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Tödliche Schüsse im Hauptbahnhof: Was wissen wir bisher?

Im Frankfurter Hauptbahnhof wird ein junger Mann mutmaßlich im Rahmen einer Blutrache gezielt erschossen. Was ist zur Tat und den Hintergründen bisher bekannt?
Tötungsdelikt am Frankfurter Hauptbahnhof
Das Motiv der Tat ist noch nicht ganz klar - Hintergrund könnte eine Familienfehde oder Blutrache in der Türkei sein (Archivfoto). © Andreas Arnold/dpa

Eine Woche nach den tödlichen Kopfschüssen mitten im Frankfurter Hauptbahnhof laufen die Ermittlungen zum Motiv und den Umständen. Die wichtigsten Fragen: 

Was ist vorgefallen?

Ein 54 Jahre alter Mann soll am Dienstagabend vergangener Woche einen 27 Jahre alten Mann mitten im Hauptbahnhof getötet haben. Um kurz nach 21.00 Uhr soll sich der mutmaßliche Täter in Höhe von Gleis 9 auf das spätere Opfer zubewegt und ihm von hinten in den Kopf geschossen haben. Nachdem der 27-Jährige zu Boden gegangen sei, habe der Tatverdächtige noch zweimal in den Kopf des Mannes geschossen, bevor er die Pistole weggeworfen und die Flucht ergriffen habe, erklärte die Staatsanwaltschaft. 

Auch auf Aufzeichnungen von Videokameras ist das gezielte Vorgehen des mutmaßlichen Täters zu sehen. Dank des beherzten Einschreitens der Bundespolizei konnte der Verdächtige kurz darauf festgenommen werden. Die Beamten hätten verhindert, dass der Mann einen Zug besteigen und flüchten konnte, hieß es von der Staatsanwaltschaft.

Was wissen wir über den Tatverdächtigen und mögliche Motive? 

Der mutmaßliche Täter ist ein 54 Jahre alter türkischer Staatsbürger, der im Ortenaukreis in Baden-Württemberg ansässig ist. Wie der stellvertretende Vorsitzende der kurdischen Gemeinde Deutschland, Mehmet Tanriverdi, der Deutschen Presse-Agentur sagte, seien Täter und Opfer Kurden und stammten aus der Türkei nahe der syrischen Grenze. Die Informationen zur Tat habe Tanriverdi aus Gemeindekreisen erfahren. Hintergrund könnte eine Familienfehde oder Blutrache in der Türkei sein. 

Nach Angaben der kurdischen Gemeinde soll das Opfer vorher selbst zum Täter geworden sein und 2016 auf einer Erdbeerplantage in der türkischen Millionenstadt Antalya einen jungen Mann getötet haben. Er sei später nach Deutschland geflüchtet, auch aus Angst für seine Tat getötet zu werden, habe es aus Gemeindekreisen geheißen. «Der junge Mann war aber so naiv, dass er in den sozialen Medien aktiv war und seine Feinde ihn dort dann finden konnten», sagte Tanriverdi. Der Onkel des damaligen Opfers sei nun der mutmaßliche Täter von Frankfurt, sagte Tanriverdi. 

Was ist eine Blutrache?

Die Blutrache ist ein altes Verfahren der Selbstjustiz in vielen Ländern weltweit. In der Türkei etwa wird immer mal wieder über vergleichbare Fälle berichtet, die etwa als Mord vor Gericht verhandelt werden. Die Blutrache ist eigentlich ein Auslaufmodell, sagte Mehmet Tanriverdi. In ländlichen Gegenden mit kurdischer Bevölkerung, wo der Staat wenig Zugriff habe, werde diese noch heute angewendet - insbesondere bei Land- und Beziehungsstreitigkeiten. 

Auch in anderen Kulturen existiert noch heute diese Form der Selbstjustiz. So soll die Blutrache weiterhin in Teilen Albaniens, im Kosovo und auch selten auf Kreta praktiziert werden. 

Wie häufig kommen solche Taten vor? 

Laut Britta Bannenberg, Professorin für Kriminologie an der Universität Gießen, finden solche Taten eher selten in Deutschland statt. Oft handele es sich um «gegenseitige Tötungen von Männern im weiteren Familien- und Bekanntenkreis, wobei diese Taten alle im öffentlichen Raum mit Schusswaffen geschahen», also bewusst «zur Schau gestellt» wurden. 

Die Täter versuchen in der Regel zu fliehen, die Familien der Beteiligten sind äußerst wortkarg und schweigen auch vor Gericht weitgehend. Ermittler haben laut Bannenberg bei bisherigen Blutracheakten über Zeugenaussagen und Telefonüberwachung allerdings einige Erkenntnisse sammeln können: Die Taten sind oft länger geplant, die Opfer werden ausgespäht und zum Teil wurde versucht, ausländische Täter anzuheuern, die nur für die Tat einreisen und wieder ausreisen sollten. 

Die Familien seien unterschiedlich sozialisiert, überwiegend überlagerten sich «Streit um die Anteile aus kriminellen Geschäften, der Status junger Männer und Machtdemonstrationen mit archaischen kulturellen Vorstellungen», sagte Bannenberg. 

Was könnte den Täter erwarten?

«Wenn jemand so etwas macht, dann muss er schon ein sehr starkes Motiv haben oder unter sehr großem Druck gestanden haben», sagte dazu Kriminalpsychologe Rudolf Egg. «Wer in aller Öffentlichkeit eine solche Tat begeht, nimmt ein sehr hohes Entdeckungsrisiko in Kauf», so der frühere langjährige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. Er müsse damit gerechnet haben, dass er nicht davonkommt, was eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Konsequenz hat. 

Kriminologin Britta Bannenberg sagte: «Man versucht, Hintergründe für die Motivation zu ermitteln. So könnte es durchaus sein, dass weitere Personen als Anstifter oder Gehilfen, auch als Mittäter in Betracht kommen.» Die Justiz müsse sich aus der Sicht der Expertin allerdings heute seltener mit solchen Taten befassen als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Wie wird in der Türkei auf die Tat geblickt?

In türkischen Medien wurde mit teilweise großer Empörung über den Vorfall berichtet. Die Zeitung «Hürriyet» und der Sender Halk TV titelten etwa: «Eine Blutrache, die bis nach Deutschland reicht». Sie bezeichneten die Tat als eine Blutfehde zwischen zwei Familien, mit der ein Mord gerächt werden sollte. Die Darstellung beruht jedoch auf ungenannten Quellen.

 

 

© dpa ⁄ Lukas Fortkord, Jenny Tobien und Anne Pollmann, dpa
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