Wegen der Amputation von Hoden, Zehen und eines Penisses hat das Landgericht Erfurt einen 75-Jährigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Mann aus Thüringen ohne medizinische Ausbildung soll laut Urteil in mehreren Fällen auf Wunsch der Betroffenen und gegen Bezahlung die Amputationen durchgeführt haben - auf seiner Wohnzimmer-Couch. Verurteilt wurde der Mann wegen sieben Fällen schwerer Körperverletzung und eines weiteren Falls von Körperverletzung zu drei Jahren und zehn Monaten. «Was wir mit dieser Strafe auf jeden Fall bewirken wollen, ist, dass es keine Nachahmer gibt», sagte der Vorsitzende Richter Udo Tietjen.
«Scham behaftetes Verfahren»
«Es war ein außergewöhnliches Verfahren, es war auch ein mit Scham behaftetes Verfahren», so Tietjen. Auch die gehörten Zeugen, die von sich aus den Angeklagten um die Eingriffe gebeten hatten, sei es schwergefallen, sich vor Gericht zu äußern, so der Richter weiter. Die Öffentlichkeit war während des Großteils der Verhandlung ausgeschlossen.
In der Urteilsbegründung wurde darauf verwiesen, dass sich der heute 75 Jahre alte Angeklagte in den vorgeworfenen Fällen geständig gezeigt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Darum ging es den Betroffenen bei den Eingriffen
In der Urteilsbegründung erklärte Richter Tietjen, die Betroffenen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands hätten sich selbst an den Mann gewandt und um die jeweiligen Eingriffe gebeten. Ihnen sei es etwa um den ersten Schritt einer Geschlechtsangleichung gegangen, oder auch um die Bekämpfung von Schmerzen im Genitalbereich.
In einem Fall habe ein Mann angegeben, unter einer bestimmten Krankheit zu leiden, wonach er überzeugt sei, die entfernten Körperteile gehörten nicht zu ihm. Die meisten der vor Gericht gehörten Betroffenen gaben laut Tietjen an, an einer Bestrafung des Angeklagten nicht interessiert zu sein. Tatsächlich habe der Mann sich nach den Amputationen auch weiter um die Betroffenen gekümmert, wenn diese auf ihn zukamen.
Geld soll nicht Motivation gewesen sein
Weiter hieß es in der Urteilsbegründung, dass der Mann bei seiner Einlassung angegeben habe, sich vor den Eingriffen längere Zeit auch in Internetforen mit dem Thema Kastration beschäftigt zu haben. Er habe den Betroffenen demnach helfen wollen. Geld habe bei den Amputationen nur ein untergeordnetes Interesse gespielt. An dieser Aussage des Mannes äußerte das Gericht allerdings Zweifel. Der heute 75-Jährige hatte auch selbst die Eingriffe in den Spezialforen im Internet angeboten.
Verbleib von Körperteilen unklar
Die Fälle liegen alle einige Jahre in der Vergangenheit, der älteste stammt aus dem Jahr 2015. Zwischen 500 und 2200 Euro soll der Mann für die Amputationen genommen haben. Für die Eingriffe habe er eine Kunststoffmatte auf sein Sofa gelegt, den Genitalbereich der Betroffenen mittels Spritze betäubt und auch desinfiziert. Was mit den entfernten Körperteilen passierte, habe sich nicht klären lassen, so Richter Tietjen. Mindestens ein Eingriff sei zudem potenziell lebensgefährlich für den Betroffenen gewesen.
Ähnlicher Fall in Bayern
Auf die Spur des Mannes aus Thüringen kamen die Ermittler nach einem Hinweis von Kollegen aus Erdingen, die in einem anderen Kastrationsverfahren gegen einen Mann aus Bayern ermittelten. Im Dezember 2021 war ein damals 67 Jahre alter Elektriker wegen schwerer, gefährlicher und einfacher Körperverletzung am Landgericht München II zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte zugegeben, in Sadisten-Foren im Internet «Kastrationen» angeboten zu haben. Mehrere Männer zahlten ihm demnach Geld dafür, dass er sie beispielsweise folterte und die Hoden entfernte. Einer der Männer starb nach dem Eingriff - woran, konnte das Gericht nicht mehr ergründen.