Entertainer Stefan Raab ist Teil des Jury-Teams bei der Suche nach dem deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest (ESC). In vier Live-Castingshows - drei davon bei RTL und dann das Finale im Ersten am 1. März an einem Samstagabend - wird 2025 der deutsche Musikbeitrag für den ESC in Basel ermittelt, wie die Sender mitteilten.
Wer die anderen zwei oder drei Jury-Mitglieder sein werden, wurde nicht bekannt. Raab kann sich unter Umständen auch vorstellen, einen Song für den Künstler oder die Künstlerin zu schreiben. Selbst als ESC-Kandidat antreten wolle er nicht. Der Eurovision Song Contest findet im Mai 2025 in Basel statt, weil die Schweiz in diesem Jahr den Sieg holte.
«Wir wollen natürlich gewinnen»
Die Jury sucht den deutschen Beitrag aus insgesamt 24 Acts aus. Die Live-Shows moderiert Barbara Schöneberger. Wer zu dem traditionellen Musikwettbewerb reisen wird, werde in der Final-Show des Vorentscheids vollkommen in den Händen der Zuschauer der Entscheidungs-Show liegen. Das Ziel ist klar: «Wir wollen natürlich gewinnen», sagte Raab bei der Vorstellung des Auswahlverfahrens.
Bewerben könne sich im Prinzip jeder. Es werde keine gesangliche Vorprüfung geben: «Es sollte aber in irgendeiner Form Gehalt haben», sagte Raab. Wenn es gesanglich nicht reiche, müsse noch zumindest etwas anderes dabei sein. «Wir haben keine Limits sowohl im Alter oder in Fähigkeit.» Raab hätte nach eigenen Angaben rein vom Sängerischen her auch Bob Dylan aus einer Casting-Show geworfen. Deshalb könne auch jemand eine Chance haben, der gesangstechnisch keine Sensation sei. «Es kann sich auch gerne jemand bewerben, der vielleicht schon ein Star ist.»
Die Sender riefen dazu auf, sich für den Vorentscheid «Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?» bis zum 28. November zu bewerben. Einzelne Bewerber werden schon vorab in Raabs Streaming-Show auf RTL+ zu sehen sein.
Mit Ukulele auf Botschaftsboden
Die Pressekonferenz fand wegen des Austragungsortes Basel in einem Raum der Schweizerischen Botschaft in Berlin statt - also mit staatstragendem Charakter samt Botschafterin. Raab kam mit seiner Ukulele, sang ein Schweiz-Lied und verkündete den Journalisten auf Botschaftsboden später: «Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...». Er spielte auf den deutschen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher an, der in der Prager Botschaft einen der einprägsamsten Sätze der Wiedervereinigung gesagt hatte.
Die Sender erhoffen sich, mit Raab als Initiator der Kooperation zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk dem deutschen Vorentscheid «neue Kraft» zu verleihen. Es ist nicht das erste Mal, dass die ARD mit einem Privatsender kooperiert - 2012 war ProSieben bei der Castingshow an Bord gewesen.
Im September kehrte Stefan Raab nach seinem Rückzug vor vielen Jahren auf die TV-Bildschirme zurück: Der Musiker, Produzent und Entertainer unterschrieb mit seinem neuen TV-Partner RTL einen Fünfjahresvertrag und kündigte mehrere Shows an. Zum Auftakt boxte er in Anlehnung an frühere Zeiten gegen Regina Halmich. Das Ganze wurde wie eine Art rituelles Fest abgehalten: Raab stieg quasi wie ein Gott von einer schier endlos langen Treppen von oben herab. RTL übertrug live.
Raab war einst Erfolgsgarant beim ESC
Raab, der über Jahrzehnte für neues, lustiges Fernsehen stand, inszenierte sich als Retter der Unterhaltung. Eine ähnliche Rolle, die des Heilsbringers, dürfte der 58-Jährige auch beim ESC einnehmen. Die Kombination Raab und ESC stand viele Jahre für Erfolg und gutes Entertainment, die Erwartungshaltung der deutschen ESC-Fans ist folglich groß.
In einer aktuellen Yougov-Umfrage rechnen dagegen 21 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland einem deutschen ESC-Beitrag mit Raab-Beteiligung bessere Chancen aus. Aus Sicht von 40 Prozent ändert sich voraussichtlich nichts, 15 Prozent rechnen gar mit schlechteren Chancen.
Raabs ESC-Historie reicht bis ins Jahr 1998 zurück, als er unter dem Pseudonym Alf Igel Guildo Horns Eurovision-Song «Guildo hat euch lieb» komponierte. Lied und Auftritt galten damals als Erweckungserlebnis für den angestaubten Schlagerwettbewerb, den man damals noch pathetisch Grand Prix Eurovision de la Chanson nannte. Im Jahr 2000 trat Raab mit dem Hit «Wadde hadde dudde da?» sogar selbst beim Wettbewerb auf. Seinen größten ESC-Erfolg feierte Raab als Mastermind hinter dem Sieg von Lena Meyer-Landrut («Satellite») im Jahr 2010.
Warum nochmal ESC?
Auf die Frage, warum er sich nach seinem Rückzug von den TV-Bildschirmen nun erneut beim ESC zurückmeldet und stattdessen nicht etwas ganz anderes mache, sagte er: «Das einzige Tool, was ich verwende, um zu analysieren, was ich mache, ist die Frage an mich selber: Was würde ich gerne sehen?» Und: «Es gibt in der Entertainment-Welt nur ein paar wirklich große Hits - einer davon ist der Eurovision Song Contest.» Das sei so, wie wenn man eine Fußball-Nationalmannschaft frage, ob sie nach vier Jahren wieder bei der WM mitmachen wolle.
Als Raab ging, begann Pleitenserie
Zum vorerst letzten Mal hatte Raab hinter den Kulissen im Jahre 2012 beim ESC mitgewirkt. Danach begann für Deutschland eine Pleiteserie. Es gab zwar vereinzelte Lichtblicke, aber vor allem peinliche Ergebnisse mit vielen letzten und vorletzten Plätzen. Immer wieder kam die Frage auf, wie sich wieder Erfolge einstellen könnten.
Dabei gab es in den vergangenen Jahren auch Kritik an der Ausrichtung des Vorentscheides unter der Federführung des NDR. Immer wieder wurden in dieser Zeit Rufe nach Raab laut, der sich allerdings 2015 in den TV-Ruhestand verabschiedet hatte. Nach den vielen Misserfolgen kreisten Diskussionen sogar darum, ob Deutschland überhaupt noch beim ESC mitmachen sollte.
Die ARD hielt trotz der schlechten Platzierungen an der Teilnahme am seit 1956 bestehenden Wettbewerb fest. Die Quoten sprechen auch durchaus für die Ausstrahlung des ESC. In diesem Jahr schalteten rund acht Millionen TV-Zuschauer im Ersten und im ARD-Spartensender One zur Show im schwedischen Malmö ein. Diesmal war die Schmach für Deutschland nicht so groß - immerhin Platz 12. Rettet Raab 25 Jahre nach seinem eigenen ESC-Auftritt nun als Juror beim Vorentscheid Musik-Deutschland?