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Vier israelische Geiseln aus dem Gazastreifen gerettet

Israels Militär befreit vier Geiseln aus dem Gazastreifen. In Israel protestieren Menschen für ein Abkommen im Gaza-Krieg. Die Ereignisse im Überblick.
Flüchtlingslager Nuseirat
Israelische Streitkräfte haben vier Geiseln aus dem Flüchtlingslager Nuseirat im zentralen Gazastreifen befreit. © Marwan Daoud/XinHua/dpa

Bei einer gewaltsamen Befreiungsaktion im Zentrum des Gazastreifens haben die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben vier Geiseln aus monatelanger Gefangenschaft gerettet. Die von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln seien am Samstag bei zwei Einsätzen im Flüchtlingsviertel Nuseirat befreit worden, teilte das Militär mit. Die Nachricht von ihrer Befreiung löste unter den Menschen in Israel große Freude aus.

Am Abend forderten allerdings bei regierungskritischen Protesten im ganzen Land wieder Zehntausende ein Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der 120 verbliebenen Entführten. Die Palästinenser im Gazastreifen beklagten Dutzende Tote.

Der Einsatz bei Tageslicht in Nuseirat sei mehrere Wochen vorbereitet worden, sagte Armee-Sprecher Peter Lerner. Er sprach von einer komplexen und auch riskanten Aktion der Spezialeinheiten. «Der Schlüsselfaktor war der Überraschungsangriff.» Die beiden von der Hamas bewachten Wohngebäude, in denen sich die Geiseln befunden hätten, lägen nur ein paar 100 Metern voneinander entfernt.

Nach einem Bericht der «New York Times» half ein Team von US-Experten für die Geisel-Befreiung in Israel bei der Vorbereitung der Aktion, indem sie Informationen und «andere logistische Unterstützung» bereithielten. Die Zeitung berief sich dabei auf einen amerikanischen Informanten.

Bei Musikfestival im Oktober entführt

Bei den Befreiten handelte es sich den Angaben zufolge um eine 26 Jahre alte Frau und drei Männer im Alter von 22, 27 und 41 Jahren. Sie seien am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival verschleppt worden, hieß es. Damals drangen Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen in den Süden Israels ein, töteten mehr als 1200 Menschen und nahmen über 250 Geiseln. Das Massaker löste den Krieg in dem Küstengebiet aus.

Der israelische Militärsprecher Hagari sagte, es befänden sich noch 120 Geiseln der insgesamt mehr als 250 aus Israel verschleppten Menschen im Gazastreifen. Es wird befürchtet, dass ein Großteil von ihnen nicht mehr am Leben ist.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 36.000 Menschen getötet und weitere über 83.000 Personen verletzt. Diese Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich derzeit nicht unabhängig verifizieren. Israels Armee steht wegen ihres Vorgehens im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer international stark in der Kritik.

Kritik an Netanjahu: Trifft nur befreite Geiseln

Netanjahu ist in die Kritik geraten, weil er sich medienwirksam mit befreiten Geiseln, nicht aber mit Opferfamilien getroffen hat. «Wenn man Ministerpräsident ist, dann ist man Ministerpräsident der Erfolge und der Niederlagen», sagte Oppositionsführer Jair Lapid am Sonntag dem israelischen Kan-Sender. «Nur dann Regierungschef zu sein, wenn alles klappt, und zu verschwinden, wenn alles nicht so läuft, wie man will, das ist erbärmlich.»

Vater einer Geisel stirbt nur Stunden vor deren Befreiung

Der Vater einer aus dem Gazastreifen befreiten Geisel ist nur Stunden vor der Rückkehr seines Sohnes gestorben. Der 22-jährige Almog Meir Jan wurde am Samstag bei einem Armee-Einsatz nach acht Monaten Geiselhaft befreit. Sein Vater wurde jedoch nach seiner Befreiung tot aufgefunden, wie der israelische Kan-Sender am Sonntag berichtete. Der 57-Jährige Jossi Jan sollte am Sonntagnachmittag beigesetzt werden. 

Drohung der Hamas

Der Hamas-Sprecher Abu Obaida drohte nach der Befreiung der Geiseln auf Telegram, «die Operation wird eine große Bedrohung für die Gefangenen des Feindes darstellen». Sie könne sich negativ auf ihr Leben auswirken, sagte Obaida, der dem militärischen Flügel der Hamas - den Al-Kassam-Brigaden - zugerechnet wird.

Über die Zahl der Todesopfer infolge der Befreiungsaktion herrschte Unklarheit. Nach Angaben einer Behörde der islamistischen Hamas wurden 210 Palästinenser getötet. In Nuseirat seien zudem rund 400 Menschen verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde sowie medizinische Kreise im Gazastreifen hatten zuvor von 55 Toten gesprochen. Israels Armee-Sprecher Hagari wiederum sprach am Abend von weniger als 100 Todesopfern. «Ich weiß nicht, wie viele davon Terroristen sind», sagte er.

Nach Darstellung des militärischen Arms der Hamas sollen bei der Rettung auch einige Geiseln getötet worden sein. Die Angaben der Terrororganisation ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee teilte dazu mit, die Hamas setze psychologischen Terror ein, um ihre Ziele zu erreichen. «Dementsprechend sollten ihre Aussagen mit begrenzter Verbindlichkeit betrachtet werden.»

Der Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, bezeichnete Israels jüngste Einsätze in Gaza als «Massaker» an den Palästinensern. «Der Feind setzt sein Massaker gegen unser Volk, unsere Kinder und Frauen, in Nuseirat und Deir al-Balah fort», teilte Hanija mit. Israel habe «militärisch, politisch und moralisch versagt». Es blieb unklar, ob er sich direkt auf die Nachricht über die Befreiung der Geiseln aus Gewalt der Hamas bezog.

Kundgebungen in Israel

Nach der Befreiung versammelten sich in Israel zahlreiche Menschen, um einen Geisel-Deal sowie Neuwahlen zu fordern. Bei einer Hauptkundgebung in der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich örtlichen Medien zufolge Zehntausende. Auch in Haifa und Jerusalem kamen demnach jeweils tausende Demonstranten zusammen.

Bei den Protesten in Tel Aviv kam es den Berichten zufolge zu Zusammenstößen mit der Polizei. Wie die Internet-Zeitung «The Times of Israel» unter Berufung auf die Polizei berichtete, wurden 33 Protest-Teilnehmer, die eine Straße blockieren wollten, festgenommen. Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung und für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Geisel-Befreiung international begrüßt

EU-Chefdiplomat Josep Borrell begrüßte die Befreiung der israelischen Geiseln bei einem Militäreinsatz im Gazastreifen, äußerte sich aber gleichzeitig angesichts der Berichte über ein «Massaker an Zivilisten» entsetzt. «Das Blutbad muss sofort beendet werden», forderte er auf der Plattform X. «Die Berichte aus Gaza über ein weiteres Massaker an Zivilisten sind entsetzlich.» Zur Befreiung der Entführten erklärte er: «Wir teilen die Erleichterung ihrer Familien und fordern die Freilassung aller verbleibenden Geiseln.»

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte ihre Hoffnung auf ein Ende des Gaza-Kriegs. «Die Hamas hat es in der Hand und muss dem Vorschlag für ein Abkommen über eine Feuerpause zustimmen», sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Es liegt auf dem Tisch und kann der Einstieg in das Ende des Kriegs sein.»

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor die Befreiung als «wichtiges Zeichen der Hoffnung» bezeichnet. Die Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen, und der Krieg müsse enden.» Auch US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron begrüßten die Befreiung der Geiseln.

Proteste in Washington

Bei einem Protest vor dem Weißen Haus in der US-Hauptstadt Washington erinnerten in rot gekleidete Menschen mit einem langen roten Banner an die «rote Linie», die US-Präsident Biden im März mit Blick auf eine großangelegte Bodenoffensive der israelischen Armee in der Stadt Rafah ausgesprochen hatte. Auf Plakaten wurde unter anderem eine Waffenruhe gefordert und der Stopp von US-Waffenlieferungen an Israel. Es wurde auch der Vorwurf des Völkermords erhoben. Der Protest war am Nachmittag aber friedlich, wie eine dpa-Reporterin vor Ort berichtete. Ein Polizist schätzte die Teilnehmerzahl auf Nachfrage auf «einige Tausend» ein, konnte aber keine genaueren Angaben machen.

© dpa
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