Wegen Kindesentziehung hat das Amtsgericht Güstrow gegen die Mutter und die Großmutter zweier Kinder einen Strafbefehl von einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung erlassen. Die Entscheidung traf das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft bei einer Hauptverhandlung, zu der die beiden 60 und 38 Jahre alten Angeklagten am Dienstag nicht erschienen. Sie wurden von ihren Verteidigern vertreten. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt.
Beide Frauen reisten im Jahr 2019 mit den damals neun Monate sowie vier Jahre alten Jungen heimlich nach Bolivien aus. Die beiden Kinder sind Halbbrüder. Die Väter und deren Familien kämpften seitdem um die Rückkehr der Kinder, die erst im Sommer 2023 wieder nach Deutschland kamen. Großmutter und Mutter sind seit November vorigen Jahres wieder zurück. Die Gerichtsentscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es gibt eine zweiwöchige Widerspruchsfrist.
Das Gericht entschied zudem, dass die Frauen monatlich 50 Euro als Wiedergutmachung an die Kinder zu Händen der gesetzlichen Vertreter zahlen müssen. Dabei ging das Gericht davon aus, was derzeit leistbar ist. Den Vätern der Kinder entstanden deutliche höhere Kosten, die sich nach Angaben der Nebenklage auf 19 000 beziehungsweise 15 000 Euro belaufen. Darin seien Dolmetscherkosten, Flüge und Konsularhilfen enthalten. Möglicherweise spielen diese Kosten noch einmal in einem Zivilverfahren eine Rolle.
Die Kinder waren in dem Verfahren als Nebenkläger durch Rechtsanwältinnen vertreten. Dem Kind gehe es gut, es wolle aber seine Mutter nicht mehr sehen, sagte Sabine Hamann, Nebenklägervertreterin des älteren Jungen. Sie sah die Schuld bei den Angeklagten. «Das hätte alles nicht zu passieren brauchen.» Sie erinnerte daran, dass die Väter und Familien in Deutschland eine schwere Zeit und viel Leid durchgemacht hätten, als die Kinder in Südamerika gewesen seien.
Als die Frauen 2023 in Bolivien acht Monate in Auslieferungshaft saßen, wurden die Jungen dort vier Monate in einem Kinderheim untergebracht. Über die Motive der Mutter, die gelernte Krankenschwester ist, und der Großmutter für die Kindesentziehung wurde am Dienstag nur am Rande gesprochen. Beide sollen damals einer verschwörungstheoretischen Szene angehört haben. Sie seien dem System in Deutschland sehr abgeneigt gewesen, sagte Hamann.