Im Ringen um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr kann die Ampel-Spitze ihren bisherigen Zieltermin nicht halten. In Regierungskreisen geht man inzwischen nicht mehr von einem Kabinettsbeschluss am 3. Juli aus. Angepeilt wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun der 17. Juli. Damit wären die Fristen für eine Zuleitung des Entwurfs an den Bundestag noch zu halten.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) versuchen seit Wochen, eine zweistellige Milliardenlücke in der Etatplanung für 2025 zu stopfen. Zuvor war Lindner mit den Fachministern allein nicht weitergekommen, da diese sich nicht an Sparvorgaben halten wollten. Eine Einigung drängt, da der Entwurf nach dem Kabinett auch noch ausführlich im Bundestag beraten werden muss. Dort soll er im Dezember beschlossen werden.
Doch auch für einen Kabinettsbeschluss Mitte Juli bleibt nicht mehr viel Zeit - denn die Fachleute im Finanzministerium brauchen rund zwei Wochen, um eine politische Einigung in einen beschlussreifen Entwurf zu übersetzen. Diese politische Einigung, von der die Verhandler aktuell noch weit entfernt scheinen, müsste also in dieser oder in der kommenden Woche gelingen.
Aus dem Finanzministerium hieß es zum Zeitplan lediglich, die Beratungen dauerten an, eine politische Einigung und ein Kabinettsbeschluss würden «im Juli angestrebt». Auch Scholz hatte am Montag bereits Flexibilität beim Zeitplan angedeutet. Der Entwurf solle «im Juli» beschlossen werden, sagte auch er.
Mützenich macht Druck auf Verhandler
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte Druck auf die Verhandler. Er erwarte von Scholz, «dass er spätestens nächste Woche zusammen mit dem Vizekanzler und dem Finanzminister klare politische Erklärungen darüber abgibt, wie dieser Haushalt aussieht», sagte Mützenich vor einer Fraktionssitzung.
Spekulationen, die Ampel-Koalition könne am Streit um den Haushalt zerbrechen, trat die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge entgegen. «Es kommt jetzt nicht konkret auf eine Woche an, das muss das Finanzministerium entscheiden, wie da die Zeitpläne realistischerweise möglich sind», sagte sie. Die Bürgerinnen und Bürger wollten aber Klarheit, deshalb sei eine Einigung noch im Juli wichtig.
Auch über die Schuldenbremse müsse in den Haushaltsberatungen gesprochen werden, betonte Dröge. Wichtige Kriterien seien aus Sicht der Grünen, Investitionen zur Stärkung der Wirtschaft, außerdem müsse der Klimaschutz vorangebracht und der Sozialstaat gesichert werden. Auch die SPD-Fraktion setzt sich für mehr Investitionen und eine Ausnahme von der Schuldenbremse ein.
Kritik von der Union
Unions-Haushälter Christian Haase warnte, Deutschland drohe auf internationalem Parkett das Gesicht zu verlieren. «Die innere und äußere Sicherheit sind in Gefahr, die Wirtschaft ist vor die Wand gefahren und die Ampel betreibt weiterhin Sozialromantik und grüne Ideologie», kritisierte er. Außenministerin Annalena Baerbock betonte, Deutschland könne bei Kürzungen zum Beispiel bei der humanitären Hilfe internationale Reputation einbüßen.
Lindner erklärte beim Tag der Industrie in Berlin, es gehe nicht um einen Sparhaushalt, sondern darum, Prioritäten zu verschieben. Wichtig seien Bildung, Investitionen, Impulse für Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Stärkung innerer und äußerer Sicherheit.
Die Koalition plant ein «Dynamisierungspaket», um das Wachstum anzukurbeln. Scholz hatte am Montag gesagt, er könne sich vorstellen, «in Sachen Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe» draufzulegen. Zudem solle freiwilliges, längeres Arbeiten deutlich attraktiver gemacht werden.
Lindner: «Mutig von Umverteilung in Investitionen umsteuern»
Wirtschaftsminister Habeck hat das von ihm selbst vorgeschlagene schuldenfinanzierte «Sondervermögen» zur Belebung der lahmenden Wirtschaft für diese Wahlperiode dagegen aufgegeben. Die Idee könnte aber nach der Bundestagswahl Wirklichkeit werden, sagte er. «Aber ich bin mir relativ sicher, dass diese Debatte zur nächsten Bundestagswahl sehr viel Fahrt aufnehmen wird, fast dominant werden wird und auch zu einem Ergebnis führen wird», sagte Habeck.
Lindner dagegen ist der Meinung, dass ein solcher Sondertopf nicht mit den europäischen Fiskalregeln vereinbar wäre. «Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir mutig von Umverteilung in Investitionen umsteuern müssen», sagte er.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beziffert den staatlichen Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre - ohne Stromnetz und Energie - auf 400 Milliarden Euro. Bei der Finanzierung hält der BDI auch neue Schulden für vertretbar, sofern der Bund den eigentlichen Bundeshaushalt konsolidiert und Strukturreformen einleitet.