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Trägt Deutschland Mitverantwortung für US-Drohnenangriffe?

In Karlsruhe gehen zwei Jemeniten gegen US-Drohneneinsätze vor, die technisch über die Air Base in Ramstein laufen. Dem geht ein jahrelanger Rechtsstreit voraus - mit unterschiedlichen Bewertungen.
Ramstein Airbase
Airbase Ramstein

Welche Verantwortung trägt Deutschland, wenn für US-Drohneneinsätze im Ausland technische Einrichtungen auf deutschem Boden genutzt werden? Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt - und den pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein unter die Lupe genommen. Die Karlsruher Richterinnen und Richter sind nicht die Ersten, die den Fall prüfen. Die wichtigsten Hintergründe im Überblick: 

Wer klagt in Karlsruhe?

Der Zweite Senat beschäftigt sich mit einer Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Männern, deren Verwandte 2012 bei einem US-Drohnenangriff in ihrem Heimatort getötet worden waren. Am Bundesverfassungsgericht berufen sie sich auf ihr im Grundgesetz festgeschriebenes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit - und eine Verletzung der daraus folgenden Schutzpflicht Deutschlands. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet. (Az. 2 BvR 508/21)

Warum ist das ein Fall für die deutsche Justiz?

Die Militärbasis Ramstein spielt für die US-Drohneneinsätze eine bedeutende Rolle. Die Beschwerdeführer sehen die Bundesrepublik daher mit in der Verantwortung: Sie habe auch für im Ausland lebende Ausländer eine Schutzpflicht. Die Jemeniten fordern die Regierung daher auf, durch geeignete Maßnahmen auf die Einhaltung des Völkerrechts durch die USA hinzuwirken.

Was passiert in Ramstein?

Die Air Base Ramstein ist ein vom US-Militär genutzter Flugplatz in Rheinland-Pfalz. Das Bundesverteidigungsministerium sei 2010 von den amerikanischen Streitkräften informiert worden, dass auf dem Gelände eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde, so das Bundesverfassungsgericht. Das Ministerium erwiderte demnach, dass es keine Bedenken sehe.

Ramstein sei ein «ganz zentrales Element» im US-Drohnenprogramm, erklärt Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). «Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein.» Zudem würden dort Drohnenbilder ausgewertet. «Da sitzen Hunderte von Soldatinnen und Soldaten, die diese Bilder auswerten und entsprechende Informationen an die Piloten in den USA weitergeben», so Schüller.

Was sind die Kernfragen?

In erster Linie ging es in Karlsruhe um die Frage, ob und unter welchen Umständen der deutsche Staat zum Schutz des Lebens von im Ausland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit verpflichtet ist. Der Fall warf aber mit Blick auf die Drohneneinsätze der USA auch Fragen zu humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten auf: Wann verliert eine Person ihren Schutz als Zivilist? Und wann und wo darf sie dann angegriffen werden? 

Wie urteilten andere Gerichte?

Bevor er in Karlsruhe landete, hatte der Fall in den vergangenen Jahren schon mehrere deutsche Gerichte beschäftigt - die zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verurteilte die Bundesrepublik etwa 2019 dazu, künftig aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht machte die Entscheidung aber im Jahr darauf wieder rückgängig. 

Wie begründete das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung?

Das Gericht in Leipzig entschied, dass es für Ausländer im Ausland prinzipiell eine grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands geben könne. Dafür gebe es aber Voraussetzungen. Zum einen müssten völkerrechtswidrige Handlungen konkret zu erwarten sein, zum anderen müsse es dabei einen engen Bezug zum deutschen Staatsgebiet geben. Es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei, sondern es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden.

Was sagt der Bund?

Die Bundesregierung sieht alle ihre Verpflichtungen, die mit der Stationierung ausländischer Streitkräfte in Deutschland einhergehen, erfüllt. Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem «fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog», teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums mit. «Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.»

Gab es schon ähnliche Fälle in Karlsruhe?

Zu Beginn der Verhandlung verwies die Vorsitzende Richterin, Doris König, auf alte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat anknüpfen könne. So hatte das Gericht bereits 2004 entschieden, dass deutsche Staatsorgane in die Pflicht gezogen werden könnten, wenn andere Staaten Völkerrecht verletzten. Und 2021 hielt es der Erste Senat für möglich, dass Beschwerdeführer aus Nepal und Bangladesch ein Recht auf Schutz vor Klimafolgen durch Treibhausgase aus Deutschland haben könnten. 

Was könnte das Urteil bedeuten?

Das kommt darauf an, wie die Richterinnen und Richter am Ende entscheiden. Sollten sie der Bundesregierung wie von den Beschwerdeführern angedacht auferlegen, sich mit geeigneten Maßnahmen um die Einhaltung von Völkerrecht durch die USA zu bemühen, gibt es dafür verschiedene Stufen. 

«Es fängt an bei einer klaren rechtlichen Positionierung gegenüber den USA, auch einer öffentlichen Forderung, dass Ramstein nicht mehr so genutzt wird», sagt Schüller. «Das kann weitergehen bis hin zur Erteilung von Frequenzen für die Satellitennutzung oder einen Rückbau der Satellitenstation.»

© dpa ⁄ Jacqueline Melcher, dpa
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