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Öl als «Geschenk Gottes»? - Gastgeber schockt Klimagipfel

Die Klimakonferenz im vergangenen Jahr sollte die Abkehr von Kohle, Öl und Gas besiegeln. Nun ist wieder Klimakonferenz - und die fossile Industrie präsenter denn je.
Weltklimakonferenz COP29 in Baku
Raffinerie
Weltklimakonferenz COP29 in Baku

Trotz aller Appelle auf der Weltklimakonferenz scheint die Macht der klimaschädlichen fossilen Industrie kaum zu bröckeln. Konzerne fördern Öl und Gas in historischem Ausmaß und der Präsident des Klimagipfel-Gastgeberlandes Aserbaidschan, Ilham Aliyev, preist die fossilen Energieträger gar als «Geschenk Gottes».

Keinem Land sollte vorgeworfen werden, Öl und Gas zu haben und es auf den Markt zu bringen, betonte Aliyev vor der im Kampf gegen die Klimakrise versammelten Weltgemeinschaft. «Uns anzuklagen, dass wir Öl haben ist so, als wenn man uns anklagt, dass Baku mehr als 250 Sonnentage im Jahr hat.»

Aussage zu Öl und Gas ein «Schlag ins Gesicht»

Der Chef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, reagierte nach dieser Aussage entsetzt: «Sie ist ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen und der Länder, denen das Wasser bereits buchstäblich bis zum Hals steht» - wie etwa den pazifischen Inselstaaten und vielen anderen Staaten. 

In der Wissenschaft gibt es einen klaren Konsens: Sollen die katastrophalsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden, dürfen keine neuen Projekte zur Förderung von Kohle, Öl und Gas mehr entstehen. 

Auf der letztjährigen UN-Klimakonferenz in Dubai hatten sich alle Staaten erstmals grundsätzlich auf eine Abkehr von diesen klimaschädlichen Energieträgern verpflichtet. 

Historische Förderung von Öl und Gas

Die Realität ist von diesem Ziel weit entfernt: Die Öl- und Gasproduktion der großen Förderunternehmen weltweit hat einer Analyse von Umweltorganisationen zufolge 2023 einen Höchststand erreicht. Das geht aus der «Global Oil & Gas Exit List» hervor, die die Organisation Urgewald gemeinsam mit mehr als 30 Partnern jährlich aktualisiert. 

Demnach förderten die erfassten Unternehmen – die 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion ausmachen – im vergangenen Jahr 55,5 Milliarden Barrel Öl-Äquivalent. Dies lag den Angaben zufolge über den bisherigen Höchstwerten, die vor der Corona-Pandemie erreicht wurden. 2019 entsprach dieser Wert 55,01 Milliarden Barrel Öl-Äquivalent. Mit der Einheit werden Energieträger vergleichbar gemacht: Es geht um die Energiemenge, die beim Verbrennen von einem Barrel Erdöl freigesetzt wird.

Shell gewinnt vor Gericht gegen Klimaschützer

Gestärkt wurde die Öl- und Gasindustrie auch durch einen Sieg vor Gericht, den der britische Konzern Shell gegen Klimaschützer erzielte: Der Konzern muss nach der Entscheidung der Richter doch nicht seinen CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. Ein Zivilgericht in Den Haag hob ein Urteil der ersten Instanz auf und wies die Klage von Umweltschützern ab. Das Verfahren in Den Haag hatte nach dem historischen Sieg der Klimaschützer in erster Instanz weltweit Aufmerksamkeit erregt. Eine neue Verurteilung von Shell hätte Folgen auch für andere Unternehmen haben können. 

UN-Generalsekretär António Guterres nannte es parallel in Baku «absurd», noch auf fossile Energie zu setzen. «Die Reichen verursachen das Problem, die Ärmsten zahlen den höchsten Preis.» Der UN-Chef rief die Staaten der Welt dazu auf, ihre Versprechen einzulösen und aus den klimaschädlichen fossilen Energien auszusteigen. Besonders die Industriestaaten der G20-Gruppe sieht er dabei in der Verantwortung.

Scholz und Kollegen lassen Klimagipfel aus

Aus diesen Staaten fehlten gleich mehrere Staats- und Regierungschefs auf der Bühne in Baku. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fehlten auch US-Präsident Joe Biden, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Am Tag, für den eigentlich sein Besuch in Baku geplant war, äußerte sich der im Regierungschaos gefangene Scholz lediglich schriftlich zu einem von ihm in den vergangenen Jahren angestoßenen Klima-Club aus einigen Dutzend Staaten. 

Stattdessen äußerten sich vor dem Plenum in Baku Politikerinnen und Politiker aus Staaten, die die Klimakrise besonders heftig zu spüren bekommen: Die Präsidentin der vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Marshallinseln, Hilda Heine, fragte etwa, ob und wann Staaten und Firmen zur Rechenschaft gezogen würden, die immer noch auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas setzen. «Die Geschichte wird über diejenigen urteilen, die bei dem Übergang versagen.» Manche dächten offenbar, sie seien selbst immun gegen die Zerstörungen vor ihrer Haustür.

© dpa ⁄ Larissa Schwedes und Torsten Holtz, dpa
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