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Vierkampf bei der Tour - Pogacar auf Pantanis Spuren

Am Samstag fällt im italienischen Florenz der Startschuss zur 111. Tour de France. Erstmals treffen die großen Vier aufeinander. Ein Deutscher soll Superstar Tadej Pogacar zu Gelb verhelfen.
Tadej Pogacar
Nils Politt

Superstar Tadej Pogacar hatte keine Zeit zu verschwenden. Kaum in Florenz angekommen, scheuchte er auch schon sein Team um den deutschen Edelhelfer Nils Politt zur Streckenbesichtigung nach Rimini. Schließlich hat der slowenische Ausnahmekönner ein großes Ziel: Als erster Radprofi seit Marco Pantani vor 26 Jahren will Pogacar das Double aus Tour de France und Giro d'Italia gewinnen.

Dass es bei der am Samstag in Italien beginnenden 111. Frankreich-Rundfahrt dabei zum ersten großen Kräftemessen der Fantastischen Vier (Pogacar, Titelverteidiger Jonas Vingegaard, Weltmeister Remco Evenepoel und Ex-Giro-Sieger Primoz Roglic) kommt, gibt dem ehrgeizigen Vorhaben einen besonderen Anstrich.

Politt, der seit dieser Saison bei UAE im Pogacar-Team fährt, ist von einem Triumph seines Kapitäns überzeugt: «Er sieht fit aus, wenn ich ihn so angucke. Beim Giro hat er gezeigt, dass er in einer anderen Liga fährt», sagte der Kölner der Deutschen Presse-Agentur. Und Pogacar, der nur 34 Tage nach seinem Triumph beim Giro seine nächste Mission in Italien startet, schickte gleich mal eine Warnung an die Konkurrenz: «Ich denke, dass es unglaublich wird. Ich habe den Eindruck, dass ich mich noch verbessert habe.»

Noch besser? Mit fast zehn Minuten Vorsprung und insgesamt sechs Etappensiegen beherrschte der 25-Jährige im Mai den Giro, wo allerdings die ganz großen Rivalen fehlten. Allerdings hatte Pogacar noch zehn Tage vor der Tour mit einer Corona-Infektion zu kämpfen. «Ich habe mich gut erholt. Covid ist nicht mehr so ernst wie damals. Ich hatte das Virus bereits. Der Körper gewöhnt sich dran. Es war nicht so schlimm und ging schnell vorbei», beschwichtigte Pogacar.

Fragezeichen hinter Titelverteidiger Vingegaard

Ein Fragezeichen steht auch hinter der Form von Titelverteidiger Vingegaard. Seit seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt am 4. April, als der Däne mehrere Rippenbrüche, eine Lungenquetschung und einen Pneumothorax erlitt, hat er kein Rennen mehr bestritten. «An der Startlinie zu stehen, ist bereits ein Sieg. Ab jetzt ist alles ein Bonus», sagte der Däne auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Florenz.

«Es ging darum, es noch rechtzeitig zu schaffen. Mein Ziel ist, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Vielleicht kann ich mich auch im Laufe der Tour verbessern», so der Sieger von 2022 und 2023 an. Dass es gleich in der ersten Woche der 3498,3 Kilometer langen Rundfahrt mit schweren Etappen in Italien, der Kletterpartie zum 2642 Meter hohen Col du Galibier, einem schweren Einzelzeitfahren und einer Gravel-Etappe ordentlich zur Sache geht, gefällt dem Vingegaard-Team gar nicht. «Wir hätten es lieber sanfter gehabt», sagte Teammanager Merijn Zeeman: «Wir kämpfen darum, dass sich alles am letzten Tag entscheidet.»

Erstmals Tour-Finale in Nizza

Am letzten Tag endet die Tour mit einem Einzelzeitfahren von Monaco nach Nizza. Das hatte es seit 1989 nicht mehr gegeben, als der Franzose Laurent Fignon auf den Champs Élysees in einem Herzschlagfinale gegen den Amerikaner Greg Lemond noch den Gesamtsieg um acht Sekunden verspielte. Auf ein Tour-Finale in der französischen Hauptstadt müssen die Radprofis wegen der bevorstehenden Olympischen Spielen erstmals auch verzichten. 

Im letzten Jahr hatte Vingegaard mit 7:29 Minuten Vorsprung Paris erreicht. Letztes Jahr sei er im Zeitfahren mental eingebrochen, räumte Pogacar ein. Er sei damals nach seinem Sturz im Frühjahr nicht bei 100 Prozent gewesen. Dieses Mal herrschen umgekehrte Vorzeichen. Der Druck also bei Pogacar, den Jan Ullrich bereits als «Eddy Merckx unserer Zeit» beschreibt? «Diamanten werden unter großem Druck fabriziert», sagte Pogacar scherzhaft der französischen Zeitung «L'Équipe». Die Zeit sei gekommen, um das Double in Angriff zu nehmen.

Startschuss für Red Bull

Einer, der auch etwas dagegen hat, ist sein Landsmann Roglic. Mit dem Know-how des neuen Topsponsors Red Bull, der beim deutschen Bora-hansgrohe-Team eingestiegen und am Mittwoch vorgestellt worden ist, soll das Trauma von 2020 besiegt werden. «Man kann die Ergebnislisten nicht umschreiben. Vielleicht gibt es irgendwann mal eine Revanche. Viel Zeit hat er nicht mehr. In fünf Jahren ist es zu spät. Man kann schon sagen: Jetzt oder nie», sagte Teamchef Ralph Denk der dpa.

Vor vier Jahren war Roglic am vorletzten Tag der scheinbar sichere Tour-Sieg von Pogacar noch entrissen worden. Nun soll es im blauen Trikot mit den roten Bullen auf der Brust noch gelingen. «Das ist ein schönes Trikot, um in die Tour zu starten, aber ich hoffe, dass ich sie mit einem Gelben beende», sagte der 34-Jährige bei der Präsentation am Mittwoch in Salzburg.

Von Gelb träumt auch Evenepoel. Das Wunderkind aus Belgien hat in jungen Jahren schon große Erfolge eingefahren: Straßen-Weltmeister und Vuelta-Sieger 2022, WM-Zeitfahr-Champion 2023 und diverse Klassiker-Siege. Aber reicht es für den 24-Jährigen auch gegen die Besten der Besten bei der Tour? In den letzten Tagen habe er extra noch Gewicht verloren, so Evenepoel.

Wenn sich die Stars der Branche duellieren, werden die acht deutschen Tour-Starter wohl nur eine Statistenrolle einnehmen. Allenfalls ein Etappensieg dürfte im Bereich des Möglichen liegen. Ex-Tour-Champion Ullrich macht ihnen Hoffnung: «Ich glaube, dass uns dies auch dieses Jahr bei der Tour gelingt.» Den letzten deutschen Tagessieg gab es 2021 durch Politt. Der Kölner hat dieses Jahr anderes im Sinn.

Redaktionshinweis: mit weiteren Infos und Aussagen von Pogacar und Vingegaard

© dpa ⁄ Stefan Tabeling und Felix Schröder, dpa
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