mal weg von den überlaufenen touristischen Hotspots wie dem viel fotografierten Preikestolen, der ebenfalls hoch über dem Lysefjord prangt. Von diesem breiten Felsvorsprung hat vermutlich jeder schon mal ein Bild auf Instagram gesehen´.

Stattdessen geht es etwa nach Suldal, der selbst ernannten Hauptstadt der Wasserkraftwerke. Das mag vollmundig wirken, aber ist durchaus zutreffend: Immerhin erzeugen die Pumpspeicherkraftwerke der 3.900-Einwohner-Gemeinde neun Prozent des gesamten norwegischen Stromes. Ab den 1970er-Jahren entstanden hier im Gebiet des wasserreichen Flusses Suldalslågen sechs Anlagen.

Im Lachsstudio

Vom Inneren der Werke bekommen Reisende allerdings nichts zu sehen. Zutritt verboten! So sind auch die kilometerlangen Tunnel durch Stahltore verschlossen. Sie führen von Speicherseen durch die Fjordberge zu riesigen Hallen. In diesen Kathedralen der Technik erzeugen mächtige Turbinen und surrende Generatoren das grüne Gold aus Wasserkraft. 

Kurve um Kurve folgt die Ryfylke-Route dem Suldalslågen, der auch eines der besten Lachsgewässer in Norwegen ist. Am Sandsfossen-Wasserfall entstand eine Lachstreppe, mit der die Fische die Stromschnelle überwinden und flussaufwärts zu ihren Laichplätzen gelangen.

Von Juli bis September ziehen die Wanderfische aus dem Meer den Suldalslågen hinauf, um zu laichen. Hinter einer dicken Glasscheibe kommen Besucher den Fischen nahe: Auge in Auge mit den Lachsen. Die kleine Beobachtungskammer am Sandsfossen bezeichnen sie hier mit einem Augenzwinkern als «erstes Lachsstudio Norwegens».

Im Kontrollraum

Nächster Stopp ist Nesflaten. Die Ortschaft in der Suldal-Gemeinde ist ein Augenschmaus für Architekturliebhaber. Aus aller Herren Länder kommen Designfans zum «Energihotellet», das Mitte der 1960er-Jahre mit dem benachbarten Kraftwerk entstand. Das Hotel diente ursprünglich den Managern der Energiezentrale als Unterkunft.

Betonstil im Zeitgeist von einst kennzeichnet die Bauten, die vom Architekten Geir Grung (1926-1989) geplant wurden. Ungewöhnlich der kreisrunde Kontrollraum des Kraftwerkes: UFO wird er genannt und könnte auch die Kulisse für ein James Bond-Abenteuer abgeben.

Ein Sprung von der Betonarchitektur zurück in die Jugendstilzeit folgt am Kraftwerk Tyssedal am Hardangerfjord, gut eine Autostunde entfernt. Ein stolzer, weißer Industriebau, 180 Meter lang, ab 1908 in Betrieb. 15 Generatoren produzierten hier Strom. Damit war 1980 abrupt Schluss, ein riesiger Felssturz zerstörte die Rohrleitungen und Teile des Bauwerks.

Heute jedoch erstrahlt Tyssedal als Kraftmuseet in neuem Glanz: ein Museum und Industriedenkmal mit vollständig erhaltener Einrichtung aus seiner Gründungszeit, mit Turbinen, Generatoren und einem imposanten Kontrollraum. Dort sind die vielen Schalter, Schieber, Knöpfe und Uhren in kostbarem Carrara-Marmor eingelassen. So aufwendig und stilvoll bauten sie damals ihre Kathedralen der Technik.

Links, Tipps und Praktisches:

Roadtrip zu den Wasserkraftwerken: Die Ryfylke-Landschaftsroute ist eine 260 Kilometer lange, beschilderte Straße durch das Fjordland im Südwesten von Norwegen. Teilstrecken der Route sind im Winter gesperrt.

Anreise: mit dem Auto über Dänemark mit der Fähre nach Kristiansand, von dort über die E 39 nach Stavanger und weiter zum Lysefjord. Oder mit dem Flugzeug bis Stavanger, von dort mit einem Mietwagen in die Region.

Beste Reisezeit: Ostern bis Ende Oktober

Währung: 1 Euro entspricht 11,71 Norwegischen Kronen (Stand: 22. August). Für Reisende ist die Währung in den vergangenen Jahren günstiger geworden. Bargeld ist kaum notwendig, es kann überwiegend mit Kreditkarte bezahlt werden.

Unterwegs mit dem Auto: Alle Fahrzeuge in Norwegen müssen auf bestimmten Strecken Straßen- und Brückenmautgebühren bezahlen. Die Fahrzeuge werden automatisch per Kameras über das Kennzeichen für die Maut erfasst. Die Rechnung wird an die registrierte Adresse gesendet. Man kann auch vor der Reise ein Epass24-Konto einrichten, über das die Gebühren bezahlt werden. Tempoverstöße werden hart bestraft, ebenso die Nutzung von Handys am Steuer. Das Tempolimit beträgt 50 Kilometer pro Stunde innerorts, 80 km/h außerorts und 80 bis 100 km/h auf den wenigen Autobahnen.

Unterkünfte: Es gibt Hotels, Hütten, Campingplätze und Reisemobilstellplätze. Eine Übernachtung im Hotel-Doppelzimmer kostet ab 90 Euro. Zimmer im «Energihotellet» lassen sich über die Hotel-Website buchen, ab 190 Euro pro Übernachtung im Doppelzimmer.

Weitere Auskünfte: Guide zu den Fjord-Landschaften Norwegens unter fjordnorway.com, weitere Informationen zur Ryfylke-Route finden sich hier, weitere Tipps für die Zeit am Lysefjord hier.

© dpa ⁄ Bernd F. Meier, dpa
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