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Commerzbank schöpfte bei Wirecard früh Verdacht

Eine Betrugsspezialistin der Commerzbank entdeckte mutmaßlich kriminelle Machenschaften bei Wirecard, die Bank meldete das pflichtgemäß den Ermittlungsbehörden. Der Skandal nahm dennoch seinen Lauf.
Wirecard
Die damaligen Firmenzentrale des Zahlungsdienstleisters Wirecard in Aschheim bei München. © Peter Kneffel/dpa

Im Wirecard-Skandal meldete die Commerzbank Finanzermittlern und Aufsicht über ein Jahr vor dem Kollaps des Konzerns den konkreten Verdacht krimineller Machenschaften. Doch kam keine Rückmeldung der Ermittler, wie eine Betrugsspezialistin der Bank am Donnerstag als Zeugin im Münchner Wirecard-Prozess berichtete. Auch die Commerzbank selbst zählte am Ende zu den Opfern: Obwohl das Frankfurter Geldhaus die Geschäftsbeziehung zu Wirecard beenden wollte, war das bis zum Wirecard-Kollaps im Sommer 2020 noch nicht vollzogen. Das berichtete der frühere Risikovorstand Marcus Chromik.

Nachdem Presseberichte die Bank unruhig gemacht hatten, kam die Betrugsspezialistin über 340 verdächtigen Überweisungen von insgesamt 350 Millionen Euro auf die Spur. Unter anderem fand sie heraus, dass 19 Wirecard-Partnerfirmen sämtlich in einem einzigen Singapurer Wolkenkratzer - 111 North Bridge Road - residierten, die zudem alle von den gleichen Menschen geleitet wurden, «nur jeweils in ihrer Funktion vertauscht.»

Commerzbank: «Es gab keine Reaktion»

«Das war für mich ein Hinweis, dass es sich um ein Geflecht von Scheinfirmen handeln könnte.» Im Februar 2019 meldete die Commerzbank diese Fälle der FIU, der für Finanzkriminalität zuständigen Ermittlungsbehörde des Bundes. «Es gab keine Reaktion der FIU», berichtete die Zeugin. Die Bank informierte demnach auch die Finanzaufsicht Bafin.

Nach Angaben des früheren Risikovorstands Marcus Chromik beschloss die Bank wegen der gravierenden Geldwäsche- und anderer Verdachtsmomente im Frühjahr 2019 einen «soft exit» (engl. für «weichen Ausstieg»), um die Geschäftsbeziehung mit Wirecard zu beenden. «Das kann so nicht weitergehen, das müssen wir exiten», beschrieb der Spitzenmanager am Donnerstag als Zeuge im Münchner Wirecard-Prozess die damalige Entscheidung. 

1,6 Milliarden Euro größtenteils verloren

Die Commerzbank war mit einem Darlehensanteil von 200 Millionen Euro Konsortialführerin der 15 Banken, die Wirecard einen gemeinsamen Kreditrahmen in Höhe von bis zu 1,75 Milliarden Euro gewährt hatten. Tatsächlich ausgeliehen hatte der Skandalkonzern laut Anklage gut 1,6 Milliarden Euro. Nach der Wirecard-Pleite im Juni 2020 war das Geld größtenteils verloren. 

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Vorstandschef Markus Braun und seinen zwei Mitangeklagten vor, die Banken gezielt betrogen zu haben. Der seit vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende Braun bestreitet sämtliche Anklagepunkte.

Sofortige Kündigung war rechtlich nicht möglich

In der Chefetage der Commerzbank wurde nach Chromiks Worten damals die sofortige Kündigung des Kreditvertrags diskutiert. Dies wäre demnach jedoch rechtlich nicht möglich gewesen. Angesichts der Tatsache, dass die Commerzbank Verdacht geschöpft hatte, wäre ein Verkauf des Kreditengagements ebenfalls «nicht trivial» gewesen, sagte Chromik. 

So beschloss die Bank demnach, erst bei der nächsten fälligen Verlängerung des Konsortialkredits auszusteigen - doch vorher meldete Wirecard Insolvenz an. Auch Chromik merkte an, dass die Finanzaufsicht Bafin und die deutsche Justiz zu diesem Zeitpunkt im Frühjahr noch in die andere Richtung marschierten und stattdessen prüften, ob Wirecard Ziel krimineller Machenschaften von Aktienspekulanten sein könnte. «Der Exit aus einem Dax-Konzern wäre einmalig in der Geschichte der Bank gewesen», sagte Chromik. «Wir wussten nicht, ob wir nicht komplett falsch liegen und dann als Deppen am Markt dastehen.» 

© dpa
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