Nackt zu sein, das ist für Wolfgang Weinreich ein Lebensgefühl - auch auf Reisen. «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich als erwachsener Mensch einen Urlaub in Textil gemacht habe», sagt er. Insofern hat Weinreich einen Job, der perfekt zu ihm passt: Er arbeitet bei Miramare Reisen, dem einzigen FKK-Reiseveranstalter Deutschlands. Und er empfiehlt jedem, es mal auszuprobieren.
«Gehen Sie mal ins Wasser und haben keine Badehose an, die Ihnen am Leib klebt. Bewegen Sie sich mal ohne Kleidung, wenn der Wind so lau weht», sagt Weinreich «Das ist einfach wunderschön. Ein reines Gefühl, das kaum zu beschreiben ist.»
Urlaub ganz hüllenlos, das ist das Konzept von FKK-Campingplätzen und FKK-Hotelanlagen. Es gibt sie weltweit, in Europa unter anderem in Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, in der Schweiz, in Österreich, Skandinavien, Holland oder Kroatien.
Die Wiege des FKK-Urlaubs
«In Europa kann man ganz gut sich von A nach B hangeln», sagt Michaela Toepper vom Deutschen Verband für Freikörperkultur. Sie hebt besonders Istrien hervor. Die Halbinsel an der Adria im Norden Kroatiens sei die Wiege des FKK-Urlaubs. Zwischen Porec und Rovinj stehen Anlagen wie der Naturist Park Koversada oder das Naturisticki Kamp Valalta. «Das sind komplette Feriendörfer, die riesig groß sind», sagt Toepper.
Auch in Frankreich sei man sehr liberal hinsichtlich Naturismus. Hier gibt es mehrere große Campingplätze. Einer davon ist das FKK-Zentrum Euronat nördlich von Bordeaux mit einem 1,5 Kilometer langen Privatstrand und mehreren Pools. Mit knapp 1500 Stellplätzen und 335 Hektar Fläche ist es nach eigenen Angaben das größte FKK-Resort Europas. Der Betreiber France 4 Naturisme unterhält neben diesem noch sechs weitere große Feriendörfer in Frankreich. «Hier kommen Leute aus der ganzen Welt her», sagt Toepper.
Für einen Überblick zu Urlaubsoptionen in Europa empfiehlt Toepper den FKK Reiseführer Europa, der im Drei Brunnen Verlag erscheint. Die gesamte Welt im Blick hat die Website der internationalen Naturisten-Federation (INF-FNI). Camps, Resorts und Strände rund um den Globus bündelt auch die Nacktaktivitätenkarte des deutschen Vereins GetNakedGermany, die von dem internationalen Naturisten-Verband ausdrücklich empfohlen wird.
Rücksicht nehmen - auch in liberalen Ländern
Kein geeignetes Reiseziel sind muslimisch geprägte Länder. «Da sollten Sie bitte, bitte Hose und Badeanzug anlassen und gar nicht erst den Versuch starten», sagt Wolfgang Weinreich.
Auch in den gegenüber nackter Haut liberal eingestellten Ländern gilt: Immer Rücksicht nehmen und sich so verhalten, wie die Leute es dort tun, so Weinreich. «Wo FKK am Strand toleriert wird, kann ich mich natürlich nackt auf mein Handtuch setzen und baden.» Aber: Provokantes Verhalten wie Schmusereien mit dem Partner gehöre sich dabei nicht.
Das Altersprofil bei den FKK-Reisenden sei eher 50 Jahre plus, sagt Weinreich mit Blick auf die Buchungen bei Miramare Reisen. «Das liegt jedoch auch daran, dass Angebote für junge Familien nicht in dem Maße da sind, wie sie nötig wären.» Vor allem im gehobeneren Segment sind sie noch rar, während es beim einfachen Zelt- und Caravan-Urlaub mehr Auswahl gibt. Nach seinen Worten übersteigt die Nachfrage nach FKK-Urlaub bei Miramare Reisen aber das Angebot. Man könne theoretisch mehr verkaufen, wenn es mehr gäbe.
Bei gutem Wetter fallen die Hüllen
Und wie läuft das eigentlich ab in einer FKK-Anlage? «Das ist relativ einfach», sagt Michaela Toepper. «Wenn das Wetter gut ist, sind alle ausgezogen in der Regel. Wenn alle nackt sind, sind alle gleich. Dann fällt man als Angezogener mehr auf.» Vorgaben kann es geben, einen Zwang nicht. Wobei es beim Baden schon die Regel ist, dass wirklich alle nackt ins Wasser gehen. Aber: «Wenn jetzt zum Beispiel Kinder in der Pubertät sind und Probleme damit haben, nackt zu sein, sagt keiner etwas.»
Wer sich an die Freikörperkultur erstmal herantasten möchte, der findet laut Toepper bei den zahlreichen FKK-Vereinen in Deutschland eine gute Anlaufstelle - etwa auch als eintägigen Halt auf einer Camper-Reise. «Bei den allermeisten Vereinen kann man kurzfristig anrufen oder auch einfach vorbeifahren», sagt sie. Sie lägen in ganz Deutschland verstreut, der größte Teil allerdings in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern ist die Kultur zwar verbreitet, aber kaum vereinsmäßig organisiert. Eine Übersicht der Vereine gibt es auf der Website des Deutschen Verbands für Freikörperkultur.