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Pistorius: Weitreichende US-Waffen stärken Abschreckung

Droht ein neuer Rüstungswettlauf zwischen der Nato und Russland? Auf die Absicht der Allianz, in Deutschland aufzurüsten, antwortet Moskau mit Plänen, die Atomdoktrin zu überarbeiten.
Nato-Gipfel
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Wladimir Putin (r) und Xi Jinping,

Kanzler, Vizekanzler und Verteidigungsminister der Ampel-Regierung sind sich einig: Eine Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland ist ein wirksamer Beitrag zur Abschreckung einer russischen Aggression. 

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte beim Nato-Gipfel in Washington dem ZDF-«heute journal»: «Wir haben eine neue Bedrohungslage. Wladimir Putin hat gezeigt, wozu er bereit und in der Lage ist.»

Den ARD-«Tagesthemen» sagte der Minister, von einem neuen Wettrüsten könne keine Rede sein. «Russland hat diese Waffensysteme schon seit längerem unter anderem - wie wir vermuten - in Kaliningrad stationiert, das heißt in absoluter Reichweite zu Deutschland und anderen europäischen Nationen.»

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Vize Robert Habeck (Grüne) sehen in der Aufrüstung ebenfalls eine Notwendigkeit. «Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen», sagte Scholz beim Gipfel zum 75-jährigen Bestehen der Nato.

Habeck sagte der Zeitung «Neue Westfälische» (Freitagsausgabe)., die russische Aufrüstung bedrohe «offensichtlich auch die Nato-Ostflanke». «Russland ist also kein Friedenspartner im Moment.»

Russland - und auch China - üben heftige Kritik an den Plänen und zeigen dabei Geschlossenheit. Russlands Außenministerium drohte eine militärische Antwort an. China wies den Vorwurf der Allianz zurück, den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die Erklärung des Jubiläumsgipfels der Nato zu China sei voll von Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen. 

Scharfe Worte fand die Führung in Moskau auch zu den politischen und militärischen Beschlüssen der Regierungschefs des Bündnisses zur Ukraine. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde Unterstützung zugesagt, die eines Tages in einem Nato-Beitritt münden soll. Mit Blick auf China nahmen auch Vertreter aus Indopazifik-Staaten an den Beratungen teil.

Scholz: Entscheidung der USA passt in unsere Strategie

Scholz sagte, man habe lange beraten, wie man auf Russlands Aufrüstung neben dem nuklearen Schutzschirm der Nato mit konventioneller Abschreckung reagieren könne. Die Stationierung weitreichender Waffen sei bereits vor einem Jahr in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik festgeschrieben worden. «Deshalb passt die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese Strategie, die wir öffentlich diskutieren seit langer Zeit.»

Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das hatten das Weiße Haus und die Bundesregierung am Mittwoch verkündet.

Moskau ist etwa 1600 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen. 

Die Entscheidung lässt Erinnerungen an den Kalten Krieg wach werden. Scholz hatte Anfang der 80er Jahre selbst als junger Sozialdemokrat gegen den Nato-Doppelbeschluss protestiert, der unter anderem die Stationierung von Mittelstrecken-Raketen vom Typ Pershing II vorsah, die nach dem Ende des Kalten Krieges bis 1991 wieder abgezogen wurden. 

Viel Geld an die Ukraine - Weg zum Beitritt unumkehrbar

In der Gipfelerklärung wird der Ukraine versprochen, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden Euro erhält. Das ist in etwa der Betrag, der auch im vergangenen Jahr mobilisiert werden konnte. Beim Streitthema Nato-Beitrittsperspektive gibt es einen Kompromiss. Das Bündnis sichert der Ukraine zu, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann. 

Moskau: Nato-Pläne «Kettenglied im Eskalationskurs»

Zu der geplanten Stationierung von Waffensysteme in Deutschland fand man in Moskau deutliche Worte. Die russische Sicherheit werde durch die US-Waffen beeinträchtigt, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Es handle sich um «ein Kettenglied im Eskalationskurs» der Nato und der USA gegenüber Russland. 

«Wir sind auf dem besten Weg zu einem Kalten Krieg. Das alles gab es schon einmal», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem russischen Staatsfernsehen. Er warf Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien vor, direkt in den Konflikt um die Ukraine verwickelt zu sein. «Und alle Merkmale des Kalten Krieges kehren zurück - mit Konfrontation, mit direkter Auseinandersetzung zwischen Gegnern.»

Russland überarbeitet Atomdoktrin

Die Nato-Beschlüsse zur Ukraine nannte der Kreml eine Bedrohung der eigenen Sicherheit. Die Entscheidung, die Ukraine früher oder später in die Allianz aufzunehmen, verdeutliche das Hauptziel des Bündnisses, Russland kleinzuhalten, sagte Peskow. Er bestätigte, dass an Veränderungen der Atomdoktrin gearbeitet werde. Das bisherige Leitprinzip lautet, dass Russland Atomwaffen nur als Reaktion auf einen Atomangriff oder einer existenziellen Gefahr für das Land bei einem konventionellen Angriff einsetzen darf.

US-Wahlkampf beim Gipfel: Wie schlägt sich am Ende Joe Biden?

US-Präsident Joe Biden stand beim Nato-Treffen unter ständiger Beobachtung, nachdem er bei einem TV-Duell gegen Trump Ende Juni Zweifel an seiner geistigen und körperlichen Fitness gesät hatte. Die ersten beiden Tage kam Biden als Gastgeber nahezu pannenfrei durch. Die größten Schnitzer leistet sich Biden aber ohnehin in der Regel nicht, wenn er Reden vom Teleprompter abliest. Schwierig wird es für den 81-Jährigen, wenn er frei spricht. Daher steht die eigentliche Bewährungsprobe für den US-Präsidenten auch noch aus: In der Nacht zum Freitag will er zum Ende des Nato-Gipfels eine Pressekonferenz geben. 

 

 

 

 

 

© dpa ⁄ Magdalena Tröndle und Martin Romanczyk, dpa
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