Wie an Perlenschnüren springen Hunderte Fallschirmjäger an der Südostflanke der Nato aus 14 grauen Transportflugzeugen: Mit der größten Luftlandeübung in Europa seit dem Bestehen der Nato hat das Militärbündnis ein Signal der Abschreckung an Russland gesendet. Dabei wurden mehr als 1400 Fallschirmjäger aus sieben Nationen eingesetzt, um den - einem Übungsszenario folgend - von feindlichen Kräften besetzten rumänischen Militärflughafen Campia Turzii wieder freizukämpfen, wie Nato-Offiziere sagten.
Die Fallschirmjägerübung «Swift Defender» ist Teil der Nato-Übungsserie «Steadfast Defender». Der deutsche Generalmajor Dirk Faust, der die Übung mit seiner Division Schnelle Kräfte (DSK) der Bundeswehr führt, sagte: «Wir senden ein ganz klares Signal insgesamt mit der Übung "Steadfast Defender", dass wir jederzeit sehr schnell einsatzbereit sind, Kräfte in Räume zu bringen, wo sie gebraucht werden und jeglichen Gegner von einer Aggression abschrecken.»
Die in dem Manöver von Ungarn aus gestarteten Fallschirmjäger landeten am frühen Abend in drei sogenannte Drop Zones - Absetzräume für Fallschirmjäger - und wurden von ihrem Übungsgegner - rumänische Soldaten übernahmen diese Rolle - bereits beschossen, während sie sich noch mit Waffen und Ausrüstung zu Sammelpunkten rannten. «Ich habe noch von keinen eigenen Verwundeten oder Toten gehört. Ich habe nur gehört, dass zwei feindliche gepanzerte Fahrzeuge vernichtet wurden», gab Oberfeldwebel Marco (28), der aus der ersten Maschine gesprungen war, den Stand der Übung in der ersten Stunde wieder. Im Hintergrund feuerten bereits Waffen mit Übungsmunition. Schiedsrichter bewegten sich zwischen den Kämpfenden und entschieden im laufenden Gefecht über den Ausgang.
Insgesamt rund 90.000 Soldaten mobilisiert
Die Nato reagiert mit «Steadfast Defender» auf die veränderte sicherheitspolitische Lage, die sich aus dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ergibt. Insgesamt werden während mehrerer Monate rund 90.000 Soldaten mobilisiert, die die Alarmierung, das Verlegen großer Truppenteile und die Abwehr eines Angreifers im Gefecht üben.
Annahme für die Übung in Rumänien ist es, dass angreifende Soldaten bereits in dem Nato-Staat sind. «Dieser Gegner ist durch die rumänischen Kräfte zum Halten gebracht worden. Es ist allerdings dem Gegner gelungen, im Rahmen einer Luftlandeoperation einen Flughafen zu nehmen - als Voraussetzung für seine weiteren Operationen», sagte Faust.
Seine Division steuert diese Übung mit insgesamt etwa 4500 Teilnehmern in Ungarn und Rumänien. In der Division Schnelle Kräfte sind unter anderem Gebirgsjäger, Fallschirmjäger und Hubschrauber-Kräfte, aber auch das Kommando Spezialkräfte (KSK). Faust hat auch eine niederländische Luftlandebrigade unter seinem Kommando. Der Division Schnelle Kräfte ist auch die 81. Rumänische Brigade unterstellt, mit der regelmäßig geübt wird. Sie ist am Manöver beteiligt.
Soldaten der Division Schnelle Kräfte waren in den vergangenen Jahren wiederholt im Ausland im Einsatz, so in Afghanistan und zuletzt auch bei dem Evakuierungseinsatz inmitten des blutigen Machtkampfes im Sudan. Sie können in kurzer Zeit zum Einsatz kommen. «Wir reden hier von ersten Kräften nach 24 bis 48 Stunden und Hauptkräften nach 72 bis 96 Stunden», sagte Faust. Deutschland hält solche Verbände für die Krisenvorsorge in Bereitschaft, also auch den Schutz oder die Rettung von Deutschen im Ausland.
Landes- und Bündnisverteidigung wieder bedeutsam
Nun wird auch die Landes- und Bündnisverteidigung wieder bedeutsam, auf absehbare Zeit die wohl wichtigste Aufgabe der Bundeswehr. Dabei gelten Soldaten wie die in Rumänien eingesetzten Fallschirmjäger als «Kräfte der ersten Stunde», die sogenannte Schlüsselräume, Schlüsselgelände und Schlüsselinfrastruktur in Besitz nehmen.
Wegen des Wetters und weil die Streitkräfte im Frieden Risiken minimieren, war die Übung um 24 Stunden verschoben worden. «Wie Sie wissen, ist der Plan im Kampf das erste Opfer», sagte der rumänische Brigadegeneral Daniel Pop dazu während der Übung - und wurde dann ernst. «Es beginnt der 27. Monat, seit der Kreml einen brutalen und grundlosen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat», sagte er. Mehrfach habe es Angriffe auf ukrainischer Seite der Grenze gegeben, was die Sicherheitslage im gesamten Schwarzmeerraum störe. Er sagte: «Diese Übung hier zeigt die Fähigkeit des Bündnisses, schnell und effektiv auf eine Krisensituation in der Schwarzmeerregion zu reagieren.»