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Elf hessische Fälle im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes

Für sein Schwarzbuch hat der Bund der Steuerzahler wieder Fälle vermeintlicher oder tatsächlicher Verschwendung von Steuergeld gesammelt. In das Werk schafft es auch der Frankfurter «Paradieshof».
Paradieshof Frankfurt
Geldscheine - Illustration
Paradieshof Frankfurt

Mit seinem aktuellen Schwarzbuch macht der Steuerzahlerbund wieder auf Fälle mutmaßlicher Steuerverschwendung aufmerksam - darunter knapp ein Dutzend Beispiele aus Hessen. Das berüchtigte Sammelwerk widmet sich dieses Jahr mit einem Schwerpunktkapitel der Bürokratie und ihren Auswirkungen. «Das Schwarzbuch zeigt seit mehr als fünf Jahrzehnten anhand konkreter Beispiele auf, welche Fehler zur Verschwendung führen», erklärte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Hessen, Joachim Papendick, in Wiesbaden. «Damit wollen wir dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden.»

Hohe Kosten statt Paradies in Frankfurt

Aus Hessen hat es dieses Jahr der «Paradieshof» in Frankfurt in das Schwarzbuch geschafft. Laut Steuerzahlerbund kaufte die Stadt bereits 2011 den 1960er-Jahre-Bau. Allerdings habe sie bis heute kein Konzept realisiert, sodass das Gebäude leer stehe und zusehends verfalle, kritisierte der Verein. «Wenn die Mainmetropole nicht handelt, drohen Kosten für eine immer aufwendigere Sanierung.» Papendick forderte ein realistisches Nutzungskonzept. Ansonsten müsse der «Paradieshof» verkauft werden. 

Der derzeitige Zustand des Gebäudes sei tatsächlich nicht befriedigend, teilte eine Sprecherin der Stadt Frankfurt mit. «Hier besteht Handlungsbedarf, um diese stadteigene Immobilie aufzuwerten und ihr neues Leben einzuhauchen.» Die dafür erforderlichen Mittel sollten noch in diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden. Es werde noch auf die Haushaltsgenehmigung gewartet.

Brücke zum Zaun

Zu den Schwarzbuch-Beispielen zählt zudem die alte Postbrücke bei Lorsch in Südhessen. Das denkmalgeschützte Bauwerk war wegen einer Beschädigung seit 2016 gesperrt und wurde für mehr als 300.000 Euro saniert. Die Bürgerinnen und Bürger könnten die Brücke nun wieder begehen, erklärte der BdSt. «Aber am Ende der Brücke in Richtung Weschnitzinsel geht es nicht weiter – dort wurde nämlich ein meterhoher Zaun errichtet.» Hinter dem Zaun befindet sich ein Naturschutzgebiet, dessen Renaturierung 2017 abgeschlossen wurde. Inzwischen darf der frühere Weg durch das Gebiet nicht mehr benutzt werden. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes hätte womöglich eine günstigere Teilsanierung der Brücke ausgereicht. Der Bürgermeister von Lorsch, Christian Schönung, entgegnete, die gewählten Vertreter der Stadt Lorsch hätten den Vorlagen für die Sanierung einstimmig zugestimmt.

Geld durch den Schornstein?

Für Kritik sorgt auch der mehr als 50 Jahre alte Schornstein des Fernheizwerks auf dem Gelände der Universität Marburg. Er wird schon länger nicht mehr genutzt und ist stark baufällig. Eine Sanierung würde laut BdSt mehrere Millionen Euro kosten. Als die Universität den 100 Meter hohen Turm habe abreißen lassen wollen, habe die Denkmalschutzbehörde ihr Veto eingelegt. «So drohen Hessens Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Millionenkosten für ein nutzloses Relikt», erklärte Papendick. Beim Denkmalschutz sei es wie bei der Kunst: Man könne darüber streiten. «Doch das Land Hessen und seine Denkmalschutzbehörden entscheiden allein, was schützenswert ist», monierte der Steuerzahlerbund und schlug vor, auch Eigentümer und die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen.

Manchmal entscheiden Zentimeter

Der Steuerzahlerbund kritisierte außerdem, dass der Sprungturm im Freibad im mittelhessischen Biedenkopf abgerissen werden soll. Nach 30 Jahren sei zufällig aufgefallen, dass im Becken für den Drei-Meter-Turm fünf Zentimeter Tiefe fehlten. Da die Stadt bei möglichen Unfällen haftet, muss deshalb nun der Sprungturm ersatzlos abgerissen werden – obwohl trotz zu geringer Wassertiefe jahrzehntelang kein Unfall passierte und niemand den Mangel bemerkte. Für den Bund der Steuerzahler ist es fraglich, «ob die Vorschriften so unflexibel sein müssen, dass selbst minimale Abweichungen unmöglich sind».

Teure Starallüren im Kasseler Magistrat?

In Kassel ließen sich die neuen hauptamtlichen Magistratsmitglieder für Porträt- und Gruppenfotos ablichten, wie Papendick berichtete. Dies sei auch völlig in Ordnung. Die Fotos habe aber nicht ein lokaler Fotograf, sondern ein eigens dafür angereister Star-Fotograf aus Berlin gemacht - für rund 6.000 Euro. Eine Umfrage unter ortsansässigen Fotografen habe ergeben, dass der Auftrag auch für rund 1.000 Euro erledigt worden wäre. «Für die Fotos des neuen Magistrats wäre kein teurer Promi-Fotograf nötig gewesen, Starallüren dürfen nicht auf Steuerzahlerkosten gehen», mahnte der Steuerzahlerbund. 

Die Stadt Kassel entgegnete: «Wie es auch in anderen Bereichen üblich ist, beschränkt sich die Suche der Stadt Kassel nach geeigneten Dienstleistern nicht nur auf das Gebiet der Stadt Kassel.» Es sei vorgesehen, die Fotos für die vollständige sechsjährige Amtszeit der Magistratsmitglieder zu verwenden. Eine erneute Zusammenarbeit mit dem Berliner Fotografen sei daher nicht geplant. 

Erfolg für Steuerzahlerbund: kein teurer Multifunktionsturm

Als Erfolg verbuchte Papendick, dass ein geplanter Turm in Grebenhain nun doch nicht gebaut wird. Das Projekt hatte es in das vorangegangene Schwarzbuch 2023 geschafft. In dem mittelhessischen Ort sollte ein ursprünglich vorgesehener Funksendemast dank mehrerer Fördertöpfe zu einem Multifunktionsturm mit Aussichtsplattform ausgebaut werden. Dies hätte das Vorhaben fünfmal teurer gemacht. Nun wird doch nur der für die Funkversorgung nötige Sendemast gebaut.

© dpa ⁄ Andrea Löbbecke, dpa
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