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DFB-Kapitäne seit 2000: Sturz, Eklat und große Ehre

Bierhoff geht, Kahn und Ballack müssen gehen. Die Historie der DFB-Kapitäne in diesem Jahrtausend ist turbulent und voller Emotionen. So glücklich wie Lahm verabschiedet sich keiner.
Philipp Lahm beim WM-Triumph 2014
WM 2002 - Deutschland - Brasilien
Michael Ballack
Nationaltorhüter Manuel Neuer
Euro 2024: Schweiz - Deutschland

Seit dem legendären Fritz Walter als Weltmeister 1954 kommt dem Amt des Kapitäns der Fußball-Nationalmannschaft eine immense öffentliche Bedeutung zu. Franz Beckenbauer trug die damals noch schwarz-weiß gehaltene Binde 50 Mal bis zum WM-Sieg 1974. Mit dem Rücktritt von Ilkay Gündogan aus der DFB-Elf wird nun zum Start in die neue Länderspiel-Saison ein neuer Spielführer gesucht. 

Bundestrainer Julian Nagelsmann, der eher in flachen Hierarchien denkt, wird wohl Joshua Kimmich nach der Zusammenkunft des DFB-Kaders heute in Herzogenaurach mit dem Amt betrauen. «Es war so, dass ich bei der EM zweiter Kapitän war. Ilkay hat jetzt aufgehört, dadurch werden die Rollen neu verteilt, die Karten neu gemischt», sagte Kimmich nach dem 2:0 mit dem FC Bayern München am Sonntagabend in der Bundesliga gegen den SC Freiburg. Der 29 Jahre alte Kimmich würde damit in große Fußstapfen treten. So geräuschlos lief die Amtsübergabe in diesem Jahrtausend aber keinesfalls immer ab. 

Von Oliver Bierhoff zu Oliver Kahn

Der Neustart unter DFB-Teamchef Rudi Völler nach dem frühen EM-K.o. 2000 ist schwieriger als es vielen heute in Erinnerung ist. Die WM-Qualifikation ist ein Zitterspiel. Besonders in der Kritik: Kapitän Oliver Bierhoff. Der Golden Boy vom EM-Triumph 1996 steuert auf das Karriereende zu, ist nicht mehr gesetzt. Ein halbes Jahr vor der WM 2002 stellt er sein Amt zur Verfügung. 

«Es ist hilfreich, dass er dem überzogenen und ungerechtfertigten Wirbel um seine Person als Kapitän ein Ende gesetzt hat», erklärte Völler. Oliver Kahn wird zum Kapitän. Mit dem Torwart-Titan als Anführer geht es für die DFB-Elf in Asien bis ins Finale. 

Von Oliver Kahn zu Michael Ballack

Jürgen Klinsmann wird nach der vermurksten EM 2004 Bundestrainer. Und eine seiner ersten Amtshandlungen ist das Aus für Kahn als Kapitän. «Ich wünsche mir einen Feldspieler, der zu allen Mannschaftsteilen Verbindung hat und in schwierigen Phasen die Zügel in die Hand nimmt», begründet der große Reformator seine Entscheidung pro Michael Ballack. 

Es ist eine Demontage von Kahn in Raten. Kurz vor dem Sommermärchen wird Kahn auch als Nummer eins abgelöst, Jens Lehmann steht 2006 bei der Heim-WM im Tor. Kahn schluckt den großen Frust und bekommt beim Spiel um Platz drei gegen Portugal (3:1) sein Abschiedsspiel - auch noch einmal als Kapitän. 

Von Michael Ballack zu Philipp Lahm

Kevin-Prince Boateng nimmt ungewollt Einfluss auf die DFB-Historie. Mit einem Foul im englischen Pokalfinale verletzt er Ballack. Die WM 2010 findet ohne den Capitano statt. Lahm wird von Bundestrainer Joachim Löw zunächst zum Turnierkapitän befördert. Als Kopf einer jungen, erfolgreichen Mannschaft beeindruckt dieser in Südafrika. Was da noch keiner denkt: Ballack wird nicht in die DFB-Elf zurückkehren.

Eine erneute Verletzung wirft ihn im Herbst 2010 zurück. Löw sieht keine Verwendung mehr für den einstigen Anführer. Nach einem Krisentreffen im März 2011 gehen beide mit unterschiedlichen Auffassungen auseinander. Ballack glaubt weiter an eine Rückkehr. Löw meint, das Gegenteil geäußert zu haben. Der Riss ist nicht mehr zu kitten. Ballack wirft Löw «Scheinheiligkeit» vor und verzichtet auf ein Abschiedsspiel als Nationalspieler. 

Von Philipp Lahm zu Bastian Schweinsteiger

Erstmals seit Klinsmann 1998 gelingt einem DFB-Kapitän der Abschied ohne Wirbel und Eklat. Im Gegenteil: Lahm ist nach Walter, Beckenbauer und Lothar Matthäus (1990) der vierte deutsche Spieler, der als Kapitän den WM-Pokal in die Höhe stemmen kann. 

In der magischen Nacht von Rio krönt er mit dem 1:0 gegen Argentinien nach Verlängerung seine Karriere und beendet seine DFB-Laufbahn. Später wird der Münchner zum Ehrenspielführer ernannt und organisiert als Turnierchef die Heim-EM 2024. Sein Nachfolger ist schnell gefunden: Kollege Bastian Schweinsteiger.

Von Bastian Schweinsteiger zu Manuel Neuer

Zwei Jahre bleibt «Schweini» der Kapitän. Der erhoffte Triumph gelingt ihm als DFB-Spielführer nicht. Der letzte Turnierauftritt im EM-Halbfinale 2016 endet unglücklich. Sein ungeschicktes Handspiel führt zum 0:2 gegen Frankreich. Wenige Wochen später folgt ein emotionaler Abschied in Mönchengladbach gegen Finnland (2:0). Die Fans feiern den gealterten Rio-Helden. Wieder ist die Amtsübergabe einfach geregelt. Manuel Neuer als weiterer Weltmeister übernimmt die Binde und als erster Torwart seit Kahn. 

Von Manuel Neuer zu Ilkay Gündogan

Neuer ist kein Kapitän der großen Worte, aber intern genießt er durch seine Ausnahmeleistungen größten Respekt. Dennoch ist die Zeit für ihn auch von Verletzungen und langfristigen Ausfällen geprägt. Stellvertreter hat er mehrere. Beim Confed-Cup-Sieg 2017 in Russland ist das primär Julian Draxler, aber im Halbfinale gegen Mexiko (4:1) erstmals auch Joshua Kimmich. 

Bei der EM 2021 und der WM 2022 wird die Spielführer-Binde zum Politikum. Regenbogenfarben, gesellschaftliche Botschaften: Viel wird auf das Stück Stoff projiziert, in Katar kommt es mit der FIFA zum Binden-Eklat. Neuer muss ihn mit ausbaden. 

Doch es kommt für ihn noch schlimmer. Der Beinbruch nach einem Skiunfall zwingt zu einer langen Pause. Bundestrainer Hansi Flick lässt die Kapitänsfrage lange offen. Als eine seiner letzten Amtshandlungen ernennt er im September 2023 Gündogan zum Spielführer. Flicks Nachfolger Nagelsmann hält an dieser Entscheidung fest - auch nach Neuers Comeback. 

Gündogan muss sich wegen seines ruhigen Charakters oft rechtfertigen. Erst bei der Heim-EM wächst er richtig in die Rolle hinein. Doch dann macht er selber Schluss. Wenige Tage nach dem Rücktritt von Gündogan beendet auch Neuer im August seine DFB-Karriere. Die Zeit für einen Neuanfang ist gekommen. 

© dpa
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