Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Gaza-Krieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt, will den Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte Netanjahu im israelischen Fernsehsender Channel 14.
Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des Krieges darstellen würde, antwortete Netanjahu mit Nein. Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln bereit. Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die Hamas zerstört sei. Netanjahus Äußerungen bei dem seltenen Live-Auftritt vor heimischem Publikum lösten laut israelischen Medienberichten Wirbel aus.
Netanjahu: Die Hamas lehnt ein Abkommen ab, nicht Israel
Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer Klarstellung veranlasst: «Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel», hieß es gestern Abend in einer knappen Mitteilung. Netanjahu habe deutlich gemacht, «dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir alle 120 unserer Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben», hieß es weiter.
In einer Reaktion auf das Interview erklärte die Hamas, Netanjahus Worte bestätigten, dass er «die Vorschläge von US-Präsident Joe Biden ablehnt, im Gegensatz zu dem, was die US-Regierung zu vermarkten versucht». Jedes Abkommen müsse einen dauerhaften Waffenstillstand und einen vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen beinhalten.
Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln freikommen. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuß kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
Netanjahu kündigt Truppenverlegung nach Norden an
Nachdem die intensive Phase im Gaza-Krieg beendet sei, werde man die Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte Netanjahu. Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschießen sich Israel und die libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu.
Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.
Vor seiner Abreise in die USA bekräftigte Galant, sein Land sei «auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten». Es wird befürchtet, dass ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden. Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock heute nach Tel Aviv.
Baerbock zu Krisengesprächen in Israel und Libanon
Es ist der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der Terrorattacke der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Der blutige Überfall war der Auslöser des Krieges gewesen. Sie bezeichnet die Situation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon als mehr als besorgniserregend bezeichnet und warnt vor noch mehr Gewalt. «Eine weitere Eskalation wäre eine Katastrophe für alle Menschen in der Region», sagte die Grünen-Politikerin. Auch deswegen sei es absolut wichtig, dass man endlich zu der Feuerpause in Gaza komme. «Israel kann nur in Sicherheit leben, wenn Palästinenser in Sicherheit leben. Und Palästinenser können nur in Sicherheit leben, wenn Israel sicher ist», sagte sie.
Unterdessen wiesen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarčič, in einer gemeinsamen Erklärung auf die verheerende Versorgungslage in Gaza hin. Es sei inzwischen nahezu unmöglich geworden, in dem Kriegsgebiet nennenswerte humanitäre Hilfe zu leisten.
Die hungernden Menschen griffen zu verzweifelten Maßnahmen, um an die wenigen Hilfsgüter heranzukommen, die ins Land gelangen. «Wir appellieren erneut an alle Konfliktparteien, ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden», hieß es. Zuvor hatte auch UN-Generalsekretär Guterres beklagt, Chaos und «totale Gesetzlosigkeit» verhinderten die Verteilung humanitärer Hilfe.
Mindestens sieben Tote bei Luftangriff in Chan Junis
Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens sind nach Krankenhausangaben mindestens sieben Palästinenser getötet worden. 22 weitere seien verletzt worden, teilte ein Mitarbeiter des Europäischen Krankenhauses in Chan Junis mit. Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe die Berichte.
Nach Angaben von Einwohnern der Stadt hatten die Getöteten im Auftrag der Hamas humanitäre Hilfslieferungen begleitetet. Es gab zuletzt immer häufiger Berichte von Plünderungen durch verzweifelte Zivilisten im Gazastreifen. Hilfsorganisationen warnen vor dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und Chaos.