Es gibt ein paar Grundregeln aus dem alten Rom, die in Italiens Hauptstadt immer noch ihre Gültigkeit haben. Eine davon: Vor Gladiatoren sollte man sich in Acht nehmen. Früher konnte man keinesfalls sicher sein, aus einer Begegnung lebend herauszukommen. Heute handelt es sich bei den Gestalten rund um Kolosseum und Engelsburg mit Helm und Lendenschurz des Öfteren um Trickbetrüger, die Touristen Geld aus der Tasche ziehen.
Vor solchen Methoden sind die Römer mit ihrer 2000-jährigen Erfahrung in der Regel gefeit. Nun allerdings gibt es anderen Ärger: Der Internet-Wohnungsvermittler Airbnb hat vom Staat für 1,5 Millionen Dollar (mehr als 1,4 Millionen Euro) zwei Abende lang das Kolosseum gemietet, um wieder Gladiatorenkämpfe zu zeigen - ein Konzern, der mit seinen Kurzzeitvermietungen großen Anteil daran hat, dass es in Rom kaum noch bezahlbare Wohnungen gibt.
Bürgerinitiativen empören sich über PR-Spektakel
Nun ist die Empörung groß. Aus dem anfänglichen Groll ist ein ziemlicher Aufstand gegen die Airbnb-Gladiatoren geworden. Der staatlichen Verwaltung des Kolosseums wird vorgeworfen, alle Versprechen Lügen zu strafen, endlich etwas gegen den Massentourismus zu unternehmen: Die Stadt mit knapp drei Millionen Einwohnern erwartet 2025, das der Vatikan auch noch zum «Heiligen Jahr» ausgerufen hat, mehr als 40 Millionen Gäste.
Die Associazione Abitanti Centro Storico, ein Zusammenschluss der Bewohner von Roms historischem Zentrum, nennt es «beschämend, wie man ohne geringste Skrupel die an Bord holt, die dazu beitragen, Geschichte und Leben der Leute zu zerstören». Andere beschweren sich über die Kommerzialisierung von fast 2000 Jahre alter Kultur: ein Unesco-Weltkulturerbe als «Disneyland».
Airbnb will mit Imagekampagne Ruf aufpolieren
Dabei war die Idee von Airbnb eine andere. Der Konzern steht schwer in der Kritik, weil er dazu beiträgt, dass Wohnungen in vielen Städten lieber an Touristen vermietet werden als an herkömmliche Mieter. Mit einer Imagekampagne wehren sich die Amerikaner. Dazu gehört pünktlich zum Kinostart des neuen «Gladiator»-Films von Hollywood-Regisseur Ridley Scott die Aktion in Rom.
Mit dem Archäologiepark Kolosseum - so die offizielle Bezeichnung - wurde vereinbart, dass die Arena im Mai 2025 zwei Abende lang für ein exklusives Publikum geöffnet werden darf. Bei Fackelschein sollen dann auch wieder Gladiatoren gegeneinander antreten, wenn auch nur zu Spielen friedlicher Natur. Auf Leben und Tod wurde im Kolosseum, erbaut zwischen 72 und 82 nach Christus, zuletzt im fünften Jahrhundert gekämpft.
Luxuswohnung am Kolosseum für 1.400 Euro die Nacht
Inmitten der handverlesenen Gäste sollen auch etwa 30 Airbnb-Kunden gehören, die vom 27. November an über eine Lotterie ausgewählt werden. Sie bekommen zudem Gelegenheit, selbst ein Gladiatorenkostüm anzulegen. Dafür spendete Airbnb die 1,5 Millionen. Der Konzern lobt das selbst als Beitrag zu «nachhaltigem Tourismus in Europa mit Blick auf dessen Kulturerbe».
Das kam in der Nachbarschaft als einigermaßen verlogen an. Tatsächlich gehört die Gegend ums Kolosseum zu den römischen Vierteln, in denen praktisch keine Mietwohnungen mehr zu bekommen sind. Dafür gibt es bei Airbnb Angebote wie dieses: «Luxus-Unterkunft mit ikonischer Aussicht, nur wenige Gehminuten von den wichtigsten Attraktionen entfernt», 1.400 Euro die Nacht.
Mit mehr als sieben Millionen zahlenden Touristen pro Jahr ist das Kolosseum Italiens meistbesuchte Sehenswürdigkeit. Zum alltäglichen Bild gehören nicht nur die Schlangen vor den Kassen, sondern auch die Ausländer mit Rollkoffer, die mit dem Handy in der Hand verzweifelt nach ihrer Adresse suchen. Meist helfen die Einheimischen freundlich - aber längst nicht mehr immer.
In breitem Amerikanisch: «Unser römisches Imperium»
Neuerdings ist dort auch zu sehen, dass die typischen Zahlenschloss-Boxen mit Wohnungsschlüsseln, die neben den Haustüren hängen, von Aktivisten verklebt wurden. Bei der PR-Aktion sorgte für zusätzlichen Ärger, dass sich Airbnb in einem Tiktok-Video gleich das gesamte römische Reich zu eigen machte. Das Filmchen in breitestem Amerikanisch ist betitelt: «This is Our Roman Empire» («Das ist unser römisches Imperium»).
So etwas mögen die Italiener überhaupt nicht. Nun gibt es immer mehr Forderungen, auf das Spektakel zu verzichten. Roms Kultur-Stadtrat Massimiliano Smeriglio schrieb dem US-Konzern: «Zeigen Sie sich als Freund Roms, indem Sie unser einzigartiges Kulturerbe nicht in einen Spielplatz verwandeln.» Dem Appell schlossen sich mehrere Bürgerinitiativen an. Im alten Rom gab es dafür eine Geste, die man bis heute kennt: Daumen runter.