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Stippvisite statt Staatsbesuch: Biden in Berlin

Es ist nun alles ein paar Nummern kleiner als geplant. Trotzdem freut sich einer in Berlin ganz besonders auf den Besuch seines Lieblingsverbündeten.
Olaf Scholz und Joe Biden
US-Präsident Joe Biden kommt nun nach Berlin - sein Programm ist aber deutlicher schmaler als zuvor geplant. (Archivbild) © Michael Kappeler/dpa

Eigentlich sollte es der erste Staatsbesuch eines US-Präsidenten in Deutschland seit fast 40 Jahren werden - mit allen protokollarischen Ehren und gekrönt von einem großen Ukraine-Solidaritätsgipfel in Ramstein. Davon übrig geblieben ist eine etwa 19-stündige Stippvisite des 81-jährigen Joe Biden in Berlin. Ohne Staatsbankett. Ohne den Ramstein-Gipfel. Und ohne eine große Rede an die deutsche Öffentlichkeit, wie es sie bei Berlin-Besuchen von US-Präsidenten früher so oft gegeben hat. John F. Kennedy («Ich bin ein Berliner») und Ronald Reagan («Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder») sind in der ehemaligen Frontstadt des Kalten Krieges bis heute unvergessen. 

Eine Rede Bidens war von vornherein nicht geplant, eine gemeinsame Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Journalistenfragen aber schon. Auch die entfällt nun. Es sind nur kurze Statements der beiden vor Kameras geplant. Was unverändert bleibt, sind die Sicherheitsvorkehrungen inklusive Sperrung eines Großteils des Regierungsviertels, Scharfschützen auf den Dächern, Tauchern in der Spree und versiegelter Gullydeckel.

Ein Alptraum fürs Protokoll

Schuld daran, dass der Besuch so eingedampft wurde, ist vor allem der Hurrikan «Milton». Wegen des Sturms hatte Biden seinen ersten bilateralen Besuch in Berlin in seiner vierjährigen Amtszeit um eine Woche verschoben. In den vergangenen Tagen wurde hektisch daran herumgetüftelt, überhaupt noch ein angemessenes Programm für seinen Abschiedsbesuch in Deutschland auf die Beine zu stellen - ein Alptraum für die Protokollbeamten in Kanzleramt und Bundespräsidialamt. 

Nun wird Biden nach seiner für Donnerstagabend geplanten Ankunft am Freitagmorgen im Schloss Bellevue zunächst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen und bekommt dann die «Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik» - die höchste Auszeichnung, die Deutschland zu vergeben hat. Von den 14 US-Präsidenten, die seit Bestehen der Bundesrepublik regiert haben, wurde bisher sonst nur George Bush senior so hochkarätig dekoriert. 

Treffen der vier stärksten Nato-Partner 

Anschließend geht es weiter ins Kanzleramt, wo Biden zunächst Scholz alleine trifft. Später kommen der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer hinzu. Damit sitzen die Staats- und Regierungschefs der vier mächtigsten Nato-Partner und die wichtigsten Verbündeten der Ukraine zusammen. 

Dabei dürfte es vor allem um den «Siegesplan» des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehen. Die USA und Deutschland stehen bei der zentralen Forderung Selenskyjs auf der Bremse, der bedingungslosen Einladung der Ukraine in die Nato. Scholz machte zum Auftakt des EU-Gipfels am Donnerstag ziemlich deutlich, dass er nicht bereit ist, sich zu bewegen. «Sie kennen die Haltung Deutschlands in den Fragen, die da berührt sind. Daran wird sich auch nichts ändern», sagte er zum Fünf-Punkte-Plan Selenskyjs.

Für Scholz war es bei der Unterstützung der Ukraine immer wichtig, im Gleichschritt mit den USA zu gehen. Biden ist der Staatschef, den er am meisten von allen schätzt. Auch deswegen dürfte es für ihn eine besondere Genugtuung sein, dass der US-Präsident drei Monate vor seinem Ausscheiden noch einmal in Berlin vorbeikommt. 

Zuletzt war Obama da

Es ist der erste bilaterale Besuch eines US-Präsidenten in Deutschland seit Barack Obamas Visite vor acht Jahren. Biden hatte zwar 2022 am G7-Gipfel in Elmau teilgenommen und bei anderer Gelegenheit auf der amerikanischen Militärbasis in Ramstein Tankstopps mit seinem Regierungsflieger eingelegt, aber Deutschland keinen Solo-Trip gewidmet - im Unterschied zu verschiedenen anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Polen oder Italien.

Im Juni verbrachte Biden - damals noch mitten in seinem eigenen Präsidentschaftswahlkampf - ganze fünf Tage im Nachbarland Frankreich, ohne einen Abstecher nach Deutschland zu machen. Biden wurde dort mit viel Prunk als Staatsgast empfangen, nachdem er zuvor auch für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron beim Staatsbesuch in Washington den roten Teppich ausgerollt hatte. Diese Ehre wurde Scholz in Bidens Amtszeit nicht zuteil.

Wahlkampf von der Seitenlinie

Biden bestreitet den US-Wahlkampf inzwischen nur noch von der Seitenlinie, nachdem er sich im Juli auf Druck seiner Partei hin aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit zurückgezogen und seiner Stellvertreterin Kamala Harris das Feld überlassen hatte. Seitdem absolviert er deutlich weniger öffentliche Termine und tritt in Harris' Wahlkampf nur wenig in Erscheinung. Zu groß scheint die Sorge, dass er wie in den Monaten zuvor mit peinlichen Patzern, Versprechern und Fehltritten Schlagzeilen machen und damit nun Harris und den Demokraten im Wahlkampf schaden könnte. 

Der Demokrat arbeitet derzeit vor allem an seinem politischen Vermächtnis. Die Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland ist ein wichtiger Teil davon. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Unterstützer Kiews. Der Präsident wolle Scholz dafür danken, teilte das Weiße Haus vorab mit. Der Kanzler hat außerdem quasi noch etwas gut bei Biden, nachdem er ihm vor wenigen Monaten durch die politisch durchaus heikle Freilassung des Tiergartenmörders dabei geholfen hatte, bei einem groß angelegten Gefangenenaustausch mit Russland mehrere inhaftierte Amerikaner freizubekommen.

© dpa ⁄ Michael Fischer und Christiane Jacke, dpa
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