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Treibt Hafermilch wirklich den Blutzuckerspiegel hoch?

Haferdrinks bekommen in den sozialen Medien Gegenwind: Sie sollen ungesunde Blutzuckerspitzen verursachen und so etwa für Müdigkeit sorgen, heißt es da. Stimmt das? Zwei Experten ordnen ein.
Eine Person gießt aufgeschäumte Milch in ein Glas
Eine Flasche Haferdrink

Karlsruhe/München (dpa/tmn) - Ob im Kaffee oder Müsli, zum Kochen oder Backen: Haferdrinks stehen in vielen Kühlschränken. Sie gelten als gesunde pflanzliche Alternative zur Kuhmilch und sind damit auch für vegan lebende Menschen und Menschen mit Laktoseintoleranz geeignet. 

Doch in den sozialen Medien stehen Haferdrinks mitunter in der Kritik. Die Drinks sollen mit ihrem hohen Zuckergehalt für ungesunde Blutzuckerspitzen sorgen, heißt es da. Und damit sollen sie Müdigkeit, Heißhunger oder Hautprobleme begünstigen. 

Was ist da dran? Zwei Experten erklären, wie viel Zucker in Haferdrinks steckt, was das mit dem Blutzuckerspiegel macht - und wer sie tatsächlich gegen einen anderen Pflanzendrink austauschen sollte. 

Haferdrinks enthalten von Natur aus Zucker

Ganz von vorn: Haferdrinks enthalten Zucker - selbst dann, wenn sie ungesüßt sind. Denn wie jedes Getreide besteht auch Hafer aus Stärke. Auch wenn die erst einmal nicht süß schmeckt: In ihr sind viele Zuckermoleküle miteinander verbunden. 

Um aus dem Getreide ein schmackhaftes Getränk zu machen, wird der Hafer verarbeitet. «Man gibt Enzyme dazu, die die Stärke spalten. Dabei werden Zuckerreste abgespalten und es entsteht Malzzucker. Haferdrinks haben also einen natürlichen Zuckergehalt», erklärt der Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm.

Wie hoch der ist, variiert stark und hängt auch vom Herstellungsprozess ab. Durchschnittlich aber liegt er bei vier Gramm pro 100 Gramm Getränk, so Karlis Briviba. Er ist kommissarischer Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max Rubner-Institut. 

Doch dieser Wert allein sagt aber noch nicht viel darüber aus, wie genau der Haferdrink auf den Blutzuckerspiegel wirkt. Dafür braucht es einen Blick auf zwei weitere Maße: den glykämischen Index sowie die glykämische Last.

Glykämischer Index und glykämische Last - was ist das? 

Der glykämische Index gibt an, wie stark die Kohlenhydrate eines Lebensmittels den Blutzuckerspiegel erhöhen. Langkettige Kohlenhydrate, wie sie in Vollkornprodukten stecken, erhöhen den Blutzuckerspiegel dabei eher langsam. Limonaden mit ihren kurzkettigen Kohlenhydraten - also Zucker - deutlich schneller. 

Die Skala reicht von 0 bis 100. Je höher der Wert, desto schneller werden die Kohlenhydrate verdaut und gehen ins Blut. «Haferdrinks haben dabei einen relativ hohen Wert», sagt Karlis Briviba. Er liegt bei etwas über 60 und ist damit vergleichbar mit herkömmlichem Haushaltszucker. 

Doch es kommt auch darauf an, wie viele Kohlenhydrate in einem Lebensmittel überhaupt stecken. Das ist die glykämische Last. So können zwei Lebensmittel zwar denselben glykämischen Index haben, aber durchaus unterschiedlich stark auf den Blutzuckerspiegel einwirken. Einfach aus dem Grund, dass das eine Lebensmittel deutlich mehr Kohlenhydrate enthält als das andere. 

«Der glykämische Index ist bei Haferdrinks zwar relativ hoch, aber die glykämische Last ist gering», sagt Briviba. «Wenn wir einen Vergleich anstellen wollen, hätte ein Glas Hafermilch vergleichbare Werte wie eine kleine Scheibe Vollkornbrot oder eine halbe Scheibe Weizenbrot.» Die Einordnung des Experten: «Das ist sehr wenig und fällt für gesunde Menschen nicht besonders ins Gewicht.»

Die Auswirkungen auf den Körper

Kurz gesagt: kein Grund, Hafermilch per se zu verteufeln. Geht es um eine gesunde und ausgewogene Lebensweise, kommt es nicht auf ein einziges Lebensmittel an, sondern auf die Ernährung in ihrer Gesamtheit. 

Auch Nicolai Worm hält eine Gesundheitsdiskussion auf Basis des Zuckergehalts von Haferdrinks für «völligen Quatsch». Wie gesund ein Lebensmittel sei, lässt sich nicht an einem etwas steigenden Blutzuckerspiegel festmachen, sagt er.

Zumal ein gesunder Körper mit so einem Blutzuckeranstieg selbst gut umgehen kann. Bei gesunden Menschen steige der Blutzuckerspiegel nach dem Essen nicht höher als etwa 140 mg/dl an. «Egal ob sie mehr oder weniger Zucker essen, der Körper regelt durch eine Mehrausschüttung von Insulin gegen», sagt Worm. 

Diabetiker müssen Blutzuckerspiegel im Blick behalten

Ein Problem besteht erst, wenn der Körper nicht mehr genug Insulin produzieren kann, also Diabetes vorliegt. Oder wenn es eine Insulinresistenz gibt. Der Körper muss dann eine vielfache - und damit ungesunde - Menge an Insulin ausschütten, um den Zucker aus dem Blut zu bekommen, so Nicolai Worm. 

Eine Insulinresistenz wird durch einen Lebensstil mit Bewegungsmangel, Übergewicht, Schlafmangel und weiteren Faktoren begünstigt. Sie bleibt oft lange unentdeckt, weil sie keine Beschwerden verursacht. 

Für Menschen mit Diabetes gilt allerdings schon eine gewisse Vorsicht, was Haferdrinks angeht: «Sie sollten grundsätzlich sehr genau berücksichtigen, wie viele Kohlenhydrate sie zu sich nehmen», sagt Briviba. Und den Haferdrink dem Blutzuckerspiegel zuliebe lieber durch die ungesüßte Mandel- oder Soja-Variante ersetzen.

Welche Nährstoffe in Hafermilch (nicht) stecken 

Bezogen auf Haferdrinks hat Nicolai Worm aber einen anderen Kritikpunkt: «Im Vergleich zur Kuhmilch enthalten Haferdrinks sehr wenige essenzielle Nährstoffe wie Calcium oder Jod.» Deswegen reichert die Industrie die Produkte mit Mineralstoffen und Spurenelementen an. 

Doch in Pflanzen - so auch in Hafer - gibt es auch immer sogenannte Hemmstoffe, wie Worm erklärt. Diese erschweren es dem Körper, Nährstoffe aufzunehmen, sodass selbst das hinzugefügte Calcium kaum genutzt werden könne. «Laut Studien liegt die Calciumverfügbarkeit bei Haferdrinks bei drei Prozent. Bei Kuhmilch wird sie mit 30 Prozent angegeben.» Auch im Hinblick auf den Proteingehalt stehe der Haferdrink deutlich hinter der Kuhmilch. «Das heißt die Wertigkeit, der reine Ernährungswert, ist im Vergleich zur Milch niedriger.»

© dpa ⁄ Anke Dankers, dpa
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