Die Anbieter von E-Scootern sehen trotz aller Diskussionen rund um den Elektroroller und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Branche kein Ende der Nachfrage. «Die geteilte Mikromobilität kratzt noch nicht mal an dem Potenzial, was eigentlich möglich ist in der Zukunft», sagt Alexander Jung, Sprecher der Arbeitsgruppe Mikromobilität beim Interessenverband Plattform Shared Mobility. «Die Nachfrage wächst von Jahr zu Jahr.»
Im Jahr 2022 verzeichnete die Plattform eigenen Angaben zufolge rund 75,1 Millionen Fahrten mit E-Scootern unter ihren Mitgliedern. Im Jahr 2023 seien es bereits knapp 80 Millionen Fahrten gewesen - und das, obwohl mit dem Unternehmen Tier ein großer Anbieter aus dem Verband ausgeschieden sei. Als Mikromobilität wird die Nutzung von Kleinst- und Leichtfahrzeugen vor allem in Stadtgebieten bezeichnet.
Branche weiter im Umbruch
Gleichwohl befinde sich die Branche weiter im Umbruch. «Wir sehen, dass die Zeiten des maximalen Wachstums vorbei sind. Heute geht es darum, die bestehenden Flotten möglichst effizient zu betreiben. Profitabilität ist das zentrale Ziel der Anbieter», betont Jung.
Profitabilität sei wichtig, um auch langfristig unabhängiger von den Kapitalmärkten und öffentlichen Subventionen zu werden. Die Flotten seien deshalb in den vergangenen Jahren trotz der steigenden Nachfrage weitgehend konstant geblieben. Aktuell schätzt der Verband die Zahl der E-Scooter bei den eigenen Mitgliedern in ganz Deutschland auf rund 200.000.
Die Zahl der Anbieter ist hingegen zurückgegangen. Erst im Januar hatte Tier den niederländisch-französischen Wettbewerber Dott übernommen. Weitere Übernahmen schließt Jung, der auch für den Sharing-Anbieter Lime tätig ist, nicht aus. «Der Trend zur Konsolidierung hält an, das ist nach wie vor ein Dauerthema der Branche», sagt er.
Doch die Unternehmen investierten viel: in modernere Fahrzeuge, neue Technologien, bessere Services für Kundinnen und Kunden. «Wir sind keine Eintagsfliege», sagt Jung.
Allmähliches Umdenken in Kommunen
Darauf müssten sich auch Städte und Kommunen einstellen. Zwar gebe es dort mehrheitlich allmählich ein Umdenken und eine größere Kooperationsbereitschaft bei Verwaltungen. Doch nach wie vor herrscht in vielen Gemeinden eine große Skepsis bis hin zur Ablehnung, was E-Scooter angeht.
Zuletzt hatte die nordrhein-westfälische Stadt Gelsenkirchen die Sondernutzungserlaubnis für die Anbieter an eine verpflichtende Identitätsprüfung der Nutzerinnen und Nutzer gekoppelt, um Missbrauch und Fehlverhalten besser verfolgen zu können.
Die beiden dort tätigen Unternehmen, Bolt und Tier, stellten daraufhin den Dienst ein und klagten gegen die Maßnahme. Ein grundsätzliches Verbot wie in Paris gibt es in Gelsenkirchen nicht und zeichnet sich auch in anderen deutschen Städten bisher nicht ab.
Jung: Neuaufteilung des Straßenraums nötig
Ein Grund für die Skepsis, die auch viele andere Verkehrsteilnehmer teilen, ist der Umgang mit E-Scootern durch Fahrerinnen und Fahrer. Achtlos abgestellte Fahrzeuge auf Gehwegen oder vor Einfahrten sowie über Bürgersteige rasende Jugendliche gehören nach wie vor zum Alltag.
Viele dieser Probleme ließen sich aus Sicht von Jung über eine Neuaufteilung des Straßenraums in den Griff bekommen: «Je besser die Infrastruktur, desto weniger Probleme gibt es auch mit Verstößen während der Fahrt.» Dort, wo Tempo 50 herrsche und kein Radstreifen zur Verfügung stehe, wichen E-Scooter, aber auch Radfahrer eher auf den Gehweg aus.
Das gelte auch für das Thema Parken. Prinzipiell seien mehr Abstellflächen für die Scooter nötig. Diese müssten vor allem auf der Straße entstehen - und dafür Autostellplätze umgewidmet werden.
Umweltnutzen umstritten
Umwelttechnisch spielen E-Scooter bei der Verkehrswende aus Jungs Sicht weiterhin eine wichtige Rolle, auch wenn dies Untersuchungen etwa des Umweltbundesamtes bezweifeln. Diesen Studien zufolge sind E-Scooter nur eine Alternative zum Fußverkehr und ersetzen nicht in großem Umfang Autofahrten.
Aus Sicht von Jung bilden diese Analysen einen veralteten Stand ab. Selbst wenn sie nur wenige Autofahrten ersetzen, sparten E-Scooter schon dann mehr CO2 ein, als sie zusätzlich etwa durch Herstellung und Entsorgung verursachten, wenn sie als Ersatz für den Fußverkehr verwendet werden. Zudem wirkten E-Scooter intermodal, also als Zubringer für den öffentlichen Personennahverkehr: «Ihr verkehrlicher Nutzen ist längst erwiesen.»
Das Deutsche Institut für Urbanistik kam gemeinsam mit anderen Forschungsinstituten im Rahmen eines Verkehrsprojekts 2022 zu dem Schluss, dass die Emissionswirkung der Tretroller in etwa bei null liege, also weder Emissionen durch sie eingespart würden, noch zusätzliche anfielen.