Letzte Ehre für einen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus geschätzten Bundespräsidenten: Die Spitze des deutschen Staates, Freunde und Wegbegleiter haben in Berlin Abschied von Horst Köhler genommen. In einem bewegenden Staatsakt würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Vorgänger als einen «tatkräftigen und bis in die letzten Tage seines Lebens unermüdlichen Diener unseres Gemeinwesens». Köhler war Anfang Februar im Alter von 81 Jahren gestorben.
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«Wir Deutsche trauern um Horst Köhler. Wir sind dankbar, dass er unter uns und für uns gewirkt hat. Wir vermissen ihn», sagte Steinmeier im Berliner Dom. Er rief dazu auf, Köhlers Vermächtnis zu bewahren. «Wenn wir heute dankbar sind für Horst Köhler und seinen Dienst an unserem Land, dann erkennen wir damit auch eine Verpflichtung: dieses Land in seinem Sinne zu bewahren und als höchst lebenswerten Ort auch für zukünftige Generationen zu erhalten.»
Gesamte Staatsspitze gibt Köhler letztes Geleit
Zu dem Staatsakt und einem vorausgehenden Gottesdienst kamen die Spitzen aller fünf Verfassungsorgane - neben Steinmeier auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht, Bärbel Bas (SPD), Anke Rehlinger (SPD) und Stephan Harbarth. Die früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und Joachim Gauck sowie Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen ebenso an den Trauerfeierlichkeiten teil wie viele andere ehemalige oder noch aktive Politikerinnen und Politiker.
Im Dom war der Sarg mit dem Leichnam des Verstorbenen auf den Stufen zum Altarraum aufgebahrt. Er war bedeckt von einer Nationalfahne.
Kenyatta würdigt Köhlers beharrlichen Einsatz für Afrika
Steinmeier wies auch auf das Eintreten Köhlers für einen gleichberechtigten und fairen Umgang mit dem afrikanischen Kontinent hin. Der frühere kenianische Präsident Uhuru Kenyatta sprach von einem «beharrlichen, unermüdlichen Einsatz für die Entwicklung Afrikas». Köhler habe sich dafür eingesetzt, «die Kluft zwischen Europa und Afrika zu schließen, insbesondere in den Bereichen Bildung, Technologie und Wissenschaft».
Kenyatta nannte Köhler einen «lieben Freund» und betonte: «Was er bewirkt hat, lebt weiter. (...) Das Vertrauen, das er geschaffen hat zwischen Afrika und Europa, und seine Initiativen zur Förderung der Zusammenarbeit werden weiter Früchte tragen für die künftigen Generationen.»
Bewegende Abschiedsworte von Waigel
Mit sehr persönlichen Worten verabschiedete sich der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) von seinem einstigen Staatssekretär. Er erinnerte daran, dass Köhler an führender Stelle an wichtigen Projekten mitwirkte. Beispielsweise an der deutschen Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Fall der Mauer, an den Verhandlungen zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Ostdeutschland und an der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung.
«Wann immer er in diesen Schicksalsstunden an meiner Seite stand, fühlte ich mich sicher und geborgen», sagte Waigel. Er habe in Köhler einen Freund gefunden, «dem ich in allen Lebenslagen vertraute». Köhler habe seinen Mitmenschen Vertrauen und Geborgenheit vermittelt, seinen Freunden sei er ein großartiger Wegbegleiter gewesen. «Niemand kann ihn ersetzen. Seine Worte auf meinem Anrufbeantworter werde ich nie löschen.»
Ein Vorbild in sehr vielen Bereichen
Österreichs früherer Bundespräsident Heinz Fischer nannte Köhler einen «klugen, verdienstvollen, redlichen deutschen Bundespräsidenten, einen angesehenen Europäer und Staatsmann und einen liebenswürdigen Menschen». Fischer und Köhler waren zur gleichen Zeit im Amt und freundeten sich an. «Er war ein Vorbild in sehr vielen Bereichen in vieler Hinsicht», sagte Fischer. Köhlers Rücktritt 2010 habe er sehr bedauert.
Erstmals kein Parteipolitiker als Staatsoberhaupt
Köhler war 2004 zum neunten Bundespräsidenten gewählt worden. Er folgte auf den Sozialdemokraten Johannes Rau. 2009 bestätigte die Bundesversammlung ihn im Amt. Die zweite Amtszeit endete jedoch abrupt und völlig überraschend durch den Rücktritt Köhlers mit sofortiger Wirkung - ein bis dahin einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
Köhler ärgerte sich über Kritik an ihm nach einem Hörfunkinterview. Darin sprach er über die Notwendigkeit, dass ein Land wie Deutschland mit seiner Exportorientierung notfalls auch militärische Mittel einsetzen müsse, um freie Handelswege zu gewährleisten. Köhler sah durch die Kritik daran das Amt des Bundespräsidenten beschädigt.
Köhler war der erste Bundespräsident, der nicht aus dem politischen Establishment kam. Er hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und war anschließend im Bundesfinanzministerium bis zum Staatssekretär aufgestiegen. 1992 wechselte er an die Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, ging später zur Osteuropabank nach London und wurde 2000 Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Beisetzung im engsten Familienkreis
An den Staatsakt schloss sich ein militärisches Zeremoniell an. Offiziere der Bundeswehr trugen den Sarg Köhlers unter den Klängen eines Trauermarsches aus dem Dom hinaus, vor dem das Wachbataillon der Bundeswehr angetreten war. Das Stabsmusikkorps spielte die Nationalhymne. Anschließend war die Beisetzung im engsten Familienkreise vorgesehen.
Redaktionshinweis: In einer früheren Version des Artikels enthielt der Nachname des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff einen Tippfehler. Das wurde korrigiert.