Fernando Alonso empfängt die Formel-1-Fans schon am internationalen Flughafen in Barcelona. Der zweimalige Weltmeister aus Spanien zeigt auf Video-Wänden dieses spezielle Werbe-Lachen, das nur so vor Selbstvertrauen strotzt und fast schon fließend in Selbstgefälligkeit überzugehen scheint. Der zweite spanische Fahrer im Feld, Carlos Sainz, nutzte die Zeit vor dem Heimspiel auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya für die Familie. Mit seinen beiden Schwestern Ana und Blanca sowie dem jüngsten Neffen ließ er sich stolz in die Kamera blickend für das heimische Foto-Album ablichten.
Schnappschüsse für die Jahrbücher jagen Alonso und Sainz auch beim zehnten Grand Prix dieser Saison am Sonntag (15.00 Uhr/Sky). Die spanischen Fans würden nur zu gerne den Heimsieg von einem ihrer Fahrer bejubeln. Alonso (42), der heute für Aston Martin fährt, gelang das letztmals 2013. Es war auch sein bislang letzter Formel-1-Erfolg. Sainz (29), der nach dieser Saison für Lewis Hamilton bei Ferrari weichen muss, will sich diesen kleinen Traum erst noch erfüllen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Sainz wird Karriere-Knick erleiden
«Das wird mein 21. Großer Preis von Spanien sein, und ich werde genauso stolz sein wie bei meinem ersten Heimrennen, wenn ich auf die Strecke gehe», sagte Alonso, der sich bis Ende 2026 an Aston Martin gebunden hat. Aber Siegchancen? «Ich glaube nicht, dass ich in der Lage sein werde, um Großes zu kämpfen», räumte der Routinier am Donnerstag ein.
Die Karriere von Alonso scheint unaufhörlich, die Karriere von Sainz wird einen Knacks erleiden. Da sich die Scuderia von Mercedes-Fahrer Hamilton ab 2025 den entscheidenden Schub für den Titelkampf erhofft, muss der Madrilene sein Cockpit räumen. Seine Optionen? Durchwachsen. Bei einem Topteam wird Sainz nicht unterkommen. Statt um Rennsiege zu kämpfen, wird er sich auf Aufbauarbeit konzentrieren müssen.
Williams? Audi? Sainz wäre von Siegen weit weg
Williams, Vorletzter in der Konstrukteurswertung, hätte Sainz gerne neben Alex Albon. Teamchef James Vowles krempelt den Rennstall gerade um und will ihn wieder dorthin bringen, wo er einst unter Teamgründer Frank Williams war: ganz oben.
Aber wer will da nicht hin? Audi möchte natürlich auch ganz nach oben. Der deutsche Autobauer übernimmt Sauber, hat Nico Hülkenberg als Fahrer ab 2025 verpflichtet und tritt ab 2026 als Werksteam in der Formel 1 an. Auch Sauber, Letzter in der Konstrukteurswertung, will Sainz. Das Team verfügt zwar aber über vielversprechende Ressourcen, doch der Weg zur Spitze dauert - wenn es überhaupt aufgeht - für gewöhnlich mindestens drei Jahre. Das ist viel Zeit für einen Fahrer wie Sainz in seinen vermutlich besten Jahren.
Sainz hat sich «keine Fristen» gesetzt
«In einem so wichtigen Stadium meiner Karriere will ich alle Optionen auf dem Tisch haben. Ich will die richtige Entscheidung treffen und sorgfältig darüber nachdenken, denn ich werde dieses Jahr 30. Das nächste Projekt ist ein Projekt, das ich wirklich zum Laufen bringen will», erzählte Sainz vor Kurzem. Auf der Fahrerpressekonferenz kündigte er an, dass «sehr bald» eine Entscheidung getroffen werde. «Ich will nicht länger warten», sagte Sainz, der aber noch nicht weiß, in welche Richtung es für ihn geht. «Ich habe mich noch nicht hingesetzt und eine Entscheidung gefällt, das nehme ich mir für die nächsten Wochen vor.»
Wenn Sainz etwas über falsche Karriereabzweigungen erfahren will, müsste er nur mal seinen Landsmann Alonso kontaktieren. Ein Ausnahmefahrer, der es aber in seiner Laufbahn immer wieder verstanden hat, sich selber Steine in den Weg zu legen. So wechselte Alonso als zweimaliger Weltmeister zur Saison 2007 zu McLaren. Er überwarf sich damals mit seinem Stall-Rivalen Hamilton und spielte dem Automobil-Weltverband Fia in einer Spionage-Affäre Insider-Informationen zu. McLaren wurde wegen des Besitzes geheimer Ferrari-Daten zu 100 Millionen Dollar Strafe verdonnert, der Spitzel flüchtete zu Renault.
Alonso und die «Kristallkugel»
Auch Alonsos Rückkehr zu McLaren 2015 war eine Fehlentscheidung, auf beiden Seiten gab es viel Frust. «Ich bin schon für Renault, McLaren-Mercedes, Ferrari und McLaren-Honda gefahren. Wie viele Fahrer würden sich nicht für eine solche Karriere entscheiden?», bemerkte Alonso einmal. «Ich hätte auch bei Red Bull unterschreiben können, als es noch in erster Linie ein Energydrink war. Niemand besitzt aber eine Kristallkugel.»
Alonso hätte vermutlich noch mehr aus seiner Karriere herausholen können. Er kann sich aber mit zwei WM-Titeln und 32 Grand-Prix-Siegen trösten. Und Sainz? Der gewann drei Grand Prix in seiner Karriere bisher. Der WM-Titel dürfte ein Traum bleiben.