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Rechtsextreme Krawalle: London will hart durchgreifen

Hotels mit Asylbewerbern und Moscheen geraten ins Visier rechtsextremer Randalierer. Die Regierung in London kündigt ein hartes Vorgehen an. Kann sie die Situation unter Kontrolle bringen?
Ausschreitungen nach Messerangriff auf Kinder in Southport
Nach Bluttat in Southport - Downing Street
Nach Bluttat in Southport - Blumen in Trauer um getötete Kinder
Ausschreitungen nach Messerangriff auf Kinder in Southport

Die britische Regierung will den gewalttätigen Ausschreitungen von Rechtsextremisten im Land mit harter Hand begegnen. Premierminister Keir Starmer kündigte nach einer Sitzung des Krisenstabs Cobra an, ein «stehendes Heer an spezialisierten Beamten» aufzustellen, um mit den Ausschreitungen fertig zu werden. Zudem sollen die Strafverfolgungsverfahren beschleunigt werden. 

Nach Angaben der Koordinierungsstelle National Police Chiefs' Council gab es seit Beginn der Randale vor einer Woche insgesamt 378 Festnahmen. Mehrere Menschen wurden bereits angeklagt und sitzen in Untersuchungshaft. 

Zum Anlass nehmen die rechtsextremen Randalierer die tödliche Messerattacke auf einen Taylor-Swift-Tanzkurs in Southport nahe Liverpool am vergangenen Montag, bei dem drei Mädchen getötet und acht Kinder sowie zwei Erwachsene verletzt wurden. Ein Kind wird noch im Krankenhaus behandelt, die übrigen Patienten wurden entlassen, wie die Merseyside Police mitteilte.

Im Internet wurden Falschnachrichten verbreitet, wonach der Angreifer ein Asylbewerber mit muslimischem Namen gewesen sein soll. Die Polizei widerspricht dem. Es handelt sich um einen in Großbritannien geborenen 17-Jährigen, dessen Eltern aus Ruanda stammen. Das Motiv für die Tat ist unklar.

Krawallmacher sollten öffentlich an den Pranger gestellt werden, fügte der Premier hinzu: «Ich habe darum gebeten, die Beteiligten so früh wie möglich namentlich zu identifizieren. Sie werden die volle Härte des Gesetzes spüren.» Bei den Krawallen in englischen Städten und der nordirischen Hauptstadt Belfast wurden in den vergangenen Tagen etliche Polizisten verletzt, Fahrzeuge angezündet und Gebäude attackiert.

Am Wochenende wurden zwei Hotels angegriffen, in denen Asylbewerber untergebracht sein sollen. Hunderte Randalierer versammelten sich am Sonntag in Rotherham in der Grafschaft South Yorkshire vor einem Hotel, warfen Scheiben ein und legten Feuer.

Eine Polizeisprecherin sprach von einem «besonders widerlichen Moment, als eine Mülltonne gegen das Hotel geschoben und in Brand gesteckt wurde, mit der klaren Absicht, den Bewohnern und dem Personal schweren Schaden zuzufügen». Die Polizei sei mit Wurfgeschossen attackiert worden. Ähnliche Szenen spielten sich am Sonntagabend bei einem Hotel in Tamworth nahe Birmingham ab. 

Krawallmacher nahmen auch gezielt Moscheen ins Visier. Das Innenministerium kündigte an, die Gotteshäuser besser vor Übergriffen zu schützen.

Regierung will gegen Online-Scharfmacher vorgehen

Innenministerin Yvette Cooper kündigte auch ein entschiedenes Vorgehen gegen kriminelles Verhalten im Internet an. Die Organisation der Krawalle, das Befeuern der Spannungen und die Verbreitung von Falschinformationen seien mithilfe sozialer Medien stark befördert worden, sagte die Politikerin dem Nachrichtensender Sky News.

«Wir erwarten auch ein Vorgehen gegen diejenigen, die kriminelles Material gepostet haben und werden sicherstellen, dass die Social-Media-Unternehmen Verantwortung übernehmen», fügte Cooper hinzu. 

Zu den Aktivitäten des verurteilten Rechtsextremisten Stephen Yaxley-Lennon, auch bekannt als Tommy Robinson, der als prominentester Rechtsextremer in Großbritannien gilt und auf Social Media Vorurteile schürt, wollte sich ein Regierungssprecher nicht konkret äußern. Nicht auszuschließen sei aber, dass hinter der Verbreitung von Falschinformationen durch Bots im Internet auch staatliche Akteure stünden, sagte er. 

Bewährungsprobe für Ex-Chefankläger Starmer

Für den erst seit einem Monat amtierenden Regierungschef sind die Ausschreitungen die erste Bewährungsprobe. Starmer scheint dafür gut gerüstet. Er war Chef der Anklagebehörde Crown Prosecution Service (CPS), als englische Städte im August 2011 von schweren Krawallen erschüttert wurden. 

Anders als heute handelte es sich damals aber nicht um rechtsextreme Ausschreitungen. Auslöser waren tödliche Schüsse der Polizei auf einen Mann mit irisch-jamaikanischen Wurzeln. Die Krawalle begannen in London und breiteten sich auf weitere Großstädte aus. Mehrere Menschen starben.

Damals tagten die Gerichte 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, um den Verdächtigen im Akkord den Prozess zu machen. Das steht auch jetzt wieder im Raum. Noch wurde dazu aber keine Entscheidung getroffen, sagte ein Regierungssprecher. Das britische Justizsystem gilt wie auch die Gefängnisse als völlig überlastet.

Kein Einsatz des Militärs geplant

Forderungen nach einem Einsatz des Militärs, unter anderem vom schottischen Ex-Regierungschef Humza Yousaf, lehnt die Regierung ab. Bei der Cobra-Sitzung habe diese Forderung keine Rolle gespielt, sagte der Regierungssprecher. Auch ein möglicher Rückruf der Abgeordneten aus der Sommerpause des Parlaments ist demnach bislang kein Thema.

Kritik an der Regierung kam von dem früheren Innenminister James Cleverly von den oppositionellen Konservativen, der sich nach der Wahlniederlage vor vier Wochen um die Nachfolge von Tory-Parteichef Rishi Sunak bewirbt. Die Cobra-Sitzung sei viel zu spät einberufen worden, sagte Cleverly Sky News. Er betonte, die Krawallmacher repräsentierten nicht das Land, das offen und tolerant sei. 

Rechtspopulist und Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage verurteilte die Gewalt in einer Mitteilung ebenfalls, nachdem er zuvor in einem Video Verständnis für die Anliegen der Krawallmacher angedeutet hatte.

© dpa ⁄ Christoph Meyer, dpa
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