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Ende einer langen Odyssee: Assange ist zurück in Australien

Letzter Akt in der Saga um Julian Assange: Nach einem großen Finale auf einer Pazifikinsel ist der Wikileaks-Gründer in Australien gelandet. Aber die lange Haft hat Spuren hinterlassen.
Julian Assange
Durch den Justiz-Deal bleibt Assange (M) ein Prozess und potenziell weitere Haft in den USA erspart. © Eugene Hoshiko/AP/dpa

Nach 14 Jahren juristischer Odyssee ist Wikileaks-Gründer Julian Assange als freier Mann nach Australien heimgekehrt. Der 52-Jährige landete mit einer Chartermaschine in der Hauptstadt Canberra. Zahlreiche Unterstützer jubelten, als Assange die Chartermaschine verließ. Der Australier winkte den Menschen lächelnd zu und reckte mehrmals eine Siegerfaust in den Himmel. Dann gab es ein emotionales Wiedersehen mit seiner Familie.

Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie der 52-Jährige kurz nach der Ankunft seine Ehefrau Stella in den Arm nahm - zum ersten Mal in Freiheit. Die Beziehung der beiden begann erst, nachdem sich der Whistleblower seit 2012 sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt hatte. Gleich darauf konnte er auch seinen Vater John Shipton umarmen.

Ein US-Gericht auf der Marianen-Insel Saipan - einem US-Außengebiet im Westpazifik - hatte zuvor einen Deal zwischen dem Australier und der amerikanischen Justiz im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen abgesegnet. «Es sieht so aus, als würde dieser Fall mit mir hier in Saipan enden», sagte Richterin Ramona Manglona bei der Urteilsverkündung.

Premier setzte sich persönlich ein

Im Gegenzug für ein teilweises Schuldbekenntnis ist Assange wegen seiner bereits in Großbritannien verbüßten Haft ab sofort auf freiem Fuß. Besonders der australische Premierminister Anthony Albanese hatte sich immer wieder, auch auf höchster Ebene, für eine Lösung in dem juristischen Tauziehen starkgemacht. «Ich habe Herrn Assange nie getroffen. Dennoch hatte ich heute Abend ein sehr herzliches Gespräch mit ihm», sagte der Regierungschef.

«Julian hat ihm und dem ganzen Team gedankt und dem Premierminister gesagt, dass er ihm das Leben gerettet hat», sagte die australische Menschenrechtsanwältin Jennifer Robinson, die mit Assange nach Canberra geflogen war, vor Journalisten. «Ich glaube nicht, dass das eine Übertreibung war», fügte sie hinzu.

Assange ist der Protagonist eines großen Spionageskandals. 2006 hatte er die Enthüllungsplattform Wikileaks gegründet - mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen und verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Von 2010 an veröffentlichte Wikileaks geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan der Whistleblowerin Chelsea Manning. Die USA warfen Assange daraufhin vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Für erneuten Ärger sorgte, dass Wikileaks wenige Wochen vor der US-Wahl im Jahr 2016 gehackte E-Mails aus dem Team der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton veröffentlichte - die daraufhin die Wahl gegen Donald Trump verlor.

Letzter Akt auf der Tropeninsel

Der Kontrast zwischen der kleinen Gefängniszelle im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem der Whistleblower die letzten fünf Jahre verbracht hat, und der pazifischen Trauminsel Saipan - wo sich der letzte Akt der Saga abspielte - hätte nicht größer sein können. Nachdem sich die Ereignisse seit Montag überschlagen hatten, fand sich Assange nur zwei Tage später unter blauem Tropenhimmel und in der Nähe von palmengesäumten Stränden wieder.

Von London Stansted war er am Montag mit einer Chartermaschine zunächst nach Bangkok geflogen und von dort am Dienstagabend in das US-Außengebiet gestartet. Die Flugnummer VJT199, die Wikileaks zuvor in sozialen Medien genannt hatte, war seit Tagen die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung. Der Flug kostete nach Angaben von Stella Assange 520 000 US-Dollar (etwa 486 000 Euro). Einen Linienflug durfte ihr Mann demnach nicht nehmen. Das Geld für den Flug muss Assange der australischen Regierung zurückzahlen - Wikileaks sammelt hierfür bereits Spenden.

Geplante Stellungnahme fällt zunächst aus

Den Gemütszustand ihres Mannes hatte Stella Assange, die den Australier 2022 während seiner Haft geheiratet hatte und zwei Kinder mit ihm hat, zuvor auf X so beschrieben: «Ich sehe mir die Aufnahmen an und denke daran, wie groß die Reizüberflutung sein muss, wenn er nach Jahren der sensorischen Deprivation in den vier Wänden seiner Hochsicherheitszelle im Belmarsh-Gefängnis jetzt durch das Gedränge der Presse geht.»

Eine angekündigte Stellungnahme von Assange fiel somit auch erst einmal aus. «Julian wollte, dass ich mich bei allen aufrichtig bedanke. Er wollte hier sein, aber man muss verstehen, was er durchgemacht hat. Er braucht Zeit. Er muss sich erholen», sagte Stella Assange. «Ich bitte Sie, geben Sie uns Raum, geben Sie uns Privatsphäre, damit wir unseren Platz finden, lassen Sie unsere Familie eine Familie sein, bevor er zu einem Zeitpunkt seiner Wahl wieder sprechen kann.»

Misstrauen gegenüber den USA

Wegen der Spionagevorwürfe hätten Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Stattdessen handelte er nun einen Deal aus und bekannte sich der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig. In die USA wollte Assange zur Absegnung des Deals aber partout nicht - zu groß war wohl das Misstrauen. Stattdessen flog er auf die beschaulichen Marianen, die zwar zu den USA gehören, aber deutlich näher an seiner australischen Heimat liegen.

Richterin Ramona Manglona legte am Morgen (Ortszeit) fest, dass als Strafmaß jene Zeit gilt, die der Internetaktivist bereits in der Haft in London verbüßt hat. Damit ist er frei. Das US-Justizministerium bestätigte in einer Mitteilung, dass der Fall offiziell abgeschlossen sei.

«Historischer Tag»

«Ich hoffe, die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, gibt allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung», sagte Menschenrechtsanwältin Robinson und sprach von einem «historischen Tag».

Es ist das abenteuerliche Ende einer langen Odyssee. Vor seiner aufsehenerregenden Festnahme im April 2019 hatte sich Assange sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt und so dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.

Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker setzten sich derweil unermüdlich für seine Freilassung ein. Er sei überzeugt, dass sich auch die meisten Australier über die Freilassung Assanges freuten, sagte Premier Albanese. «Es mag unterschiedliche Ansichten über die Aktivitäten von Herrn Assange geben, aber sie werden trotzdem erfreut sein, dass diese Saga zu Ende ist und er wieder mit seiner Familie vereint werden kann.»

© dpa ⁄ Carola Frentzen, Christoph Meyer und Christiane Jacke, dpa
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