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«Größte deutsche Sportler»: Bolls Abschied von Olympia

Seit mehr als 20 Jahren gehört Timo Boll zur Tischtennis-Weltklasse. Er ist Rekord-Europameister und mehrmalige Nummer eins der Welt. In Paris endet zumindest seine internationale Karriere.
Timo Boll
Timo Boll

Manchmal, wenn die deutsche Tischtennis-Nationalmannschaft sich in Düsseldorf auf ein großes Turnier wie Olympia vorbereitet, lebt ihr bekanntester Spieler dort wie ein Camper. Timo Boll schläft dann in seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz und nicht im Sporthotel neben der Halle. Und er hat den Verantwortlichen seines Teams auch in diesem Wohnmobil mitgeteilt, dass er seine lange internationale Karriere nach Olympia beenden wird.

Die Spiele in Paris werden Bolls siebte und letzte Olympische Spiele sein. Er ist jetzt 43 Jahre alt, war deutscher Fahnenträger 2016, viermal die Nummer der Weltrangliste, achtmal Europameister im Einzel, siebenmal Champions-League-Sieger.

«Für mich ist er aktuell der größte deutsche Sportler», sagt der deutsche Bundestrainer Jörg Roßkopf über Boll.

Beide spielten noch zusammen im Nationalteam und in der Bundesliga. Der ehemalige Doppel-Weltmeister und Olympia-Dritte Roßkopf (55) weiß deshalb besser als jeder andere, was das heißt: Sich mehr als 20 Jahre auf Weltklasse-Niveau zu behaupten. Sich mehr als 20 Jahre auf immer neue Gegner und Spielweisen einzustellen.

«Während seiner Karriere hat unser Sport den Ball vergrößert, die Zählweise verändert und ganz neue Spielsysteme entwickelt», erklärt Roßkopf. «Und wenn ich früher ein Jahr gebraucht hätte, um damit klarzukommen, dann geht das bei Timo in einem Monat. Das ist das, was die Ausnahmetalente ausmacht.»

Aber auch wenn Boll für seinen Verein Borussia Düsseldorf noch eine Saison bis zum Vertragsende 2025 in der Tischtennis-Bundesliga spielen will: Seine internationale Karriere ist spätestens nach dem Finale des olympischen Mannschafts-Wettbewerbs am 9. August vorbei.

«Richtig Bammel» vor dem Abschied

Der Rekord-Europameister erzählte bereits seit Jahren, dass genau dieser Moment ihm Angst macht. Oder wie er es ausdrückt: «Richtig Bammel.» Doch jetzt, wo alles entschieden ist, spürt Boll sogar eine Form der Erleichterung. Nicht, weil es raus ist. Sondern, weil es sich anders anfühlt als befürchtet.

«Auf der einen Seite wundert es mich ein bisschen, dass ich mich wirklich auf den Tag nach Olympia freue und dann in ein anderes Leben eintauchen kann», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Auf der anderen Seite stresst es mich enorm, weil man das Ende natürlich auch schön und erfolgreich haben will.»

Boll wird in Paris nur im Mannschafts-Wettbewerb spielen - zusammen mit dem Einzel-Europameister Dang Qiu und dem früheren Weltranglisten-Ersten Dimitrij Ovtcharov. Aber im Team war er bei Olympia immer erfolgreicher als im Einzel: Silbermedaille 2008 und 2021, Bronze 2012 und 2016 - das ist der Maßstab.

«Wir sind erfolgsverwöhnt», sagte Boll vor seinem letzten großen Auftritt. «Und deshalb würde uns alles andere als das Finale gegen China nicht zufriedenstellen. Keine wäre happy, wenn wir das Halbfinale gegen Schweden oder gegen Frankreich verlieren und danach sagen könnten: Super, wir haben Südkorea im Spiel um Platz drei geschlagen. Das würde sich falsch anfühlen.»

Dass er seine internationale Karriere bei den Olympischen Spielen beendet, ist kein Zufall. Für Boll schließt sich in Paris ein sehr großer Kreis.

«Ich war von klein auf immer ein riesiger Sportfan. Ich kannte jeden Leichtathleten, jeden Radfahrer, jeden Schwimmer», erzählte er. «Und bei Olympia habe ich damals als Kind vor dem Fernseher schon gespürt, dass das für die Sportler das Größte ist. Der Ball, den ich damals bei der Olympia-Qualifikation für Sydney 2000 verwandelt habe: Das war einer der schönsten Momente der Karriere. Ich habe ganz viel vergessen über die Jahre. Aber dieser Moment ist mir im Kopf hängengeblieben.»

Noch vor einem Jahr schien eine weitere Olympia-Teilnahme für Boll kaum vorstellbar zu sein. Er hatte sich an der Schulter verletzt, fiel mehrere Monate aus. Ein vorzeitiges Karriereende war ein deutlich realistischeres Szenario als die Teilnahme in Paris.

«Deshalb habe ich mir 2023 gesagt: Ich würde gerne bei Olympia spielen. Dafür kämpfe ich jetzt nochmal. Dafür habe ich den Ansporn Olympia aber auf jeden Fall gebraucht», sagt er. Diesen Ansporn hätte ihm kein anderes Ziel mehr geben können. «Zu sagen: 2025 ist die nächste WM in Doha, da will ich unbedingt dabei sein, dafür quäle ich mich jetzt: Dafür hätte eine Weltmeisterschaft nicht gereicht!»

© dpa ⁄ Sebastian Stiekel, dpa
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