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Warum der Staat die Meyer Werft rettet

Vom Schiffbau bei der Meyer Werft hängen Tausende Jobs ab, nicht nur in Niedersachsen. Bei den Staatshilfen geht es aber um noch mehr.
Ausdocken vom neuen Kreuzfahrtschiff „Disney Treasure“
Verlässt ein neues Kreuzfahrtschiff die Meyer Werft, zieht das Hunderte Schaulustige nach Papenburg. (Archivbild) © Lars Penning/dpa

Die milliardenschwere Rettung der traditionsreichen Meyer Werft durch den Bund und das Land Niedersachsen ist beschlossen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags gab ebenso grünes Licht wie der des Landtags in Hannover. Damit wird der Staat die finanziell angeschlagene Werft mehrheitlich übernehmen und hohe Bürgschaften schultern. Die Beschäftigten an den Schiffbau-Standorten Papenburg und Rostock können aufatmen.

Das Ziel der Staatshilfen ist es, Tausende Arbeitsplätze bei der Werft sowie ihren Zulieferern zu sichern, und die maritime Wirtschaft zu unterstützen. Darüber hinaus verfolgt der Bund mit der Rettung strategische Interessen: Sollte sich die geopolitische Lage verschärfen, könne die heute vor allem für Kreuzfahrtschiffe bekannte Werft auch zu militärischen Zwecken für die Marine genutzt werden, hieß es aus Parlamentskreisen.

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Der Rettungsplan sieht vor, dass der Bund und das Land für 400 Millionen Euro zusammen rund 80 Prozent der Anteile übernehmen. Zudem gewähren sie dem Unternehmen Bürgschaften von jeweils rund einer Milliarde Euro, um Kredite von Banken abzusichern. Die entsprechenden Verträge sollen am Freitag unterzeichnet werden. Der Einstieg des Staates soll zeitlich befristet sein, ein fixes Ausstiegsdatum gibt es aber nicht.

Gewinne schreibt die Werft wohl erst 2028 wieder

Wirtschaftlich ist die Situation für die Meyer Werft wohl noch über Jahre hinweg schwierig. «Wir werden 2026 wieder eine Vollauslastung der Werft haben, aber wir werden nach dem Sanierungsgutachten erst 2028 wieder ein positives wirtschaftliches Ergebnis haben», sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). 

An dem Staatseinstieg gibt es deswegen auch Kritik. So sagte der Ökonom Marcel Fratzscher Ende August dem NDR: «Es gibt eigentlich keinen guten Grund, weshalb jetzt dieses Unternehmen für Deutschland essenziell ist. Das ist es nicht.» Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte es besorgniserregend, dass es keinen privaten Investor gebe, der sich beteiligen wolle: «Das sollte eigentlich ein Alarmsignal an alle sein, dass dieses Unternehmen eigentlich so nicht nachhaltig aufgestellt ist.»

Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies erklärte hingegen, man habe die Wahl gehabt zwischen einer Insolvenz mit dem Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen oder der Stabilisierung der Werft. Für 2025 erwarte man ein schwieriges Jahr, danach gebe es aber eine «echt gute Perspektive», sagte der SPD-Politiker. «Das Ziel ist natürlich, dass ein Externer irgendwann mal in diese Werft einsteigt.»

Scholz sieht die Werft als «industrielles Kronjuwel»

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist überzeugt, dass die Werft eine Zukunft hat. «Zahlreiche Aufträge vor allem zum Bau von Schiffen sind da, es gibt hier eine hohe Nachfrage bei der Werft, das spricht für eine Zukunftsperspektive der Werft», sagte der Grünen-Politiker. 

Zu den Argumenten für die Rettung gehört auch, dass das Knowhow im Schiffbau im Land gehalten werden soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte vor gut drei Wochen in Papenburg, die Stellung Deutschlands als drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt erfordere eine starke maritime Wirtschaft - und die Meyer Werft sei ein «industrielles Kronjuwel».

Tatsächlich hat die Werft mit ihrer mehr als 200-jährigen Geschichte weltweit einen guten Ruf, die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Erst im August verzeichnete das Unternehmen mit vier Kreuzfahrtschiffen für die Disney Cruise Line sogar den nach eigenen Angaben größten Auftrag der Firmengeschichte. 

Meyer Werft muss Finanzierungslücke von 2,8 Milliarden Euro schließen

Hintergrund der Krise ist vielmehr, dass einige Verträge für Kreuzfahrtschiffe, die noch vor der Corona-Pandemie geschlossen worden waren, keine Anpassung an die seither stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise vorsehen. Hinzu kommt, dass im Schiffbau üblicherweise 80 Prozent des Baupreises erst bei Ablieferung des Schiffes gezahlt werden - den Bau muss die Werft also mit Krediten zwischenfinanzieren. So muss die Meyer Werft zur Finanzierung von Schiffsneubauten bis Ende 2027 fast 2,8 Milliarden Euro aufbringen. 

Aufgrund des hohen Finanzbedarfs rechnet der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli nun damit, dass die Werft lange in Staatshand bleiben wird. «Bund und Land müssen sich auf dieses Szenario einstellen, dauerhaft eine große Staatswerft zu gestalten», sagte er. 

Sitz soll von Luxemburg zurück nach Deutschland verlegt werden

Die Gewerkschaft IG Metall Küste zeigte sich erleichtert über die Beschlüsse von Bund und Land. Zwar sehe der Sanierungsplan den Abbau von 340 Arbeitsplätzen vor. Dabei solle aber vorerst auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich. In den kommenden Tagen werde der Belegschaft ein Freiwilligenprogramm vorgestellt, das bis März 2025 greifen soll. 

Insgesamt arbeiten rund 7.000 Menschen für die Meyer Gruppe. Neben dem Standort Papenburg hat sie Werften in Rostock und im finnischen Turku.

Strukturell soll das Unternehmen künftig als Konzern mit einem Aufsichtsrat und einem Konzernbetriebsrat geführt werden. Das Land Niedersachsen hatte während der Verhandlungen über die Hilfen auch darauf gedrungen, dass der Unternehmenssitz von Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt wird.

Niedersachsen: Staatshilfe braucht keine Zustimmung der EU

Grundsätzlich muss Staatshilfe bei der EU-Kommission angemeldet werden, damit ein Land seinen Unternehmen mit Geld unter die Arme greifen darf. Eine Frist, bis wann die Kommission entscheiden muss, ob eine Beihilfe zulässig ist, gibt es nicht. Zur Rettung der Meyer Werft teilte die Kommission mit, man führe konstruktive Diskussionen mit den deutschen Behörden. Nach Angaben aus Niedersachsen ist die Staatshilfe in diesem Fall so konzipiert, dass man rechtlich nicht auf eine Zustimmung der EU angewiesen ist. Man habe die EU trotzdem freiwillig über das Vorhaben informiert.

© dpa ⁄ Christopher Weckwerth, dpa
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