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Kaum Platz für Zuversicht: «Leben nach dem Missbrauch»

In beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland ist es immer zu sexuellen Übergriffen gekommen. Wie die Evangelische Kirche mit diesem Thema umgeht, zeigt nun eine TV-Reportage.
TV-Ausblick «37 Grad: Leben nach dem Missbrauch»
Markus Klaaßen wurde von einem Pfarrer missbraucht. © Marina Rosa Weigl/ZDF/dpa

Fälle von sexualisierter Gewalt gibt es in unserer Gesellschaft viel zu viele - in Vereinen, an Schulen und in den Kirchen. Die Aufarbeitung lässt die Opfer oft enttäuscht zurück. Wie sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu verhält, das schildert die Reportage «Leben nach dem Missbrauch» aus der Reihe «37 Grad». Sie ist zu sehen am 28. Januar um 22.15 Uhr im ZDF.

Nancy Janz (44) hat als junge Frau sexuelle Übergriffe und Missbrauch durch einen evangelischen Jugendpastor in einer diakonischen Einrichtung in Niedersachsen erlebt. Und das, nachdem sie schon in ihrer eigenen Familie sexualisierte Gewalt erfahren hat. Als dieser Pastor ihr seine Hilfe anbot, war sie allein, haltlos, ohne Anbindung und psychisch instabil.

Engagiert in der Kirche - trotz allem

Nancy wandte sich danach von der Kirche ab, mittlerweile ist sie Sprecherin der Betroffenen im Beteiligungsforum der EKD. Für sie ist - trotz ihrer schrecklichen Erlebnisse - die Kirche immer noch ein Ort, für den sich ein Engagement lohnt. 

Anselm Kohn (54) und seine älteren Brüder wurden als Jugendliche von ihrem Stiefvater, einem Pastor aus der Nähe von Hamburg, belästigt und missbraucht. Dieser Täter suchte sich seine Opfer aber nicht nur unter den fünf Stiefkindern, sondern auch anderswo - und das über Jahre hinweg. 

Durch Kohn und seinen ältesten Bruder wurden 2010 die Missbrauchsfälle in der Evangelischen Kirche öffentlich bekannt, auf seinem Dachboden lagern ganze Kisten mit Aktenordnern. Doch ihm fehlt schlicht die Zeit, das alles aufzuarbeiten. Anselm Kohn fährt sogar bis zum Haus mit dem früheren Pfarramt, in dem er aufwuchs.

Kein Therapieangebot von der Kirche

Markus Klaaßen (49) wuchs in armen Verhältnissen in Gelsenkirchen auf. Nachdem sein gewalttätiger Stiefvater in Haft kam, bat seine Mutter den evangelischen Pfarrer um finanzielle Unterstützung. Dieser gewährte das nur, wenn der junge Markus auch konfirmiert wird. Der Pfarrer missbrauchte den Jungen - der dadurch hochgradig traumatisiert worden ist und den Missbrauch komplett verdrängt hat. 

Viele Jahre später kam, ausgelöst durch einen Burn-out, alles wieder hoch. Nach einem - wegen Verjährung eingestellten - Strafverfahren erhielt Klaaßen für die Anerkennung des Leids von der Kirche eine geringe Summe ausbezahlt. Ein Therapieangebot seitens der Kirche gab es nicht.

Außerordentlich sensibel

Autorin Nathalie Suthor («Step by Step - Magie einer Tanzschule») legt hier eine außerordentlich sensibel gedrehte Reportage vor. Sie begleitet Angehörige und Opfer von sexuellem Missbrauch durch Mitglieder der evangelischen Kirche, beschreibt die Aufklärung mancher Fälle und stellt fest, dass sich am System der Institution Kirche nur ganz langsam ein wenig ändert. 

Die Zahl der Betroffenen lässt sich kaum genau beziffern, da viele Daten fehlen oder nicht offengelegt wurden - trotz einer 2024 seitens der EKD vorgelegten Studie dazu. 

Wie kann es sein, dass die Evangelische Kirche alles in einem ist: Täter, Vertuscher und auch noch Aufklärer? In dieser bemerkenswerten Reportage wird - neben allem persönlichen Leid der drei Protagonisten - auch deutlich, dass ihnen die Sicherheit in der Kirche größtenteils genommen worden ist. Für Zuversicht ist da kaum Platz.

© dpa ⁄ Klaus Braeuer, dpa
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