Die Befürchtungen waren groß, der laute Knall blieb aber aus: Die AfD von Rechtsaußen Björn Höcke hat in den Thüringer Kommunalparlamenten zwar ihre Position gestärkt, aber bei den Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen keinen Sieg im ersten Anlauf geschafft. Stattdessen läuft es in mehreren Landkreisen auf ein Duell mit der CDU bei den Stichwahlen am 9. Juni hinaus.
Auch bei den Stimmanteilen in den Kreistagen und Stadträten lieferten sich beide Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen. «Nach jetzigem Stand kann man der AfD keinen Durchmarsch attestieren. Die schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten», sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Experten und die AfD selbst rechnen aber mit mehr Einfluss der Partei in den Kommunalvertretungen. Es könnte schwierig werden, an ihr vorbeizuregieren. Verschwindet nun die Brandmauer in den Kommunen?
Die AfD schwächelt bei ihrem Personal
Vier Monate vor der Landtagswahl brachte die AfD 9 ihrer 13 Landrats- und Oberbürgermeisterkandidaten in eine Stichwahl. Jedoch lag nur der AfD-Bewerber im Altenburger Land vor seinem Kontrahenten. Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier ließ bereits durchblicken, dass seine Partei in den anstehenden Stichwahlen CDU-Bewerber unterstützen könnte. Auch bei den Wahlen zu den haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeistern hatte die Partei keine Chance.
Aber sie setzt sich in Kommunalparlamenten fest
Anders sieht es bei den Wahlen für die Kommunalparlamente, also Stadträte und Kreistage, aus. Hier legte die Partei deutlich zu und lag kurz vor Schluss der Auszählungen am Montagnachmittag mit landesweit 26,1 Prozent nur knapp hinter der CDU mit 27,4 Prozent. In zehn Kreisen und kreisfreien Städten wurde sie stärkste Kraft oder stand kurz davor. So erreichte sie etwa im Sonneberg, wo Robert Sesselmann AfD-Landrat ist, 34,7 Prozent.
Das hat aus Sicht von Lembcke Folgen für die Mehrheitsfindung in den Parlamenten: «Es wird noch schwerer, sie auszugrenzen, in manchen Fällen wird es gar nicht mehr funktionieren können.» Brodocz ist der Meinung, dass die sogenannte Brandmauer faktisch ohnehin nur noch auf Bundes- und Landesebene gilt - «auf lokaler Ebene hat man sie vielfach aufgegeben».
Die CDU geht gestärkt aus der Wahl, andere verlieren
Die CDU hat ihre Stellung als kommunale Kraft gehalten. So gewannen ihre Kandidaten in Suhl und Weimar die Oberbürgermeisterwahlen deutlich. In der Landeshauptstadt Erfurt verwies der CDU-Kandidat Andreas Horn den SPD-Amtsinhaber Andreas Bausewein auf Rang zwei - die Entscheidung fällt nun in der Stichwahl.
Ansonsten finden die meisten Stichwahlen zwischen CDU und AfD statt. Diese könnten als eine Art Vorspiel für das Landtagswahl-Duell zwischen CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und Höcke interpretiert werden, so Brodocz. Bei Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) komme es darauf an, wie er seinen Amtsbonus nutzen könne. Ramelow regiert mit SPD und Grünen zusammen.
Seine Linke musste bei den Wahlen zu den Stadt- und Kreisparlamenten deutliche Verluste hinnehmen. Auch SPD, Grüne und FDP verloren mit Stand Montagnachmittag Stimmanteile in den Kommunalparlamenten. Allerdings gewann die SPD einen Landratsposten direkt. In Jena entscheiden Grüne und FDP die Oberbürgermeisterwahl unter sich.
Starker Start für Wagenknecht-Bündnis
Der erste Auftritt des Wagenknecht-Bündnisses BSW bei Wahlen in Thüringen ist für den Politikwissenschaftler Brodocz bemerkenswert. Es sei nur punktuell angetreten, habe aber Werte von sieben bis zwölf Prozent bekommen. Bei der Landtagswahl im September könne das Bewegung «die größten Veränderungen bewirken». In den Landkreisen Greiz, Gotha und im Wartburgkreis holte die neue Partei aus dem Stand zweistellige Ergebnisse. In Bleicherode wurde der BSW-Kandidat Robert Henning zum Bürgermeister gewählt.
Aufregung um Neonazi in Landrats-Stichwahl
Für Aufregung sorgte das Abschneiden eines Neonazis bei der Landratswahl im Kreis Hildburghausen - Tommy Frenck schaffte es mit 24,9 Prozent in die Stichwahl. Dort gilt aber der Gegenkandidat Sven Gregor (42,4 Prozent) als aussichtsreich. Einen AfD-Kandidaten gab es dort nicht. Frencks Wählergemeinschaft «Bündnis Zukunft Hildburghausen» (BZH) entwickelte sich laut Verfassungsschutzbericht 2022 «zur führenden neonazistischen Gruppierung im Landkreis Hildburghausen». Frenck wurde bundesweit bekannt, weil er eine Reihe großer Neonazi-Konzerte organisiert hatte, zu denen teils Rechtsextremisten aus mehreren europäischen Ländern anreisten.