Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben den Hisbollah-Militärkommandeur Ibrahim Akil bei einem gezielten Angriff in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet. Zuvor hatten israelische Kampfflugzeuge nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen eine der schwersten Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober vergangenen Jahres geflogen. Zugleich registrierte die israelische Armee 200 Geschosse, die aus dem Libanon auf Nordisrael abgefeuert wurden.
Ibrahim Akil sei tot, teilte Israels Armeesprecher Daniel Hagari mit. Die Hisbollah äußerte sich dazu zunächst nicht. Akil gehört zu den Gründungsmitgliedern der Hisbollah und wirkte insbesondere im militärischen Flügel der schiitischen Organisation. Medienberichten zufolge war er der Militärkommandeur der Hisbollah und damit der Nachfolger des am 30. August ebenfalls von Israel getöteten Fuad Schukr. Die USA hatten auf Akil ein Kopfgeld in Höhe von sieben Millionen Dollar (rund 6,27 Millionen Euro) ausgesetzt. Auch rund zehn Kommandeure der Hisbollah-Elitetruppe Radwan kamen laut israelischer Armee bei dem Luftschlag ums Leben.
Nach offiziellen libanesischen Angaben kamen bei dem Angriff in dem dicht besiedelten Vorort der Hauptstadt mindestens zwölf Menschen ums Leben. Mindestens 66 weitere wurden verletzt. Auf Videos in sozialen Medien waren verheerende Szenen in dem südlichen Vorort Beiruts zu sehen, mit beschädigten Häuserfassaden und zerstörten Autos. Das Gebiet gilt als Hochburg der Hisbollah.
Israels Verteidigungsminister: werden uns weiter verteidigen
Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte nach dem Angriff auf die Hisbollah-Mitglieder in Beirut an, Israel werde sich weiter gegen seine Feinde verteidigen - auch in dem südlichen Vorort von Beirut. «Die Reihe von Einsätzen in der neuen Phase des Krieges wird fortgesetzt, bis wir unser Ziel erreicht haben: die sichere Rückkehr der nördlichen Gemeinden Israels in ihre Häuser», sagte er nach Angaben seines Büros.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte derweil mit: «Unsere Ziele sind klar und unsere Taten sprechen für sich.»
Sorge vor umfassendem Krieg und Flächenbrand wächst
Der fast tägliche gegenseitige Beschuss zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz hat sich zu einem niedrigschwelligen Krieg entwickelt. Im Libanon wurden nach amtlichen Angaben bereits etwa 600 Menschen getötet, die meisten davon Hisbollah-Mitglieder. In Israel kamen Armeeangaben zufolge 52 Menschen ums Leben, darunter 26 Zivilisten.
Trotz weltweiter Aufrufe zur Zurückhaltung setzen Israel und die Hisbollah ihre gegenseitigen Angriffe fort. Damit wächst die Sorge, dass die Kämpfe sich zu einem umfassenden Krieg sowie zu einem regionalen Flächenbrand ausweiten könnten.
Dennoch hält es die US-Regierung für möglich, einen Krieg zwischen beiden Seiten abzuwenden. «Wir glauben immer noch, dass es Zeit und Raum für eine diplomatische Lösung gibt, und wir halten dies für den besten Weg», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein Krieg an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei «nicht unvermeidlich, und wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um ihn zu verhindern».
Israel und Hisbollah setzen Beschuss fort
Vor dem mutmaßlichen Luftangriff auf den Hisbollah-Kommandeur Akil hatten Kampfflugzeuge rund 100 Raketenabschussrampen der proiranischen Miliz bombardiert, wie das israelische Militär mitteilte. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von einer der schwersten Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober vergangenen Jahres.
Aus dem Libanon wurden nach israelischen Militärangaben erneut zahlreiche Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Die Armee registrierte eigenen Angaben zufolge rund 200 Geschosse. Israelischen Medien zufolge brachen durch den Beschuss Brände aus. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Anwohner in zahlreichen Orten im Norden Israels sind dazu aufgerufen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.
Sorge vor israelischer Bodenoffensive wächst
Israel versucht seit Wochen, die Hisbollah-Miliz zu schwächen. Dazu gehören gezielte Angriffe auf das Führungspersonal, Infrastruktur, Raketenwerfer und Lagerhäuser. Mit diplomatischem und zunehmendem militärischem Druck möchte Israel erreichen, dass die Hisbollah sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorschreibt. Sobald die grenznahe Region wieder sicher ist, sollen 60.000 geflüchtete Israelis in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren.
Hisbollah: Beschuss Israels bis zum Ende des Gaza-Kriegs
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte in einer landesweit übertragenen Rede am Donnerstag angekündigt, den Beschuss Nordisraels fortzusetzen. Israel könne erst dann wieder Menschen in Sicherheit in den Norden zurückkehren lassen, wenn der Krieg im Gazastreifen gestoppt werde. Die Hisbollah handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in dem Küstengebiet. Beide Gruppen werden von der Islamischen Republik Iran unterstützt, deren Staatsführung Israel als Erzfeind betrachtet.
Zugleich beschuldigte Nasrallah Israel, für die Explosionen von Pagern und Handfunkgeräten verantwortlich zu sein. Der Hisbollah-Chef sprach von einer Kriegserklärung und kündigte Vergeltung an. Mindestens 37 Menschen kamen nach Behördenangaben am Dienstag und Mittwoch bei den Explosionen der manipulierten Geräte ums Leben. Rund 3.000 weitere wurden demnach verletzt. Israel hat sich bislang nicht öffentlich zu den Angriffen bekannt.
Bericht: Keine Einigung bei Gaza-Verhandlungen in Sicht
Da die Hisbollah ihren Beschuss Israels mit dem Gaza-Krieg verknüpft, bemühen sich internationale Vermittler um eine Feuerpause. Die Verhandlungen, bei denen die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas vermitteln, drehen sich jedoch seit Monaten im Kreis.
Ranghohe US-Beamte räumten inzwischen in privaten Gesprächen ein, dass sie während der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden, die im Januar enden wird, keine Einigung zwischen Israel und Hamas mehr erwarten, berichtete das «Wall Street Journal». «Eine Einigung steht nicht unmittelbar bevor», sagte einer der US-Beamten. «Ich bin mir nicht sicher, ob es je zustande kommt.»