Als Jan-Lennard Struff locker über seine neue Frisur mit blondierten Haaren plauderte, musste Daniel Altmaier in Wimbledon gerade einen Schreckmoment wegstecken. Der 25-Jährige rutschte Mitte des ersten Satzes auf dem Rasen aus - und blieb erst einmal liegen. Am Ende aber jubelte Altmaier zum Auftakt des Rasenklassikers nach einem Tenniskrimi über fünf Sätze.
Wie Struff spielt der Kempener um den Drittrunden-Einzug. Vor dem ersten Auftritt von French-Open-Finalist Alexander Zverev sorgten Struff und Altmaier für die einzigen deutschen Erfolge zur Eröffnung des Grand-Slam-Turniers.
Altmaier rang nach Ausrutschern den britischen Außenseiter Arthur Fery nach einem Auf und Ab 4:6, 7:6 (8:6), 1:6, 6:3, 6:1 nieder. Er ließ sich am Hüft- und Gesäßbereich behandeln und biss sich nach 3:45 Stunden durch. Damit nutzte er die günstige Auslosung gegen den Wildcard-Inhaber und trifft bei seiner Zweitrunden-Premiere in Wimbledon auf den Kanadier Denis Shapovalov. Er habe muskulär etwas abbekommen, es sei aber «nichts Wildes» passiert, berichtete Altmaier. Er habe mit Medikamenten zu Ende gespielt. Der Schiedsrichter habe ihm geraten, erst einmal liegen zu bleiben, bis die Physios kommen.
Struff erkältet und mit überraschendem Aussehen
Struff machte mit einem 6:4, 6:7 (4:7), 6:2, 6:3 gegen den Ungarn Fabian Marozsan das Weiterkommen perfekt. «Es war ein schwieriges Spiel. Ich bin sehr happy mit der Art und Weise, wie ich es gespielt habe und gewonnen habe», bilanzierte der Sauerländer. Seinen neuen Look präsentierte er erst so richtig, als er nach dem verwandelten Matchball sein Käppi abzog. So sorgte er nicht nur aufgrund seines Sieges für Gesprächsstoff.
Auf die Frage, ob die blonden Haare die Folge einer verlorenen Wette sind oder dem Wunsch einer Typveränderung entsprechen, antwortete er: «Beides ein bisschen. Meine Freundin hat es gemacht. Es hat glücklicherweise geklappt. Als ich klein war, hatte ich ziemlich blonde Haare. Ich mag es.»
Struff lässt sich von Rückschlägen nicht irritieren
Gegen Marozsan ließ sich die deutsche Nummer zwei auch nicht davon abhalten, dass er leicht erkältet antrat. «Die Nase läuft ein bisschen. Aber es ist alles in Ordnung. Ich hatte genug Energie.» Die reichte, um auch Rückschläge wegzustecken. Schnell lag der Warsteiner mit 0:3 und 1:4 zurück, fand dann aber besser zu seinem druckvollen Spiel und sicherte sich doch noch den ersten Satz. Im zweiten Abschnitt hatte Struff bei 5:4 schon den Vorteil auf seiner Seite, leistete sich im Tiebreak aber ein paar Fehler zu viel.
Ab Mitte des dritten Satzes zog Struff davon. Mit Applaus und Deutschland-Fahne verabschiedeten ihn die Zuschauer. «Es war auf jeden Fall sehr schön, dass viele deutsche Fans da waren», meinte Struff, der es nun mit dem Chinesen Zhang Zhizhen zu tun bekommt.
Yannick Hanfmann lieferte dem italienischen Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner einen begeisternden Kampf, verpasste aber beim 3:6, 4:6, 6:3, 3:6 einen Coup. Das Aus kam auch für Qualifikantin Eva Lys, Tamara Korpatsch und Maximilian Marterer.
Kerber und Zverev steigen am Dienstag ein
Am Dienstag schlagen auch die frühere Turniersiegerin Angelique Kerber (gegen die Kasachin Julia Putinzewa) und Zverev zum ersten Mal in Wimbledon auf. Der French-Open-Finalist bekommt es in der ersten Runde mit dem spanischen Außenseiter Roberto Carballés Baena zu tun. Im bisher einzigen Duell hat er ihn 2023 auf Sand in Madrid besiegt.
«Ich weiß nicht, wie er auf Rasen spielt», gestand Zverev: «Es ist eine erste Runde, wo ich hoffentlich gut ins Turnier starten werde.» Zverev will sich in Wimbledon so reif fürs Rasentennis präsentieren, wie er sich in den vergangenen Jahren offenbar nicht gefühlt hat.
Zverev auf Titeljagd
Langsam scheint der Weltranglisten-Vierte eine Liebe zum Tennis auf Rasen zu entwickeln. Trotz seines bisher enttäuschenden Abschneidens in London hat sich der 27-Jährige selbst für die diesjährige Auflage des dritten Grand-Slam-Turniers des Jahres zu einem Titelanwärter erkoren und klar seine Ziele hervorgehoben: «Es ist das erste Mal, dass ich wirklich denke, ich bin hier als ein Kandidat, um vielleicht den Titel zu gewinnen.»
Das Turnier sei so offen wie vielleicht seit 20 Jahren nicht mehr, sagte Zverev, der in Wimbledon bisher noch nie ins Viertelfinale kam. Damit ist das wohl berühmteste Tennis-Turnier der Welt sein schwächster Grand-Slam-Wettbewerb.