Was darf Comedy? Nach den Aussagen von Luke Mockridge über Behindertensport gibt es eine Debatte über ethische Grenzen des Komikerfachs. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Grenzen des Erlaubten immer enger gefasst werden.
Die beiden Podcast-Hosts, bei denen Mockbridge die Witze gemacht hatte, nahmen ihn in einem Instagram-Video in Schutz und gingen gegen Kritiker in die Offensive. Zu Beginn des Videos gaben Shayan Garcia und Nizar Akremi zunächst vor, den Podcast «Die Deutschen» beenden zu wollen. «Wir haben zu viele Menschen verletzt, deshalb müssen wir die Reißleine ziehen», verkündeten sie - doch das war nur ein Scherz. «Niemals! Hier wird gar nix beendet!», stellte Akremi klar. Um dann mit den Kritikern abzurechnen, die öffentlich Konsequenzen für Mockridge und die Moderatoren gefordert hatten.
Podcast-Duo: «Wir haben keinen Mord begangen»
Mockridge habe alles verloren, aber das reiche einigen offenbar immer noch nicht, so Akremi. Garcia hielt den Kritikern entgegen: «Wir haben keinen Mord begangen» - und kündigte an: «Wir werden rechtlich gegen jeden, der Rufmord und Hetze betrieben hat, vorgehen.»
Das Trio hatte sich in dem Podcast «Die Deutschen» mit Aussagen und Gesten abwertend über den Behindertensport geäußert und war dafür öffentlich scharf kritisiert worden. «Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken - und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen», hatte etwa Mockridge gesagt und damit bei den Hosts für großes Gelächter gesorgt.
Der Sender Sat.1 setzte daraufhin die neue Show «Was ist in der Box?» des Comedians ab, Mockridge selbst entschuldigte sich bei den Sportlern und sagte «aufgrund der aktuellen Situation» die Auftaktshows seiner geplanten «Funny Times»-Tour ab, wie der Veranstalter mitteilte. Auch ein Auftritt von Akremi in Berlin wurde gestrichen.
Kabarettist Schroeder prangert «linksliberale Selbstbesoffenheit» an
Inzwischen hat auch der Kabarettist Florian Schroeder in der Debatte Stellung bezogen. In einem Videopodcast beim «Stern» kritisierte er sowohl Mockridge als auch dessen Kritiker: «Mockridges Witz war miserabel», stellte er klar. Aber: «Die reflexhafte mitleidige Verteidigung von behinderten Menschen ist in ihrer Selbstbesoffenheit am Ende fast so diskriminierend wie Lukes Witz selbst. Es macht die behinderten Menschen so klein, wie sie selbst niemals sein wollen.»
Diejenigen, die sich jetzt echauffierten, seien «unsere lieben, inklusiven linksliberalen Freunde, die immer voll für Inklusion sind, aber dann sofort Angst haben, wenn ein behindertes Kind in die Schulklasse des eigenen Kindes kommt». Prinzipiell fänden sie das natürlich super, aber in diesem Fall wäre ihnen doch die Parallelklasse lieber - «es könnte ja sein, dass die der eigenen Brut in die Wiege gelegte Hochbegabung drunter leidet». Charakteristisch für diese Art von Menschen sei eine «Geste der Stellvertreter-Betroffenheit».
Aus dieser Haltung heraus führten sie andere wegen kultureller Aneignung aufs Schafott oder schössen Künstler mit Petitionen von der Bühne, so Schroeder. Dies habe fatale Folgen für die Kunstfreiheit: «Der verbissene pathetische Ernst ist der Tod des Spielerischen, aller Wurzeln der Kunst, der sehr guten Kunst genau wie der von Luke Mockridge im Podcast - der schlechten.»
Kabarettist Schmidt: Menschen mit Behinderung nicht zum Objekt machen
Ebenfalls eine Meinung zu dem Thema hat Rainer Schmidt, seines Zeichens evangelischer Pfarrer, Kabarettist und paralympischer Tischtennisspieler - er wurde ohne Unterarme geboren. Der 59-jährige Theologe findet die Witze von Mockridge «unterirdisch».
«Natürlich darf man Witze über Menschen mit Behinderungen machen», betont er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Allerdings sollten diese Witze Menschen mit Behinderung nicht zum reinen Objekt machen oder beleidigen. Als Faustregel gelte: «Eine plumpe Beleidigung auf lustig gemacht ist nach wie vor zuallererst eine Beleidigung.» Gerade das aber sei hier bei Mockridge der Fall: «Das war eine abwertende Beleidigung.»
Schmidt selbst macht in seinen Programmen ständig Witze über seine Behinderung. «Zum Beispiel erzähle ich, dass ich bei einer Veranstaltung über Inklusion eingeladen war, und nachher gab's einen kleinen Imbiss - Fingerfood. Da mache ich mich also selber darüber lustig, aber ich bin dabei natürlich immer als Subjekt auf der Bühne. Die Würde des Menschen, die kratze ich nie an.»