Vor der letzten Olympia-Chance gibt sich Isabell Werth kämpferisch. «Wir haben die Situation, dass wir in Aachen sehr gut reiten müssen», sagt die erfolgreichste Reiterin der Welt zum Start des CHIO in Aachen. Die Betonung liegt auf: «Sehr gut.» Denn «gut» würde nicht reichen nach der verpatzten deutschen Dressur-Meisterschaft vor knapp vier Wochen in Balve.
Die siebenmalige Olympia-Siegerin aus Rheinberg steht in Aachen unter Druck. Bei der ersten Olympia-Sichtung vor vier Wochen belegte Werth im Grand Prix und im Special - den beiden Prüfungen, die in Paris für die Teamwertung zählen - mit Quantaz die Plätze acht und fünf. Viel zu wenig, um sich für die Olympischen Spiele zu empfehlen.
Ein Olympia-Ticket ist bereits vergeben
«Quantaz hatte in Balve sicher den ein oder anderen Patzer», sagt die 54-Jährige: «Er hat nicht gezeigt, was er kann.» Andere waren deutlich besser. Allen voran Jessica von Bredow-Werndl aus Tuntenhausen, die ihr Olympia-Ticket mit Dalera schon sicher hat. Die Doppel-Olympiasiegerin von Tokio muss in Aachen nicht mehr antreten.
«Dieses Paar hat schon alles gezeigt und bewiesen, es ist seit 2021 ungeschlagen», erklärt Bundestrainerin Monica Theodorescu. Da das Olympia-Team nur aus drei Paaren besteht, sind jetzt nur noch zwei Plätze frei.
Pech hatte Werth, dass ihr zweites Toppferd bei der deutschen Meisterschaft nicht starten konnte, weil es leicht angeschlagen war. Glück hatte sie, dass ihre Stute Wendy schnell wieder fit war und zwei Wochen später in Rotterdam starten und überzeugen konnte. Zwei zweite Plätze führten dazu, dass die Bundestrainerin den Plan für Aachen noch einmal änderte.
Pferdetausch für Paris
In der CHIO-Mannschaft reitet Werth jetzt nicht - wie ursprünglich geplant - mit dem Wallach Quantaz, sondern mit der Stute. «Wir möchten Wendy nochmal im direkten Vergleich mit den anderen Nationenpreis-Pferden auf Fünf-Sterne-Niveau über drei Prüfungen sehen», sagt die Bundestrainerin zu dem Pferdetausch.
Zwei Paare liegen beim Kampf um ein Paris-Ticket derzeit deutlich vor Werth und Wendy: Frederic Wandres aus Osnabrück mit Bluetooth und Ingrid Klimke aus Münster mit Franziskus. In Aachen reiten sie gemeinsam mit Werth und Wendy in der Nationalmannschaft - und zugleich gegeneinander im Kampf um die verbleibenden Olympia-Tickets. Außenseiter-Chancen hat noch das vierte CHIO-Paar: Katharina Hemmer (Erwitte) mit Denoix.
Wendy habe «kontinuierlich steigende Ergebnisse», sagt Werth über die zehnjährige Stute, die sie erst seit dem Jahreswechsel reitet. «Wir sind schon ein bisschen zusammengewachsen. In Rotterdam waren wir schon auf einem sehr guten Weg.» In Aachen muss das Paar allerdings noch einmal mehr zeigen als beim Auftritt vor zwei Wochen in den Niederlanden.
Sie wolle sich nicht «außergewöhnlichen Druck» machen, erklärt die Rekordreiterin. Aber gerade für Werth, die erfahrene und erfolgreiche Wettkämpferin, gilt: «Je wichtiger es wird, desto größer ist die positive Anspannung.» Wer sie ein wenig kennt, der weiß, dass Werth in Aachen auf Angriff reiten wird.
Frage nach der Zukunft
Und wenn es nicht klappt mit der Qualifikation für Paris? Wie geht es dann weiter? Vor drei Jahren hatte Werth gesagt: «Paris ist eine Zäsur. Dann ist auch irgendwann Schluss mit der aktiven Karriere. Ob das 2024 oder 2025 ist – da werde ich mir einen vernünftigen Abschluss ausgucken.»
Und jetzt? Werth lacht bei der Frage zur Zukunft und zu ihren damaligen Aussagen. «Ich bin im letzten Drittel der Karriere, das ist klar», sagt die neunmalige Weltmeisterin: «Ich lasse es auf mich zukommen.» Also reitet sie doch noch ein paar Jahre weiter? «Ich würde es nicht ausschließen.»