In der Luft liegt noch Brandgeruch, auf der Straße haben sich Aschereste verteilt, erschöpfte Feuerwehrleute sitzen vor den verkohlten Resten von Einsatzfahrzeugen und Fahrzeughalle - nach dem verheerenden Brand einer Feuerwache im mittelhessischen Stadtallendorf mit zweistelligem Millionenschaden herrscht Fassungslosigkeit unter den Kameradinnen und Kameraden.
Dass große Teile ihres erst im Januar eröffneten Feuerwehrstützpunktes - des modernsten im gesamten Landkreis Marburg-Biedenkopf - ein Raub der Flammen wurden, sorge für Schmerz und große emotionale Betroffenheit, sagt Kreisbrandinspektor Lars Schäfer. Es sei das Schlimmste, was einem Feuerwehrmann passieren könne, wenn die eigene Wache brenne. Mit Tränen in den Augen habe das einer der Brandbekämpfer treffend in Worte gefasst: «Wir mussten doch quasi unser Zuhause löschen» - das zeige die tiefe Verbundenheit der Ehrenamtler zu ihrem Feuerwehrhaus, sagt Schäfer.
Meterhohe Flammen zerstören Halle und Einsatzfahrzeuge
Gegen 4.40 Uhr hatten Nachbarn das Feuer gemeldet, das nach Schätzungen von Schäfer einen Schaden von 20 bis 24 Millionen Euro angerichtet haben dürfte. Eiligst holten die Feuerwehrleute daraufhin ihre Schutzkleidung aus einem noch zugänglichen Gebäudeteil und nahmen die Brandbekämpfung auf. Zeitweise seien die Flammen 10 bis 15 Meter hoch aus dem Dach der Gerätehalle geschlagen. Ein knappes Dutzend Feuerwehrautos verbrannte darin. Zeitweise seien auch Knalle zu hören gewesen - möglicherweise von platzenden Autoreifen oder berstenden Gasflaschen von Atemschutzgeräten. Verletzt wurde nach den Worten Schäfers niemand.
Glücklicherweise sei es wohl gelungen, den Sozialtrakt des Gebäudekomplexes zu retten. Den Hallenbau des Komplexes werde man aber wohl nicht halten können, weil er nicht saniert werden könne, das müssten Statiker aber noch prüfen. Bereits im Tagesverlauf waren Vertreter der kommunalen Bauaufsicht vor Ort, die den Brandort absperrten.
Feuerwehrleute emotional stark betroffen
Neben den eigentlichen Löscharbeiten sei sehr rasch auch eine Betreuungsstelle zur psychosozialen Notfallversorgung für die Einsatzkräfte eingerichtet worden, sagt Schäfer. Akuten Handlungsbedarf habe es nicht gegeben, wohl aber «die gesamte Bandbreite an Emotionen». «Ich habe weinende Feuerwehrangehörige gehabt, wütende, sprachlose bis hin zu Menschen, die gar nicht registriert haben, was da eigentlich passiert ist», sagt der Kreisbrandinspektor. Aus seiner eigenen 40-jährigen Erfahrung als Feuerwehrmann weiß er: «Solange wir unter Druck arbeiten, spulen wir ab, was wir gelernt haben, das haben die Kameradinnen und Kameraden auch gemacht.» Doch wenn die eigentliche Einsatztätigkeit abebbe, «schaltet sich der Kopf dazu».
LKA-Spezialisten sollen Brandursache klären
Wie es zu dem Brand kommen konnte, sei nun die Frage, die sich alle stellen. Angesichts des hohen Schadens sollen Spezialisten des Landeskriminalamtes die Brandursache untersuchen. Die Feuerwache hatte keine Sprinkleranlage und auch keine Brandmeldeanlage - gesetzlich vorgeschrieben sei das nicht, sagt Schäfer. Es liege im Ermessen der Kommune, inwieweit sie ihre kritische Infrastruktur schütze. «Haben ist besser als brauchen, das gilt auch für Brandmeldeanlagen», sagt Schäfer.
Viele Hilfsangebote aus dem ganzen Bundesland
Was passiert jetzt, wenn es in Stadtallendorf wieder brennt? «Wir kriegen aus ganz Hessen Hilfsangebote, Unterstützungsangebote und Anfragen, wie man uns helfen kann», so Schäfer. Man arbeite mit Hochdruck an einem Plan, damit Stadtallendorf den «Grundschutz» möglichst bald wieder selber sicherstellen könne, ohne auf andere Kommunen zurückgreifen zu müssen. So würden vom Landkreis ein Logistikfahrzeug und ein Kommandowagen bereitgestellt und die Gemeinde Ebsdorfergrund entsende ein Katastrophenschutzfahrzeug. Auch eine Miet-Drehleiter und Mietfahrzeuge würden organisiert. Für Unterbringungsmöglichkeiten gebe es ebenfalls bereits Ideen. «Wir fangen jetzt schon an, im Hintergrund stark zu wirbeln, damit wir das alles wieder in die Bahnen kriegen.»
Bis zu 170 Einsatzkräfte kämpfen gegen Flammen
Wie die Polizei mitteilte, hatten in der Nacht zunächst ein Fahrzeug und dann das komplette Gebäude gebrannt. Wegen der Löscharbeiten sperrten die Beamten den Unglücksort weiträumig ab, die Anwohner sollten Fenster und Türen geschlossen halten.
Nach Angaben eines Sprechers des Kreises Marburg-Biedenkopf waren rund 170 Einsatzkräfte vor Ort, darunter Feuerwehren aus mehreren Kommunen des Landkreises sowie des Rettungsdienstes vor Ort. An dem Stützpunkt selbst gab es 52 Einsatzkräfte, wie Schäfer ergänzte.
Große Bestürzung in der Landesregierung
Hessens Innenstaatssekretär Martin Rößler (CDU) zeigte sich bestürzt. «Die gesamte Fahrzeughalle ist bis auf den Boden abgebrannt. Es stehen allein noch die Fahrzeuggerippe. Es zeigt sich ein katastrophales Bild der Zerstörung», erklärte er nach einem Besuch vor Ort. «Erfreulicherweise konnte der Sozialtrakt gerettet werden», ergänzte Rößler. Der Großbrand sei ein schwerer Schlag für die gesamte Feuerwehrgemeinschaft und für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
«Dank der hohen Professionalität aller Einsatzkräfte konnte Schlimmeres verhindert werden», erklärte Rößler. Der Brandschutz werde bis auf Weiteres von umliegenden Feuerwehren aufrechterhalten. Das Land prüfe derzeit, wie es die Kameradinnen und Kameraden vor Ort unterstützen könne.
Betroffenheit auch unter der Bevölkerung
Der Bürgermeister von Stadtallendorf Christian Somogyi (SPD) brach seinen Herbsturlaub ab und machte sich auf den Weg zurück in die Heimat. Die Nachricht sei ein Schock gewesen, sagte er der dpa. Der Brand habe eine große Betroffenheit in der Bevölkerung ausgelöst. Der 16 Millionen Euro teure Neubau des Feuerwehrstützpunktes sei «ein Schmuckstück» gewesen, sagte Somogyi. Als Industriestandort habe Stadtallendorf ein neues Gerätehaus benötigt. Zwischen den Garagen für die vollgetankten Feuerwehrwagen und dem Sozialtrakt habe es eine Brandschutzmauer gegeben.
Nun gehe es darum, mithilfe der Nachbarkommunen den aktuellen Brandschutz sicherzustellen, sagte Somogyi. Die nächsten Schritte würden in enger Abstimmung mit den Feuerwehrkameraden erfolgen. «Da hängt ja auch Herzblut dran», betonte der Bürgermeister.