Kein Urteil kann die verzweifelte Mutter trösten - egal, wie es ausfällt. «Andere Kinder gehen zur Schule, meine sind im Grab», sagte die weinende Frau. Ihr Mann versuchte die Fassung zu bewahren. Er sagte: «Ich weiß, meine Kinder kommen nicht zurück.» Seine Kinder, zwei kleine Jungen im Alter von zwei und sechs Jahren, starben im Februar 2022, als der Wagen der Familie in Barsinghausen bei Hannover in ein verbotenes Autorennen geriet. Dafür muss eine 42-Jährige nun wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis, ihr 41 Jahre alter Rivale bei dem Rennen für vier Jahre.
Nach dem Urteil entschuldigte sich Richterin Britta Schlingmann bei der untröstlichen Familie: Man bekomme den Eindruck, dass es in der Verhandlung nur um die Angeklagten und ihre Gefühle gehe, weniger um die Opfer. Sie wolle aber sagen, wie leid es ihr tue, was die Familie im Verfahren habe erdulden müssen - der Tod der Kinder könne mit dem Prozess nicht wiedergutgemacht werden. Der Vater der Kinder meinte: Wer ein Auto fahre, müsse auch an andere Menschen denken.
Dann wurde die Richterin deutlich: Das Gericht sei überzeugt, dass die Verurteilten den Tod anderer und die Kollision mit dem Gegenverkehr billigend in Kauf genommen hätten, sagte sie zur Urteilsbegründung. Das Urteil fiel wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und eines illegalen Autorennens mit Todesfolge. Der Führerschein der verurteilten Polin soll demnach für fünf Jahre eingezogen werden, der des Deutsch-Italieners für drei Jahre. Mit dem Strafmaß folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft.
Was war genau passiert? Hinter dem Ortsausgang von Barsinghausen lieferten sich die beiden Verurteilten ein verbotenes Autorennen. Etwa 500 Meter raste die Frau mit ihrem PS-starken Wagen auf der Gegenfahrbahn, um ihren Rivalen zu überholen, zunächst auf gerader Strecke. Beim Einscheren in eine Kurve - mit bis zu 180 Kilometern pro Stunde - verlor sie die Kontrolle über ihren Wagen. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr. Dabei wurde das Auto der vierköpfigen Familie auf eine Pferdekoppel geschleudert. Die kleinen Jungen auf der Rückbank, obwohl altersgerecht angeschnallt, starben. Deren Eltern und der Fahrer eines anderen Autos wurden schwer verletzt. Auf der Strecke ist Tempo 70 erlaubt.
Im Prozess wurde deutlich, dass die Frau oft zu schnell fuhr - frühere Arbeitskollegen bescheinigten ihr einen «rasanten» Fahrstil. Immer sei sie hochmotorisierte Fahrzeuge gefahren, sei auch geblitzt worden, sagte die Staatsanwältin im Plädoyer.
Richterin Schlingmann erklärte: «Der entscheidende Zeitpunkt ist der, in dem beide in die Kurve fuhren. Das ist der Moment, in dem beide Angeklagten das Geschehen aus der Hand gaben.» Sie hätten nicht sehen können, was hinter der Kurve war, das sei eine Verkehrssituation, die «an Gefährlichkeit kaum zu überbieten ist». Eine solche Situation sei nicht beherrschbar und führe zwangsläufig zur Tötung oder Verletzung von Verkehrsteilnehmern. Diese Folgen hätten beide billigend in Kauf genommen, weil sie in dem Rennen nicht hätten nachgeben wollen.
Zwar seien die beiden Verurteilten schwer betroffen, beide hätten sich bei der Familie entschuldigt, der unglückliche Vater habe damit aber nichts anfangen - und das Gericht es letztlich nicht berücksichtigen können. Die 42-Jährige blickte im Prozess oft zu Boden, immer wieder weinte sie.
Es war keineswegs der erste Prozess zu dem Fall: Es musste neu verhandelt werden, weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil vom April 2023 wegen Rechtsfehlern weitgehend aufgehoben hatte. Damals war die Hauptangeklagte zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden, der mitangeklagte Deutsch-Italiener zu vier Jahren. Ursprünglich fiel das Urteil wegen eines unerlaubten Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Die Strafe für den Mann sei nun aus formalen Gründen gedeckelt - in seinem Fall habe die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt, erklärte die Richterin.
Doch mit dem neuen Urteil ist es möglicherweise noch nicht vorbei: Rechtsanwältin Yana Tchelpanova, eine der Verteidigerinnen der 42-Jährigen, kündigte noch im Gerichtssaal Revision an, das Urteil sei lebensfern - und: «Wir halten es für ein Fehlurteil.» Sobald sie im Büro sei, werde sie Revision einlegen. Der Anwalt der Familie mahnte: Sollten sich die Eltern der toten Kinder erneut mit dem Fall befassen müssen, wäre dies kaum auszuhalten.