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Druck auf Scholz wächst: Ruf nach schneller Entscheidung

Um den Bundeskanzler wird es einsamer. Sein Vorhaben, wichtige Gesetze noch vor einer Vertrauensfrage durchzubringen oder mit dem Zeitplan zu verknüpfen, findet außerhalb der SPD kaum Zustimmung.
Unionspolitiker im Bundestag
Halbzeit-Klausur des Bundeskabinetts

Nach dem Aus der Ampel-Koalition mehren sich Rufe nach einem schnelleren Weg zur Neuwahl: Union und FDP bekräftigten ihre Forderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), zügig oder schon an diesem Mittwoch die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) meldete Zweifel an möglichen Bedingungen für eine schnelle Vertrauensfrage an und warnte vor einer zu langen «Hängepartie».

Am Montag wollen die Wahlleitungen von Bund und Ländern über die Vorbereitung zur vorgezogenen Wahl des Bundestages beraten. Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte in einem Brief an Scholz vor «unabwägbaren Risiken» durch kürzere Fristen. Gemäß Artikel 39 muss der Bundestag nach Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden. Brand will die Frist voll ausschöpfen, «um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können.»

Kritik nach Äußerungen zu Papiermangel

In dem Schreiben wies Brand auf logistische Herausforderungen wie die Berufung von Wahlausschüssen, die Werbung und Schulung von Wahlhelfern, die Organisation von Wahllokalen und schließlich mögliche Probleme bei der Papierbeschaffung hin.

Die Papierindustrie hält dagegen. «Klare Antwort: Ja. Bei rechtzeitiger Bestellung können wir das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern», sagte Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Papierindustrie, «ZDFheute.de».

Auch die Union widersprach Brand. «Ich kann der Bundeswahlleiterin daher nur raten, sich von niemandem instrumentalisieren zu lassen», sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, der «Bild am Sonntag». CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Zeitung, ein Land wie Deutschland müsse in der Lage sein, «auch innerhalb von 60 Tagen Wahlen durchzuführen».

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte indes in der «Süddeutschen Zeitung», rechtliche und praktische Voraussetzungen für die Neuwahl seien ernstzunehmen.

Bundeswahlleiterin Brand verwahrte sich gegen Vorwürfe der Vereinnahmung. Die Bundeswahlleiterin sei ein unabhängiges Wahlorgan und nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, erklärte ihr Sprecher. «Es gab auch keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen», stellte er klar.

Es sei deren Aufgabe, die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung bundesweiter Wahlen sicherzustellen und hier auch auf Risiken hinzuweisen. Das habe Brand in einem Schreiben an den Bundeskanzler getan. 

Merz will von Scholz Vertrauensfrage schon an diesem Mittwoch

Zu Angeboten der SPD, die einen früheren Termin an Verhandlungen über Gesetzesvorhaben geknüpft hatte, sagte CDU-Chef Friedrich Merz, der auch Kanzlerkandidat der Union ist, dem Magazin «Stern»: «Darüber können wir sprechen, sobald Olaf Scholz im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage gestellt hat. Seine Regierungserklärung am Mittwoch wäre dafür eine gute Gelegenheit.»

Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte den «Westfälischen Nachrichten», der Kanzler könne die Vertrauensfrage womöglich noch vor Weihnachten stellen. Natürlich liefen dazu jetzt Gespräche.

Scholz hatte sich nach dem Bruch seiner Ampel-Koalition gesprächsbereit über den Zeitpunkt einer Vertrauensfrage und der folgenden Neuwahl gezeigt, nachdem er zunächst den 15. Januar für die Vertrauensfrage und dann eine vorgezogene Bundestagswahl Ende März genannt hatte. Er mahnte am Freitag eine Einigung im Bundestag darüber an, welche Gesetze noch beschlossen werden sollen.

Die Grünen lassen Zweifel am Scholz-Plan erkennen

«Wo ich sehr skeptisch bin, ist, ob diese guten oder schlechten Gründe – darüber mag man denken, wie man will – vermengt werden sollten mit der Umsetzung politischer Lieblingsprojekte», sagte Habeck dazu aber am Samstag in Neuhardenberg. «Das scheint mir der herausragenden Bedeutung dieser Vertrauensfrage nicht angemessen zu sein, und so schaue ich da drauf.»

Die Grünen zeigten sich offen für einen früheren Neuwahltermin. «Wir Grünen könnten auch gut mit einem früheren Termin leben. Wir haben unsere Arbeit gemacht, sind auf alles vorbereitet», sagte der scheidende Parteivorsitzende Omid Nouripour der «Bild am Sonntag».

Parteien stellen sich auf Wahlkampf ein 

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition wollen die Grünen noch in diesem Jahr ein «prägnantes und zugespitztes Wahlprogramm» vorlegen. Es gehe um ein Angebot, das die Erfolge der vergangenen Jahre anerkenne und zugleich aufzeige, worauf es jetzt ankomme: Kurs halten beim Klimaschutz, Gerechtigkeit stärken sowie Freiheit und Frieden verteidigen, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag für den bevorstehenden Parteitag vom 15. bis 17. November in Wiesbaden.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil kündigte für den Wahlkampf eine Zuspitzung auf die Personen Olaf Scholz und Friedrich Merz an. «Die Frage für die Wähler wird sein: Scholz oder Merz?», sagte Klingbeil im Interview mit «Zeit Online». Und: «Eine solche Polarisierung in der Mitte hilft auch gegen die Populisten.»

Liberale finden den Kanzler unglaubwürdig

Die FDP forderte Scholz erneut auf, zügig den Weg zur Neuwahl freimachen. Dass der Kanzler dies nun mit Hinweis auf staatspolitische Verantwortung hinauszögere, sei völlig unglaubwürdig, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur.

«Die Freien Demokraten hatten ihm das Angebot unterbreitet, die Koalition gemeinsam zu einem geordneten Ende zu bringen und zeitkritische Projekte schnell abzuschließen. Er hat sich jedoch anders entschieden», sagte Djir-Sarai. In den gescheiterten Verhandlungen über die Rettung der Ampel-Koalition hatte der Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner eine geordnete Neuwahl gefordert und Scholz ihn entlassen.

Mit Blick auf Optionen für die FDP nach der vorgezogenen Bundestagswahl schrieb Lindner am Sonntag auf der Plattform X, die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» habe ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, wieder mit SPD und Grünen zu regieren. «Nachdem in dieser sich zuspitzenden wirtschaftlichen Krise grundlegende Reformen nicht möglich waren, sage ich es ganz deutlich: Eine Ampelkoalition ist ausgeschlossen.»

© dpa ⁄ Carsten Hoffmann, Corinna Schwanhold und Stefan Heinemeyer, dpa
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