Die Ausländerbehörden der Länder sollen Menschen, die terroristische Taten gutheißen, künftig leichter ausweisen und damit im Einzelfall vielleicht auch eher abschieben können. Das Bundeskabinett billigte nach Angaben aus Regierungskreisen einen entsprechenden Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD).
Demnach soll eine Ausweisung - also der Entzug einer Aufenthaltserlaubnis - schon nach Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat ermöglicht werden. Zur Frage, was als Verbreitung eines Inhalts gilt, wird in der Begründung des Entwurfs auf ein Urteil des Landgerichts Meiningen verwiesen, wonach hierfür nicht nur das Erstellen von entsprechenden Inhalten Voraussetzung sei, sondern etwa auch das Markieren eines Beitrags mit «Gefällt mir» in sozialen Netzwerken wie Youtube, Instagram oder Tiktok.
Die Bundesinnenministerin erklärte nach dem Kabinettsbeschluss jedoch auf Nachfrage, es gehe «nicht um den kleinen Klick und den kurzen Like», sondern darum, «dass wirklich widerwärtige, terroristische Inhalte verherrlicht und gepostet werden». Die in der Begründung des Entwurfs zur Frage der Verbreitung von Inhalten zitierte Entscheidung in einem Strafverfahren sei von verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu etwaigen Ausweisungen zu unterscheiden, hieß es ergänzend aus ihrem Ministerium - «insofern wird es hier auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ankommen».
Die Bundesregierung reagiert mit ihrem Vorhaben auf Hasspostings im Netz etwa nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel oder nach dem tödlichen Messerangriff während einer islamkritischen Veranstaltung in Mannheim. Dabei tötete ein Afghane Ende Mai einen Polizisten. Der 25-jährige Täter war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Eine Aufenthaltserlaubnis besaß er zuletzt, weil er zwei Kinder mit einer Frau hat, die deutsche Staatsbürgerin ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gesetzesverschärfung nach der Attacke von Mannheim in einer Regierungserklärung angekündigt. Faeser sagte: «Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor.»
Um das Vorhaben möglichst rasch ins parlamentarische Verfahren zu bringen, soll der Entwurf als Änderungsantrag an einen Gesetzentwurf zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren angedockt werden, der inhaltlich nichts damit zu tun hat. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, wies darauf hin, dass gegen Ausweisungen grundsätzlich vor den Verwaltungsgerichten geklagt werden könne.
Fachmann für Migrationsrecht findet das Vorhaben fragwürdig
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf für nicht zielführend. «Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines "Likes" als Verbreitung zu definieren», sagte der Rechtsanwalt. Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht. Das habe zuletzt beispielsweise der Fall der Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, gezeigt.
Rauch steht in der Kritik, weil sie einen antisemitischen Post auf der Plattform X im Kontext des Gaza-Kriegs mit einem «Gefällt mir» markiert hatte. Dabei ging es um einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten. Rauch entschuldigte sich und erklärte, sie habe den Beitrag wegen seines Textes gelikt und das darunter gepostete Bild nicht genauer betrachtet.
Ein schwerwiegendes Interesse des deutschen Staates an einer Ausweisung soll laut Faesers Entwurf künftig auch angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In diesem Fall müsste eine strafgerichtliche Verurteilung vor einer Ausweisung nicht erst abgewartet werden.
Linken-Politikerin sieht autoritäre Tendenzen
«Dass Innenministerin Faeser nun offenbar plant, Menschen wegen eines Postings in den sozialen Medien auszuweisen», sei der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger. Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines «Likes» in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten - «allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung».
Habeck: Islamismus gehört nicht zu Deutschland
Positiv beurteilt dagegen Vizekanzler Robert Habeck das Vorhaben. «Es ist eine große Errungenschaft und Stärke unseres Landes, dass verfolgte Menschen in Deutschland Schutz finden können.» Wer aber die liberale Grundordnung verhöhne, indem er Terrorismus bejubele und Morde feiere, habe sein Bleiberecht verwirkt. Deshalb werde jetzt das Aufenthaltsrecht entsprechend geändert. «Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht», fügte Habeck hinzu.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hätte sich eine weiterreichende Reform gewünscht. Sie sagte: «Angesichts von massenhaftem Antisemitismus und Kalifats-Demos auf deutschen Straßen muss jede antisemitische und antidemokratische Straftat regelmäßig zu einer Ausweisung führen.»
Rechtsanwalt Oberhäuser sagte, es sei «völlig wahnsinnig» zu glauben, dass die Ausländerbehörden künftig im großen Stil nach «Gefällt mir»-Posts in sozialen Medien schauen könnten. Besser wäre es, wenn jemand einmal eine Terrortat im Netz bejubelt, dies zum Anlass für ein Gespräch eines Vertreters der Sicherheitsbehörden mit dem Ausländer zu nehmen, «um festzustellen, ob er gefährlich ist».
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, begrüßte den Kabinettsbeschluss, den er als klares Signal an Terrorsympathisanten bezeichnete. Er sagte, die Polizei und alle weiteren Behörden müssten aber auch so ausgestattet werden, dass ein spürbarer Verfolgungsdruck aufgebaut werden könne.
Zu prüfen sei im Einzelfall auch eine persönliche Betroffenheit, sagte Oberhäuser, etwa wenn ein Palästinenser aufgrund der israelischen Militäroperation im Gazastreifen Angst um seine dort lebenden Kinder beziehungsweise Angehörige durch den Krieg verloren habe. Selbst wenn aus Gründen der Gefahrenabwehr eine Ausweisung angeordnet werde, müsse vor einer möglichen Abschiebung geprüft werden, ob womöglich Gründe für eine Duldung existieren.