Nach dem gescheiterten Staatsstreich in Bolivien ist Präsident Luis Arce dem Vorwurf entgegengetreten, mit den Verschwörern unter einer Decke zu stecken. Die Putschisten hätten auf eigene Faust gehandelt, sagte der Präsident bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Umsturzversuch. «Ich bin kein Politiker, der seine Popularität durch das Blut des Volkes gewinnen will.»
Am Mittwoch hatten abtrünnige Militärs mit gepanzerten Fahrzeugen den zentralen Platz von La Paz besetzt und waren in den Regierungspalast vorgedrungen. Präsident Arce bot den Putschisten die Stirn und tauschte sofort die gesamte Führungsriege der Streitkräfte aus. Die neuen Chefs der Teilstreitkräfte ordneten daraufhin den Rückzug der Truppen an.
Insgesamt wurden nach dem Putschversuch 17 Militärs festgenommen. «Wir werden dieses antidemokratische Netzwerk stoppen, wir werden nicht ruhen, bis alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Es ist an der Zeit, die Putschisten von der Straße zu holen und sie hinter Gitter zu bringen», sagte Boliviens Innenminister Eduardo del Castillo auf einer Pressekonferenz.
Den Putschisten drohen Haftstrafen von 20 Jahren
Zu den Festgenommenen zählen auch die Anführer Juan José Zúñiga Macías (Armee), Juan Arnez Salvador (Marine) und Marcelo Javier Zegarra (Luftwaffe). Die Generalstaatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Anklage gegen die gesamte Führungsriege der Streitkräfte erhoben. Den ehemaligen Befehlshabern werden Terrorismus sowie bewaffneter Aufstand gegen die Sicherheit und Souveränität des Staates zur Last gelegt, wie die Zeitung «El Deber» unter Berufung auf die Generalstaatsanwaltschaft berichtete. Ihnen drohten Haftstrafen von 20 Jahren und es werde eine sechsmonatige Untersuchungshaft in einem Gefängnis in La Paz beantragt, hieß es.
Laut Generalstaatsanwaltschaft bestehe bei Macías, Salvador und Zegarra Fluchtgefahr. Außerdem sehe sie das Risiko, dass die Angeklagten Beweise zerstören, verändern, unterdrücken, verheimlichen oder fälschen könnten.
Zúñiga hatte vor seiner Festnahme behauptet, der Putsch sei mit Präsident Arce abgestimmt gewesen. «Der Präsident hat mir gesagt, dass die Situation sehr schlecht ist. Es sei notwendig, etwas vorzubereiten, um seine Popularität zu steigern», sagte General Zúñiga im Fernsehen. «Ich habe ihn gefragt: «Holen wir die Panzer raus» und er hat geantwortet: «Holt sie raus».» Die Regierung wies die Darstellung zurück. «Das Ziel von Zúñiga war es, die Macht im Land zu übernehmen, gegen den Willen des Volkes», sagte Innenminister Del Castillo.
Das Motiv für den Putschversuch ist noch unklar. Möglicherweise richtete er sich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des früheren Staatschefs Evo Morales (2006-2019). Berichten zufolge hatte Zúñiga gesagt, Morales dürfe nicht als Präsident zurückkehren, und gedroht, sich ihm in diesem Fall in den Weg zu stellen. Wegen dieser Äußerungen sei Zúñiga bereits am Dienstagabend darüber informiert worden, dass er seinen Posten räumen müsse, sagte Verteidigungsminister Edmundo Novillo.
Ex-Präsident Morales und Staatschef Arce ringen um die Macht
Der linke Staatschef Morales - der erste indigene Präsident Boliviens - war 2019 unter dem Druck des Militärs zurückgetreten, nachdem ihm von der Opposition und internationalen Wahlbeobachtern Betrug bei der Präsidentenwahl vorgeworfen worden war. Obwohl ihm das in mehreren Gerichtsentscheidungen eigentlich untersagt wurde, will Morales 2025 erneut bei der Präsidentenwahl kandidieren. Derzeit ringen Morales und sein ehemaliger Verbündeter Arce um die Macht in der Regierungspartei MAS.
Nach den ersten Berichten über den Putschversuch habe er seinen Rivalen Morales sogar angerufen und gewarnt, sagte Arce nun bei seiner Pressekonferenz. «Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn im Falle eines Staatsstreichs nicht warne», sagte Arce. «Es war klar, dass sie erst mich holen würden und dann ihn. Letztendlich sind wir Genossen, deshalb habe ich ihn angerufen, damit er Vorsichtsmaßnahmen treffen kann.»
Nach dem gescheiterten Putschversuch gingen zahlreiche Demonstranten zur Unterstützung der Regierung auf die Straße. Sie errichteten zwischen dem Regierungssitz La Paz und der höher gelegenen Schwesterstadt El Alto Straßenblockaden, wie die Zeitung «La Razón» berichtete. «Wir werden nicht zulassen, dass die Demokratie angegriffen wird», sagte die Bürgermeisterin von El Alto, Eva Copa. In der Industriestadt auf 4100 Meter Höhe hat die Regierung unter den Arbeitern und Indigenen zahlreiche Anhänger.