Kanada hat viele Musikstars hervorgebracht. Celine Dion, Leonard Cohen, Justin Bieber, Shania Twain oder Bryan Adams sind nur einige namhafte kanadische Pop-Exporte. Nicht zu vergessen: Rush. Das Trio gilt als eine der einflussreichsten Rockbands der Musikgeschichte.
Musikerkollegen wie Metallica oder die Foo Fighters, die Filmstars Jack Black und Paul Rudd, US-Talker Stephen Colbert und auch «South Park»-Schöpfer Matt Stone sind erklärte Rush-Fans. Zum 50. Jubiläum der Kultband erscheint eine Karriere-umspannende Werkschau.
Rückblick auf eine Rockkarriere im ständigen Wandel
Mit 50 Songs auf vier CDs oder sieben Vinyl-LPs dokumentiert «Rush 50» die Entwicklung der in Toronto gegründeten Gruppe. Von ihrer allerersten, lange nicht erhältlichen Single «Not Fade Away» aus dem Jahr 1973 bis zur Live-Aufnahme von der Zugabe bei ihrem letzten Konzert 2015 in Los Angeles («What You're Doing/Working Man/Garden Road»), hat sich der Sound von Rush immer wieder verändert.
Auf fast 20 Studioalben erwiesen sich Sänger, Bassist und Keyboarder Geddy Lee, Gitarrist Alex Lifeson und der 2020 verstorbene Schlagzeuger Neil Peart - der direkt nach dem Debütalbum John Rutsey ersetzte und auch Haupttexter von Rush wurde - als Meister unterschiedlicher Genres.
Nach dem frühen klassischen Hardrock von «Fly By Night» (1975) folgte bald das Progressive-Rock-Epos «2112» (1976) mit dem 20-minütigen Titelsong. Auf «Permanent Waves» (1980) und «Moving Pictures» (1981) mit radiofreundlichen Hits wie «The Spirit Of Radio» und dem Klassiker «Tom Sawyer» erhielten starke New-Wave-Elemente Einzug. Später rückte der progressive Hardrock wieder mehr in den Vordergrund.
Verschollene Single und Live-Raritäten
«Rush 50» enthält frühe Aufnahmen, die bisher nicht auf CD erhältlich waren und von den Originalbändern gemastert wurden, darunter neben der Debütsingle auch «You Can't Fight It». Zudem gibt es Live-Mitschnitte von einem frühen Konzert in einer Schule in Ontario, bei dem noch Rutsey am Schlagzeug saß. Eine in den New Yorker Electric Lady Studios live eingespielte Version von «Anthem» aus dem Dezember 1975 wird damit ebenfalls zum ersten Mal veröffentlicht.
Davon abgesehen bietet die Box einen Querschnitt durch die 19 Studio- und elf Live-Alben von Rush. Während manche Bands mit Stilwechseln ihre Fans auf die Probe stellen, vergrößerten Rush ihre Anhängerschaft jedes Mal. Das Trio, das 2013 letztmalig in Deutschland auftrat, gab seine üblicherweise drei Stunden langen Konzerte in den größten Hallen und sogar in Stadien.
Beeindruckend zeigt das der Konzertfilm «Rush in Rio», der 2002 vor Zehntausenden ekstatischen Fans im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro gedreht wurde. Ein Track aus diesem Konzert («Cygnus-X-1») ist im Boxset zum Jubiläum ebenso enthalten wie Mitschnitte von Tourneen in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, den USA oder Kanada.
Geddy Lee liebäugelt mit Comeback
«50? Ist das alles?», scherzte Frontmann und Spaßvogel Geddy Lee (71) in einem PR-Release zur Box, die auch ein Hardcover-Buch mit Essays und Fotos enthält. «Schaut auf all diese Songs. Ich bin erschöpft, wenn ich nur diese verdammte Liste lese.»
Tatsächlich ist «Rush 50» eine überwältigende Musiksammlung. Für Rush-Neulinge bietet sie einen guten Überblick über das Werk der einflussreichen Rockband, die 2015 eine Auszeit nahm, die durch den Tod von Neil Peart wohl leider permanent ist. Oder doch nicht?
Lee hadert schon länger mit dem Rush-Ende. In den vergangenen Jahren trat er bei besonderen Anlässen sogar vereinzelt mit Gitarrist Alex Lifeson auf. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London liebäugelte der 71-Jährige mit einem musikalischen Comeback. «Ich weiß nicht, ob wir es Rush nennen würden», sagte er. «Ich glaube, Alex und ich wollen beide sehr gern wieder Lieder zusammen schreiben und sehen, was passiert. Das wäre der erste Schritt.»