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Katholikentag gibt Lektionen für Krisengespräche

Wie miteinander reden, wenn es kriselt? Der Katholikentag zeigt wie's geht - und wie nicht. Das bekommt auch Bundeskanzler Olaf Scholz zu spüren.
Podiumsdiskussion
Protest
Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz geriet einen Moment ins Schwärmen. «Ich mach' das gerne übrigens - das Liebste, was ich tue, sind eigentlich Bürgergespräche», meinte der Kanzler beim Katholikentag. Dabei war das Thema ernst im Theater Erfurt: «Gemeinschaft stärken, Gesellschaft gestalten - Unsere Verantwortung für die Demokratie». Es ging um die großen Krisen in einer Zeit von Misstrauen, Hass und Hetze. Und ein komplizierter Moment lag schon hinter Scholz an diesem Morgen.

Denn nach etwa zehn Minuten der Podiumsdiskussion begannen Aktivisten der Protestgruppe Letzte Generation, aus dem Publikum von etwa 800 Menschen heraus Slogans zu rufen. «Demokratie braucht Ehrlichkeit» und «Ist Ihnen meine Zukunft egal?» - damit fing es an.

Scholz blieb stoisch, versuchte es didaktisch: «Sie müssen jetzt langsam mal ganz kurz den Mund halten», sagte er auf der Bühne. «Dann gehe ich auf die Frage ein.» Es half nichts.

Die Aktivisten schrien weiter, zu verstehen war kaum etwas. Sie rollten ein Banner der Letzten Generation aus und stimmten Sprechchöre an: «Wo, wo, wo ist der Klimakanzler?» Scholz drang nicht mehr durch. Die Moderatorin unterbrach die Veranstaltung für drei Minuten. Der Kanzler und seine Mitdiskutierenden schwiegen. Da fing das Publikum an zu singen, erst an einer Ecke, dann im ganzen Saal: «Herr, gib uns deinen Frieden». Und es wurde tatsächlich friedlicher. Später erklärten die Veranstalter, man habe versucht, mit den Aktivisten zu reden, aber Dialog sei nicht möglich gewesen. Deshalb habe man sie herausführen müssen.

«Jeder muss seine Meinung sagen können»

Kommunikation in diesen Zeiten, einander zuhören, den Austausch suchen - die Szene auf dem Katholikentag zeigt vielleicht am besten, wie schwierig das inzwischen alles ist. Scholz selbst sagte anfangs, gefragt nach den grölenden jungen Leuten auf Sylt, nach der Bedrohung von rechts, nach Einschüchterung von Politikern: «Wir müssen den öffentlichen Raum verteidigen, dass jeder an jeder Stelle in Deutschland seine Meinung sagen kann», sagte der Kanzler. In diesem Sinne fanden dann auch die Klimaaktivisten einen Moment Gehör. Ob ihre Botschaft durchdrang, ist eine andere Frage.

Ob überhaupt noch irgendwer durchdringt jenseits der eigenen Blase, das treibt auch den Kanzler um, wie er sagte. An einer Stelle der Diskussion wurde er gefragt, ob auch die Ampel-Koalition Fehler in der Kommunikation mache. Scholz antwortete mit einem einfachen: «Tja.»

Scholz wurde auch in Erfurt wieder nach den besonders drängenden Themen gefragt, nach einem AfD-Verbot, nach dem Kampf gegen den Klimawandel, nach dem Einsatz deutscher Waffen im Ukraine-Krieg. Er antwortete ausführlich, skizzierte die großen Zusammenhänge: Bei der Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression gehe es um Besonnenheit. Beim Klimaschutz müsse man alle mitnehmen. Deutschland mit seinen unglaublichen Fähigkeiten habe Grund zur Zuversicht. Viel Neues erfuhr man nicht im Erfurter Theater. Doch dem Wohlwollen des Publikums tat das keinen Abbruch. Vielleicht geht es ja darum, zumindest den Versuch von Kommunikation zu starten, immer wieder.

Habeck gewinnt mit einer Entschuldigung

Die Erfahrung machte auch Vizekanzler Robert Habeck, der zeitgleich auf einem anderen Podium in der thüringischen Landeshauptstadt saß. Thema: Wie die sozial-ökologische Transformation beschleunigt werden könne. Der Grünen-Politiker wurde mit lautem Beifall in der voll besetzten Alten Oper empfangen. Und sammelte dann gleich weitere Pluspunkte bei den Gästen: Er entschuldigte sich, dass er offenbar zum ersten Mal auf einem Katholikentag dabei sei. Das sei ein «Versäumnis der Vergangenheit», sagte der Wirtschaftsminister, der sich in einem Interview einmal selbst als «säkularer Christ» bezeichnet hat.

Auch bei Habeck ging es um die großen Fragen, um den Kampf gegen den Klimawandel, sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit. Und es ging ums große Ganze: Habeck hob die aus seiner Sicht besondere Funktion der Kirchen als Hoffnungsgeber dafür hervor, dass es möglich sei, eine bessere Welt aufzubauen.

Furcht vor verschärfter Polarisierung

Die Sorge um den Verlust einer rücksichtsvollen Diskussionskultur bei einem gerade für die katholische Kirche sensiblen Thema äußerte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. «Wir haben eine Unruhe-Situation in der Thematik», sagte sie bei einem Podium zum Umgang mit Abtreibung. Die Frage sei: «Was können auch wir als Christinnen mit unserer Haltung dazu beitragen, dass sich da nicht eine Polarisierung verschärft?» In anderen Kulturen wie in den USA sei genau das schon der Fall.

© dpa ⁄ Marie-Helèn Frech und Verena Schmitt-Roschman, dpa
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