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Königlicher Trost: Charles besucht den Ort des Schmerzes

Der Messerangriff von Southport bringt Großbritannien aus dem Gleichgewicht. Viele trauern, manche reagieren mit Hass auf Fremde. Der König versucht einen Schritt zur Versöhnung. Kann das gelingen?
Nach der Messerattacke in Southport
Nach der Messerattacke in Southport
Nach der Messerattacke in Southport
Nach der Messerattacke in Southport
Nach der Messerattacke in Southport
Nach der Messerattacke in Southport
Nach Krawallen in Großbritannien
Nach Bluttat in Southport - Krawalle in Hartlepool

Schock und Trauer. Wie sehr sie auf Southport drücken, dürfte König Charles III. eindrücklich vor Augen stehen, als er die Stadt in Nordwestengland besucht. In gewaltigen Mengen liegen Blumen, Kuscheltiere und Ballons in der Innenstadt. Oft sticht die Farbe Pink heraus. Die Gaben erinnern an die drei Mädchen, die vor gut drei Wochen in Southport erstochen wurden. Acht weitere Kinder wurden verletzt. Einige von ihnen trifft der König, er will persönlich von ihren Erfahrungen und Leiden hören.

Der 29. Juli hat tiefe Gräben in der britischen Gesellschaft offengelegt. Charles als Staatsoberhaupt geht es bei seinem Besuch in Southport deshalb auch darum, das Mitgefühl des Landes in die Stadt zu tragen. Denn nach der Bluttat ging es kaum noch um die kleinen Opfer, um die Folgen für Familien und Gemeinden in Southport mit gut 90.000 Einwohnern. Rechtsradikale kaperten das Gedenken. Gut eine Woche wütete ein Mob jeden Tag in einer anderen britischen Stadt, aus Wut über Migranten, die angeblich Wohnraum wegnehmen. 

Angetrieben wurde der Hass von Falschmeldungen in sozialen Medien. Der Täter von Southport sei ein muslimischer Migrant, hieß es da. Reichweitenstarke Accounts verbreiteten die Fake News. Dass die Polizei schnell klarstellte, sie habe einen mittlerweile 18 Jahre alten Verdächtigen festgenommen, der als Sohn von Ruandern in Großbritannien geboren wurde, hielt die Randalierer nicht auf. Im Gegenteil: Wer wisse denn, ob die Behörden die Wahrheit sagen, spekulierte auch der rechtspopulistische Abgeordnete und Brexit-Vorantreiber Nigel Farage. Dass er damit Randale angeheizt habe, weist er zurück.

Hartlepool, London, Middlesbrough, Liverpool, Belfast, Bristol, Rotherham, Plymouth. Im Visier waren oft Hotels, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Verletzt wurden Dutzende Polizisten, die sich den Randalierer entgegenstellten. Die Polizei in England verfügt nicht über Wasserwerfer, die Beamten konnten die Schläger nur mit Schild und Knüppel abwehren. Autos gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert. Für Schrecken sorgte ein Video, in dem zu sehen ist, wie ein Mann Fahrzeuge stoppt und die Insassen fragt, ob sie Briten seien.

Doch irgendwann reichte es der friedlichen Mehrheit. Tausende demonstrierten in vielen Städten gegen Gewalt und für Toleranz. Plötzlich waren die Bilder in der Mehrheit, auf denen Anwohner gemeinsam die Schäden der Nacht aufräumen. Auf denen zu sehen ist, wie Menschen in einer Moschee gemeinsam trinken und essen, Solidarität zeigen. Es sind solche Gesten, die der König meint, wenn er sich «sehr ermutigt zeigt von den vielen Beispielen des Gemeinsinns».

In Southport begrüßt die Menge den König, der seinen traditionellen Spätsommer-Urlaub in Schottland unterbricht, mit lautem Jubel. Charles will seiner Botschaft, es gehe nur mit Gemeinsinn, neuen Schwung zu verleihen. Und um gemeinsam zu trauern, um Bebe (6), Elsie (7) und Alice (9). Der Monarch habe den Einwohnern «Sympathie und Empathie» entgegengebracht, sagt der örtliche Parlamentsabgeordnete Patrick Hurley anschließend. Ihm sei wichtig gewesen zu zeigen, dass das Herz des Landes den Menschen vor Ort gehöre.

Die getöteten Mädchen waren bei einem Taylor-Swift-Tanzkurs, es sollte ein fröhlicher Ferientag sein. Da griff der Messerstecher an. Auch die bekannte US-Sängerin, der die Veranstaltung gewidmet war, traf sich vor einem ihrer Konzerte im Londoner Wembley-Stadion mit Überlebenden. In der britischen Hauptstadt will sich Charles morgen auch mit den Angehörigen der Getöteten treffen.

Bis die Gräben, durch die Tat und die schweren Krawalle offengelegt, wieder zugeschüttet sind, dürfte noch viel Zeit vergehen. Viele Mitglieder der muslimischen Gemeinden hatten Angst, auf die Straße zu gehen. Die verschiedenen Religionen seines Königreichs liegen Charles besonders am Herzen, wie er wiederholt betont hat.

Wo der König versöhnen und trösten will, setzt die britische Regierung vor allem auf Bestrafung. Die rechtsradikalen Randalierer müssten öffentlich genannt und verurteilt werden, forderte Premierminister Keir Starmer, einst Chef der Strafverfolgungsbehörde CPS, schon während der Krawalle: «Name and shame.» Auf einer Internetseite der BBC können alle, die mögen, sich über die Verurteilten informieren. Die Übersicht ist unterteilt in Kategorien wie «lange Strafen», «Online-Straftaten» oder «Frauen». 

Justiz im Dauereinsatz

Die Justiz ist seit Tagen im Dauereinsatz, täglich werden mehrere Täter verurteilt. Manche vor laufenden Kameras. Ein 38 Jahre alter alleinerziehender Vater, der Ziegelsteine und Flaschen auf Polizisten warf, muss zweieinhalb Jahre in Haft. Eine sechsfache Mutter, die einen Ziegelstein auf Polizisten geworfen und einen Jugendlichen zu einer ähnlichen Tat angestiftet hatte, wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Eine Bewährungsstrafe sei zu milde, betonte der Richter

Insgesamt nahm die Polizei bisher mehr als 1.000 Menschen fest. Darunter sind auch viele Jugendliche, als jüngste gelten zwei 12-jährige Jungen und eine 13-Jährige. In England beginnt die Strafmündigkeit ab einem Alter von zehn Jahren.

Das harte Durchgreifen soll abschrecken. Aber Experten kritisieren, die Ursachen der Gewalt würden damit nicht bekämpft. Indem Starmer die Randalierer als «thugs» bezeichne - im Englischen ein abschätziger Begriff, der so etwas wie Schläger und Banditen bedeutet -, marginalisiere der Premier das Problem, sagte der Soziologe Aaron Winter von der Universität Lancaster der Deutschen Presse-Agentur. Das wirke, als ob die Täter außerhalb der Gesellschaft stünden. Viel Arbeit bleibt, auch für den König.

© dpa ⁄ Benedikt von Imhoff, dpa
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