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Salzburg mit neuem «Jedermann»

Die Salzburger Festspiele sind ein Highlight für Opern- und Theaterfans. Doch sie sind keine Kunstblase. Bei den meisten Produktionen liegen aktuelle Bezüge auf der Hand - von Benko bis Putin.
Neuer «Jedermann» in Salzburg
Salzburg

Geld, Gewalt und männliche Macht dominieren nicht nur die aktuelle Nachrichtenlage, sondern auch die bevorstehenden Salzburger Festspiele. Das zeigt sich schon bei der Neuinszenierung des Stücks «Jedermann», mit dem das renommierte Opern-, Theater- und Konzertfestival am Samstag (20.7.) so richtig losgeht.

Für Regisseur Robert Carsen stellte sich die Frage, ob es sich bei Hugo von Hofmannsthals Jedermann um jemanden wie den österreichischen Immobilien-Pleitier René Benko oder den verurteilten Kryptowährungsbetrüger Samuel Bankman-Fried handelt. Eines könne man sicher über die Hauptfigur in dem Stück über Reichtum und Tod sagen, meint Carsen: «Er hat scheißviel Geld verdient», und das in kurzer Zeit. 

Ein Jedermann und zwei Ex-Jedermänner

Die Titelrolle verkörpert dieses Jahr der aus der Krimireihe «Blind ermittelt» bekannte Österreicher Philipp Hochmair. Seine Schweizer Kollegin Deleila Piasko spielt die Buhlschaft. Die Inszenierung und das Ensemble des Vorjahres waren überraschend nach nur einer Saison ausgetauscht worden.

Der Jedermann von 2023, Michael Maertens, ist dennoch dieses Jahr in Salzburg zu sehen. Er liest aus den Gefängnisbriefen des Putin-Kritikers Alexej Nawalny, der im Februar in einem russischen Straflager starb. Und noch ein Ex-Jedermann tritt auf: Tobias Moretti ist Sprecher in einer konzertanten Aufführung der Werke «Il canto sospeso» und «Il prigioniero», in denen der Widerstand gegen Unterdrückung und Faschismus im Mittelpunkt steht. 

Russland-Schwerpunkt

Das renommierte österreichische Festival präsentiert diesen Sommer drei neue szenische Opernproduktionen. In Mieczyslaw Weinbergs Werk «Der Idiot» steht ein russischer Fürst im Zentrum, dessen gütiger Charakter angesichts von Putins Ukraine-Krieg und Gaza-Konflikt heute geradezu skandalös wirke, schreibt Dramaturg Christian Longchamp. Die litauische Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla leitet die von Krzysztof Warlikowski inszenierten Aufführungen.

Benko-Assoziationen kommen hingegen laut Intendant Markus Hinterhäuser auch in der Prokofjew-Oper «Der Spieler» auf. Regisseur Peter Sellars bringt die Geschichte um Gier und schnelle Gewinne auf die Bühne. Die eng mit den Festspielen verbundene Starsopranistin Asmik Grigorian und der US-Tenor Sean Panikkar sind in Hauptrollen zu hören.

Als Kontrast zu den vielen aktuellen Bezügen lotet Offenbachs «Les Contes d’Hoffmann» («Hoffmanns Erzählungen») eine Künstlerseele des 19. Jahrhunderts aus. Regisseurin Mariame Clément will in ihrer neuen Inszenierung das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit beleuchten. Außerdem stehen zwei Opern des in Salzburg geborenen Mozart auf dem Programm: «Don Giovanni» und «Clemenza di Tito».

Geschichtsstunden auf der Theaterbühne

Die neue Schauspiel-Chefin der Festspiele, Marina Davydova, setzt ebenfalls auf gewichtige Themen und Namen. Regisseur Thom Luz bringt eine Theaterfassung von Stefan Zweigs Sammelband «Sternstunden der Menschheit», in dem historische Ereignisse um berühmte Männer wie Napoleon oder Lenin als das Resultat von Irrtümern oder Zufällen dargestellt werden.

Im Theaterprogramm findet sich auch eine dramatische Fassung von Thomas Manns Roman «Der Zauberberg» sowie die Tanzproduktion «Spiegelneuronen», bei der das Publikum im wörtlichen Sinne durch einen riesigen Spiegel sich selbst reflektiert. 

Nicolas Stemann präsentiert seine Version des antiken Blut- und Rache-Epos «Orestie» aus Texten von Aischylos, Sophokles und Euripides. Die Neufassung «entsteht vor dem Hintergrund einer Gegenwart, in der Demokratie immer mehr infrage gestellt und – ähnlich wie Pazifismus – wie ein Auslaufmodell gehandelt wird», heißt es im Programmtext.

Insgesamt wurden in Salzburg diesen Sommer 220.000 Karten für 172 Aufführungen an 44 Tagen aufgelegt. Gegen Ende der Festspiele präsentiert der deutsche Komponist und Theatermacher Heiner Goebbels (71) seine Performance «Everything That Happened and Would Happen». In dem 2018 uraufgeführten Werk setzt sich Goebbels mit der zerstörerischen Geschichte Europas auseinander. Er beginnt dabei mit dem Ersten Weltkrieg, der vor 110 Jahren, im Sommer 1914, ausbrach. 

 

 

 

 

© dpa ⁄ Albert Otti, dpa
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