Eine schwer gerupfte FDP, eine erleichterte SPD und abgestürzte Grüne: Die Wahl in Brandenburg hat die Ampel durchgeschüttelt. Vor allem das desaströse Abschneiden der FDP könnte für die Bundespolitik noch weitreichende Konsequenzen haben. Am Tag danach erhöhte FDP-Chef Christian Lindner deutlich den Druck auf seine Koalitionspartner SPD und Grüne. Der Kanzler dagegen betont, es gebe noch viel zu tun - und zu kämpfen. Kommt jetzt ein «Herbst der Entscheidungen»?
Ein Jahr vor der Bundestagswahl stehen die Ampel-Parteien allesamt vor Problemen. Nicht nur hat die Union gerade mit Friedrich Merz ihren Kanzlerkandidaten gefunden - während in der SPD Zweifel an einer erneuten Kandidatur von Kanzler Olaf Scholz laut werden.
Der Wahltag in Brandenburg wurde für zwei der drei Ampel-Partner auch zum ausgemachten Desaster: Die Grünen von Vizekanzler Robert Habeck flogen mit 4,1 Prozent aus dem Landtag. Lindners FDP wird mit 0,8 Prozent inzwischen unter «Sonstige» geführt. Selbst der Wahlsieg der SPD hat einen Beigeschmack: Viele Stimmen bekam sie wohl nur, weil die Brandenburger einen Triumph der AfD verhindern wollten.
Scholz mit Kampfgeist
In Berlin wachsen deshalb wieder die Zweifel, ob Scholz' Regierung bis zum Bundestagswahltermin am 28. September 2025 hält. Der Kanzler selbst äußerte sich Tausende Kilometer entfernt bei seinem Besuch in New York. Die Ampel-Regierung habe große Aufgaben vor sich, betonte er und nannte den Kampf um Industriearbeitsplätze. «Und wir werden uns kümmern», versprach er.
Grünen-Chef Omid Nouripour glaubt dagegen nicht an mehr Harmonie in der Koalition. «Der große Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen und das glaubt mir auch niemand mehr, wenn ich das sage.»
Die Grünen fühlten sich an den Koalitionsvertrag gebunden - «aber das ist es auch dann.» «Ich würde niemandem raten, in diese Koalition viele Emotionen mehr zu stecken, auch wenn wir noch einiges ambitioniert vorhaben, was das Land voranbringen wird», sagte Nouripour.
Lindner: Probleme lösen bis Weihnachten
Lindner machte den Zustand der Ampel für das schlechte Ergebnis der FDP verantwortlich. Gewonnen habe «in Wahrheit keine der staatstragenden, demokratischen Parteien», sagte er. Die Ampel müsse jetzt liefern in der Wirtschaftspolitik, beim Haushalt und bei einer Kontrolle der Zuwanderung. «Das sind die Fragen, die in diesem Herbst geklärt werden müssen.» Auf Nachfrage nannte der Finanzminister einen Zeitraum bis Weihnachten.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte dem Regierungsbündnis am Wahlabend ein noch kürzeres Ultimatum für die Lösung grundlegender Probleme in der Wirtschafts- und Migrationspolitik gestellt: «Und entweder, es gelingt uns in den nächsten 14 Tagen, drei Wochen, hier tatsächlich einen vernünftigen gemeinsamen Nenner zu finden oder es macht für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, an dieser Koalition weiter mitzuwirken», sagte er bei Welt TV.
Vor allem der Bund mit den Grünen sei für die FDP und ihre Wähler «toxisch». Er «glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht.» Mit Interesse wurde deshalb ein angekündigtes Interview mit Kubicki am Montag im Deutschlandfunk erwartet. Es wurde laut Moderator aber kurzfristig und ohne Gründe zu nennen abgesagt.
FDP-Chef droht nicht mit Koalitions-Ende
So weit wie Kubicki geht Lindner öffentlich bewusst nicht. Auf die Frage nach Hinweisen auf ein Ende der Koalition antwortete der 45-Jährige, er gehöre nicht zu diesen Hinweisgebern: «Das tue ich nicht.»
In diesem «Herbst der Entscheidungen» werde sich zeigen, ob die Ampel die Kraft finde, einen Haushalt zu beschließen, der mehr tue für Bildung, für Sicherheit, für die Investitionen in Infrastrukturen, der aber die Bürgerinnen und Bürger unter dem Strich entlaste und dabei die verfassungsmäßig vorgegebene Schuldenbremse einhalte. Daran messe die FDP die Koalition.
SPD-Chef an FDP: Nicht drücken
SPD-Chef Lars Klingbeil ermahnte die Liberalen, nicht vor Verantwortung wegzurennen. «Die sind gewählt, und die haben einen Job zu erledigen in diesem Land», sagte er. Jetzt müsse das Rentenpaket beschlossen werden, es gehe aber auch um Tariftreue und die Rettung Tausender Industriearbeitsplätze.
Die SPD kam dank Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Landtagswahl mit einem blauen Auge davon: In einem Schlussspurt überholte sie die AfD und kam auf mehr als 30 Prozent. Für den Bundestagswahlkampf will Parteichef Klingbeil daraus lernen: «Klare Haltung, Kampfgeist, Geschlossenheit und Mut», diese Attribute nehme er mit. Offenkundig könne die SPD Stimmungen drehen und gewinnen - wenn sie Arbeitsplätze, eine starke Industrie und Familien in den Mittelpunkt stelle und den Kampf mit der AfD aufnehme.
Auch Scholz betonte: «Es lohnt sich zu kämpfen.» Das nehme er sich mit Blick auf die Bundestagswahl vor, «nämlich zu kämpfen, entschlossen und geschlossen zu handeln und fokussiert auf die Lösung der Probleme für unser Land».
Klingbeil: Keine Debatte über Kanzlerkandidat in SPD
Scholz machte klar, er wolle als Kanzlerkandidat mit der SPD wiederholen, was bei der letzten Bundestagswahl gelang, und das Rennen machen. Auch Klingbeil will von der in den vergangenen Wochen immer wieder aufgebrochenen Debatte über die Kanzlerkandidatur der SPD nichts wissen. «Da gibt es gar kein Wackeln», betonte er auf eine Frage nach einer Nominierung von Scholz. «Es gibt an keiner Stelle eine Diskussion darüber.» Woidke betonte: «Der Bundeskanzler ist natürlich der gesetzte Kanzlerkandidat der SPD.»
Klingbeil sagte, auf den Wahlkampf gegen den Unions-Kandidaten Friedrich Merz freue er sich. Er hoffe auf eine faire Auseinandersetzung in der Sache, etwa zur Rentenpolitik und den unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepten.
Merz rechnet mit Scholz als Gegner
Auch Merz stellt sich auf einen «sehr harten Wahlkampf» ein - inklusive persönlicher Angriffe. «Wir werden da ganz konsequent mit Sachthemen antworten und versuchen, dieses Land wieder auf Kurs zu bringen. Darum wird es gehen.»
Der CDU-Vorsitzende rechnet damit, dass er gegen Scholz antreten wird. «Ich gehe davon aus, dass das eine Auseinandersetzung wird zwischen Union und SPD und damit zwischen dem Bundeskanzler und mir. Und ganz ehrlich, bei der Performance dieser Bundesregierung freue ich mich auf die Auseinandersetzung.»