Die Schuhe, die Rami Malek im Queen-Biopic "Bohemian Rhapsody" (Sonntag, 4. Oktober, 20.15 Uhr, ProSieben) auszufüllen hat, könnten nicht größer sein. Doch statt ängstlicher Ehrfurcht strahlt der "Mr. Robot"-Star aufrichtige Bewunderung aus, denn für den 37-jährigen Kalifornier versinnbildlicht Freddie Mercury den ultimativen Revolutionär...
London 1970: Freddie Mercury (Rami Malek) wird Sänger in der Band von Gitarrist Brian May (Interview), Bassist John Deacon und Drummer Roger Taylor. Bald darauf nennen sie sich Queen und starten ihre Rockkarriere. 1975: Gegen den Willen der Plattenfirma nehmen Queen den opernhaften Song "Bohemian Rhapsody" auf und landen ihren größten Hit. 1980: Trotz seiner Beziehung zu Freundin Mary Austin (Lucy Boynton) lebt Freddie seine Homosexualität aus und nimmt exzessiv Drogen. 1985: Die zerstrittene Band kommt mit dem aidskranken Mercury für das Live-Aid-Benefizkonzert wieder zusammen und hat einen legendären Auftritt.
Hauptdarsteller Rami Malek – der mithilfe der Soundalike-Technik singt – gelingt es auf geniale Weise, die schillernde Persönlichkeit und die Bühnenpräsenz von Freddie Mercury (1946–1991) auferstehen zu lassen.
Für Gänsehaut sorgt vor allem Queens Live-Aid-Auftritt von 1985, der im Film von Regisseur Bryan Singer ("X-Men: Apocalypse") exakt und fast komplett nachgestellt wird. "Bohemian Rhapsody" erweist sich damit als eine emotionale, mitreißende Musikerbiografie mit bombastischen Momenten und kleinen, feinen Augenblicken – witzig, rührend, herzzereißend. In einem Wort: Wow!
GOLDENE KAMERA: Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
RAMI MALEK: Ich habe mir ein Flugticket nach London gekauft und dort Klavier- und Tanzunterricht genommen, lange bevor die Filmproduktion – oder meine Rolle – bestätigt war. Ich habe sogar eine Prothese von Freddies Zähnen anfertigen lassen, um mich an sie zu gewöhnen, ohne zu wissen, ob ich ihn je spielen würde. Die wichtigste Vorbereitung war allerdings, die Bewegung von Freddie Mercury zu studieren. Mir wurden die besten Choreographen angeboten, aber am Ende habe ich mich für eine Person entschieden, die sich mehr auf Bewegung als auf Tanz konzentrierte. Denn Freddie war auch nicht der beste Tänzer, er hatte aber seinen eigenen Stil.
Kennen Sie jetzt jeden Queen-Song in- und auswendig?
Ich wollte Freddie Mercury nicht imitieren, sondern sein Wesen zum Ausdruck bringen. Also habe ich mir nicht nur Queens Musik angehört, sondern auch die Werke der Künstler, die er liebte und die ihn beeinflusst und beeindruckt haben: Jimi Hendrix, David Bowie, Aretha Franklin. Er war auch ein riesiger Opernfan und er hat sogar ein Opern-Album mit der spanischen Opernsängerin Montserrat Caballé (GOLDENE KAMERA 1994) aufgenommen. Wenn seine Band am Wochenende zu Rockkonzerten gingen, genoss er lieber Pavarotti. Seine Präsenz auf der Bühne war sehr von Liza Minnellis "Cabaret" und Bob Fosses Choreographie beeinflusst.
Singen Sie auch selbst im Film?
Der Film wird ein Ohrenschmaus für die Fans sein, denn Freddies Originalstimme wird sehr viel zu hören sein. Aber wann immer es möglich war, haben wir auch meine Stimme genutzt. Ich war selber überrascht, wie ähnlich unsere Stimmen sind. Ich habe vier Songs in den legendären Abbey Road Studios für "Bohemian Rhapsody" aufgenommen.
Haben Sie ein Lieblingslied?
"Under Pressure" – weil das eine Kollaboration von zwei meiner Lieblingskünstler ist: Freddie Mercury und David Bowie.
Was haben Sie über Freddie Mercury neues erfahren?
Wie introvertiert und schüchtern er eigentlich war. Auf der Bühne wurde er zu einer ganz anderen Person, aber im Leben fühlte er sich sehr einsam und hat immer nach Liebe und Anerkennung gesucht. Durch seinen extremen Überbiss wurde er schon als Kind gehänselt. Seine Schulkameraden nannten ihn Bucky (abgeleitet von buck tooth, englisch für Hasenzahn) und machten sich über ihn lustig. In seinen ersten Camcorder-Videos mit einer anderen Band kann man sehen, wie er versucht, seine Zähne zu verstecken.
Sein Geburtsname Farrokh Bomi Bulsara half auch nicht, sich eine Karriere in London aufzubauen. Ihn in seinen Anfängen zu sehen und zu wissen, dass ihn eines Tages Millionen Menschen kennen und lieben werden, hat mich sehr bewegt.
Inwieweit befasst sich der Film auch mit Freddies sexueller Orientierung?
Wir wollten Freddies Leben feiern, und dazu gehört auch das Finden seiner sexuellen Identität in einer Zeit, in der Homosexualität mit einem großen Stigma gebrandmarkt war. Ein großer Teil des Films befasst sich mit seiner engen Beziehung zu Mary Austin, mit der er sogar verlobt war.
Aber Freddie hatte auch ein erfülltes Leben als bisexueller und homosexueller Mann, und "Bohemian Rhapsody" scheut sich nicht davor, das auch zu zeigen. Ich wünschte, wir hätten mehr davon gezeigt, aber in einem zweistündigen Film war das leider nicht möglich. Stattdessen haben wir uns darauf konzentriert, was für ein fantastischer Mensch und bahnbrechender Künstler Freddie war.
Rezension: Oliver Noelle; Interviews: Anke Hofmann