Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Haft, die Bundesrepublik im Chaos und eine neue Verfassung nach Vorbild des Kaiserreichs: So sollte Deutschland nach den Plänen der Terrorgruppe «Vereinte Patrioten» aussehen. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte vier Rädelsführer nach einem fast zweijährigen Prozess zu langen Haftstrafen.
Die vier Hauptangeklagten wurden unter anderem der Gründung einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund für schuldig befunden. Die mit acht Jahren höchste Strafe kassierte ein 46-jähriger Angeklagter. Zwei weitere Rädelsführer, ein Mann von 58 und eine Frau von 77 Jahren, bekamen sechseinhalb Jahre beziehungsweise sieben Jahre und neun Monate. Ein 57-Jähriger aus Brandenburg erhielt fünf Jahre und neun Monate.
Einen fünften, 53 Jahre alten Angeklagten, der als einziger nicht mehr in Untersuchungshaft saß, belegte das Gericht mit einer Strafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Er wurde nur der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen. Ob er die nach der Untersuchungshaft übrigen sechs Monate noch in Haft muss oder diese auf Bewährung ausgesetzt werden, muss noch entschieden werden.
Karl Lauterbach sollte «verhaftet» werden
Ziel der Gruppe sei ein Umsturz gewesen, mögliche Todesopfer habe die Gruppe in Kauf genommen. Der Plan sah demnach so aus: Mit einem mehrwöchigen Stromausfall sollte die Bevölkerung «auf sich selbst zurückgeworfen werden», sagte die Richterin. Es seien bereits 16 konkrete Anschlagsziele ausgeguckt gewesen. Diese habe ein Sachverständiger für geeignet befunden, um einen großflächigen Stromausfall herbeizuführen.
Geplant sei gewesen, Lauterbach bei einer Live-Sendung zu entführen und die Personenschützer dabei «auszuschalten». Ihm sollte auch ein «kriegsgerichtlicher Haftbefehl» vorgelesen werden. In einer konstituierenden Sitzung sollte eine neue Verfassung nach Vorbild des Kaiserreichs von 1871 eingeführt werden.
Angeklagte ruft bei Urteilsverkündung dazwischen
Die vier Rädelsführer reagierten mit Kopfschütteln und leeren Blicken auf die Urteile. Die 77-jährige Frau fiel der Vorsitzenden Richterin bei der Verkündung mehrfach ins Wort, sprach von konstruierten Lügen. Ihr Mikrofon wurde mehrfach stumm gestellt.
Das war in dem Prozess kein Novum. An den 106 Verhandlungstagen hatte die frühere Religionslehrerin aus Mainz immer wieder andere unterbrochen. In ihren Einlassungen hatte sie mehrfach antisemitische und von Reichsbürger-Denken bestimmte Ideen geäußert. Sogenannte Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht an.
Dass das Mammutverfahren kein alltägliches war, betonte die Vorsitzende Richterin gleich zu Beginn der Verkündung der Urteile. Das Gericht sei überschüttet worden mit Belehrungen, pseudowissenschaftlichem Humbug und antisemitischen Äußerungen, sagte sie.
Lauterbach und Faeser reagieren auf Urteile
Nach Überzeugung des Gerichts war die frühere Lehrerin für den ideologischen Überbau des Vorhabens verantwortlich. Der 46 Jahre alte Angeklagte mit der höchsten Strafe habe die Rolle eines «Centers» eingenommen. Er «war es, bei dem die Fäden zusammenliefen», sagte die Richterin. Dem Brandenburger, der mit vollem Namen Sven Birkmann genannt werden möchte, hielt das Gericht zugute, dass er es demnach vorzog, keine Menschen zu schädigen.
Lauterbach dankte Polizei und Justiz für die Aufklärung und die Bestrafung des geplanten Verbrechens. Der Staat habe gezeigt, dass er sich gegen gewalttätige Verschwörungstheoretiker wehren könne, schrieb er auf X.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, die Ermittlungen gegen diese Gruppe hätten einen Abgrund offenbart. Es gelte weiterhin: Die Sicherheitsbehörden nähmen die Bedrohungen durch die Reichsbürger-Szene ernst und handelten entsprechend. «Wir schützen unsere Demokratie.»
Anklage sieht wehrhafte Demokratie gestärkt
Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden. Während die Verteidigung des 58-Jährigen erklärte, auf Rechtsmittel zu verzichten, wurde vonseiten des mit der höchsten Strafe belegten 46-Jährigen bereits Revision eingelegt.
Die anderen Verteidiger wollen darüber nachdenken. Oberstaatsanwalt Wolfgang Barrot von der Bundesanwaltschaft sagte, der Entscheidung des Gerichts komme über die Einzelfälle hinaus Bedeutung zu. Das Gericht habe die wehrhafte Demokratie gestärkt.