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Appell gegen Ausgrenzung: Neuer Landtag hat Premiere

Der neue Brandenburger Landtag hat seine erste Sitzung ohne Pannen wie in Thüringen absolviert. Die Rufe nach einem anderen Umgang miteinander werden lauter.
Konstituierende Sitzung Landtag Brandenburg
Konstituierende Sitzung Landtag Brandenburg

Die Präsidentin des Brandenburger Landtags, Ulrike Liedtke, hat in der ersten Sitzung des neuen Parlaments mehr Miteinander und eine Absage an Rechtsextremismus gefordert. «Nach diesem Wahlergebnis wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, zu einigen, womöglich auch zu versöhnen», sagte sie nach ihrer Wiederwahl. «Dazu muss keine Brandmauer eingerissen werden. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind und bleiben abscheulich. Aber nicht alle Anhänger populistischer Organisationen sind rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch.»

SPD und AfD sind nach der Wahl vor dreieinhalb Wochen gestärkt, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist neu, die CDU-Fraktion kleiner geworden. Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler sind nicht mehr vertreten. Die AfD, die zweitstärkste Kraft wurde, hat wie in Thüringen mehr als ein Drittel der Mandate und kann damit Entscheidungen wie Verfassungsänderungen verhindern, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist.

Die Sitzung verlief geordnet und ohne Krise wie beim Auftakt des Thüringer Landtags Ende September. AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler hatte Abgeordneten das Wort entzogen und Abstimmungen nicht zugelassen. Er hielt sich erst nach einem Spruch der Verfassungsrichter an die Regeln.

Landtagspräsidentin wirbt für Mitmenschlichkeit

Präsidentin Liedtke will den Landtag zum «Labor des Wandels für die Demokratie in Deutschland» machen. «Es geht um eine menschenfreundliche, eine mitmenschliche Politik, für ein vielfältiges, tolerantes, weltoffenes Brandenburg», sagte sie. Man könne «sich abgrenzen, ohne Menschen auszugrenzen». Für den ersten Satz erhielt sie Applaus von allen Fraktionen bis auf die AfD.

Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein und manche AfD-Landtagsabgeordnete als rechtsextrem - ihre Zahl ist unklar.

Die 65-jährige Liedtke erhielt bei der Wahl 70 Ja-Stimmen von 85 gültigen Stimmen der Abgeordneten. Sie warb dafür, dass der Landtag ein offenes Haus «ohne Röntgengeräte wie auf Flughäfen» bleibt. Der Landtag solle gesellschaftliches Zentrum in Brandenburg und Begegnungsort mit Bürgerinnen und Bürgern sein.

BSW-Alterspräsident will mehr Friedensbemühungen

Alterspräsident Reinhard Simon vom BSW eröffnete die Sitzung. «Einen fröhlichen guten Morgen», rief er allen zu und warb für die Forderung seiner Partei nach mehr Bemühungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs. «Auch in unserer Brandenburger Verfassung steht, dass unser Land dem Frieden verpflichtet ist und nicht etwa der Aufrüstung», sagte der 73-Jährige. Er appellierte an die Gemeinden, den Dialog über Städtepartnerschaften etwa mit russischen Gemeinden wiederzubeleben. Derzeit verhandeln SPD und BSW in Brandenburg über eine mögliche Koalition. 

Der frühere Schwedter Theaterintendant forderte mehr Offenheit im Parlament. «Gewähren wir den politischen Mitbewerbern, dass auch sie mal zutreffende Dinge beitragen können», sagte Simon. Mehr Respekt hält er auch gegenüber Ostdeutschen für notwendig. «Ich persönlich bin der Meinung, man sollte uns aus den neuen, 34 Jahre alten Bundesländern nicht als Beitrittsgebiet behandeln», sagte Simon.

AfD-Kandidat braucht zwei Wahlgänge

Die AfD ist wieder mit einem Vizepräsidenten vertreten - das klappte erst im zweiten Anlauf. Der Abgeordnete Daniel Münschke erhielt im zweiten Wahlgang 41 von 86 gültigen Stimmen. Mit Nein votierten 34 Abgeordnete, 11 enthielten sich. Der Landtag verständigte sich auf drei Vizeposten - damit sind alle Fraktionen in der Landtagsspitze vertreten.

Die BSW-Abgeordnete Jouleen Gruhn und der CDU-Parlamentarier und Verkehrsminister Rainer Genilke wurden im ersten Durchgang zu Vizepräsidenten gewählt. Für Gruhn stimmten 72 Abgeordnete, mit Nein votierten 5 Abgeordnete bei 9 Enthaltungen. Genilke erhielt 73 Ja-Stimmen, 7 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen.

Präsidium ist komplett gewählt

Als weitere Mitglieder des Präsidiums wählte der Landtag von der SPD Fraktionschef Daniel Keller mit 60 Ja-Stimmen und den Parlamentarischen Geschäftsführer Ludwig Scheetz mit 64 Ja-Stimmen. Von der AfD wurden der Fraktionsvorsitzende Hans-Christoph Berndt mit 44 Ja-Stimmen und der Parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch mit 42 Ja-Stimmen gewählt. Beide stuft der Verfassungsschutz bisher als rechtsextrem ein. Ins Präsidium wurde auch BSW Fraktionschef Robert Crumbach mit 69 Ja-Stimmen gewählt.

Regierung ist geschäftsführend im Amt

Die rot-schwarz-grüne Brandenburger Landesregierung bleibt bis zur Vereidigung der künftigen Koalition geschäftsführend im Amt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) überreichte den Ministerinnen und Ministern die Entlassungsurkunden, weil ihre Amtszeit mit der ersten Sitzung des neuen Landtags offiziell endet. Er bat sie, vorerst weiterzumachen. Mit der ersten Sitzung des neuen Landtags beginnt eine dreimonatige Frist, bis zu der der neue Ministerpräsident vereidigt sein muss.

© dpa ⁄ Oliver von Riegen und Monika Wendel, dpa
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