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Politischer Umbruch in Paris: Regierung dringend gesucht

Frankreich steht nach den Neuwahlen vor einem Scherbenhaufen: Eine regierungsfähige Mehrheit ist nicht in Sicht. Nun wird fieberhaft nach einer Lösung gesucht.
Menschen versammeln sich nach Wahl
Nach der Parlamentswahl in Frankreich
Frankreichs Regierungschef Gabriel Attal
Parlamentswahl in Frankreich
Parlamentswahl in Frankreich

Nach dem überraschenden Sieg der Linken bei der Neuwahl in Frankreich herrscht Ungewissheit, wie eine Regierung gebildet werden kann. Premierminister Gabriel Attal reichte wie angekündigt seinen Rücktritt ein. Staatschef Emmanuel Macron wies diesen jedoch zurück und bat ihn, mit seiner Regierung vorerst im Amt zu bleiben, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten, wie der Élyséepalast in Paris mitteilte.

Situation vertrackter als zuvor

Die Suche nach seinem Nachfolger könnte sehr schwierig werden, da keines der Bündnisse eine absolute Mehrheit erzielt hat. Das neue Linksbündnis in Frankreich möchte sich nach seinem Sieg möglichst schnell auf einen Kandidaten für das Amt des Premiers verständigen. Darüber müsse in dieser Woche entschieden werden, entweder im Konsens oder über eine Abstimmung unter den zum Linksbündnis gehörenden Parteien, sagte Sozialistenchef Olivier Faure dem Sender Franceinfo. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass das Linksbündnis nicht in der Lage sei zu regieren. Andere Vertreter des Bündnisses äußerten sich ähnlich. 

Allerdings war das Lager ohne Spitzenkandidaten in die Wahl gegangen, und einen Favoriten für das Amt des Premierministers gibt es bisher nicht.

Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Wahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten. Streit gibt es vor allem über die altlinke Führungsikone Jean-Luc Mélenchon. Der Populist, der mit euroskeptischen Aussagen auffällt und einen klar propalästinensischen Kurs fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert.

Eine klare Führung hat das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein gemeinsames Programm gibt es nicht. Die Gruppen wollten sich am Nachmittag treffen, um einen gemeinsamen Kurs auszuloten.

Macron hüllt sich in Schweigen

Macron äußerte sich bislang kaum zu dem Thema. Er steht zwar politisch in der Pflicht, einen Premierminister aus dem größten Lager zu ernennen, das sich zum Regieren bereit sieht. Dem Vorschlag dieses Lagers muss er aber nicht in jedem Fall folgen. Er kann auch einen anderen Vertreter aus dem Lager auswählen. 

Am Sonntag hieß es aus dem Élysée-Palast lediglich: Bevor der Staatschef Entscheidungen treffe, werde er das Endergebnis der Wahl und die letztendliche Zusammensetzung der Nationalversammlung abwarten. «Der Präsident wird in seiner Rolle als Garant unserer Institutionen darauf achten, dass die souveräne Wahl der Franzosen respektiert wird», hieß es.

Macron hatte die Nationalversammlung im Juni nach der herben Niederlage seiner Partei bei den Europawahlen aufgelöst und Neuwahlen angekündigt. Er setzte darauf, die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Das ist ihm nicht gelungen. Allerdings fiel die Niederlage nicht so hoch aus wie erwartet, wohl weil viele Wählerinnen und Wähler im zweiten Wahlgang einen Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) verhindern wollten.

Rechte geben sich selbstkritisch und zuversichtlich

RN-Parteichef Jordan Bardella gestand Fehler im Wahlkampf ein und übernahm dafür die Verantwortung. Nach der ersten Wahlrunde vor einer Woche sahen Prognosen das RN noch knapp unter der absoluten Mehrheit und damit möglicherweise in der Lage, die nächste Regierung zu stellen. Nun landete die Partei hinter dem Linksbündnis und Macrons Lager auf dem dritten Platz. Sie ist allerdings so stark wie nie zuvor im Parlament vertreten. 

Bardella blickte selbstbewusst in die Zukunft: «Wir werden regieren und die Welle, die uns trägt, ist eine mächtige Welle, die uns an die Macht bringen wird», sagte er dem Fernsehsender BFMTV. 

Schwierige Regierungsbildung und Stillstand befürchtet 

Wie es jetzt weitergeht, wird sich zeigen. Zur Bildung der Fraktionen haben die Parlamentarier bis zum 18. Juli Zeit. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen. Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition.

Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, dass dies gelingt. Erschwerend kommt hinzu, dass die französische politische Kultur eher auf Konfrontation als auf Kooperation ausgelegt ist.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die derzeitige Regierung übergangsweise die Amtsgeschäfte führen oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und eine Neuwahl wären erst im Juli 2025 wieder möglich.

 

© dpa ⁄ Rachel Boßmeyer, Regina Wank und Michael Evers, dpa
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