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Nagelsmanns EM-Gruß: Titelwille gegen leise Zweifel

Nach einem freien Wochenende kommen die Nationalspieler ins EM-Camp. Der Bundestrainer hat klare Arbeitsaufträge für den Countdown zum Schottland-Start. Rudi Völler redet den DFB-Stars ins Gewissen.
Julian Nagelsmann
Bundestrainer Julian Nagelsmann hofft auf eine erfolgreiche EM. © Christian Charisius/dpa

Am freien Sonntag von Toni Kroos und Manuel Neuer ging die klare EM-Botschaft von Julian Nagelsmann trotz der leisen Zweifel in der Heimat noch einmal an die Konkurrenz in ganz Europa.

«Es ist selbstredend, dass wir bei einer EM, die im eigenen Land stattfindet, maximal erfolgreich sein wollen», zitierte die UEFA auf ihrer Internetseite den Bundestrainer, der selbst vor der Rückkehr ins EM-Camp nach Herzogenaurach für ein letztes Durchschnaufen bei der Familie weilte. 

In der englischen Version der Verbandshomepage klang die Ansage sogar noch forscher: «Das normale Ziel: wir wollen es gewinnen». Ob die UEFA die Zitate von Nagelsmann vor oder nach der Holper-Generalprobe der Fußball-Nationalmannschaft gegen Griechenland eingeholt hatte, war nicht ersichtlich. Unabhängig davon passte der Beitrag zur Grundhaltung des Bundestrainers. Nagelsmann hält Kurs und lässt sich nicht beirren. 

Nagelsmann mit festen Prinzipien

Und Nagelsmann will den Countdown auf das Eröffnungsspiel gegen Schottland von Montag an im Home Ground mit einer kompromisslos positiven Grundstimmung angehen. Gegen alle erdenklichen Störgeräusche von außen. Die Zweifel um die Turnier-Festigkeit nach dem späten und mühevollen 2:1-Testsieg am Freitag sollen keine Deutungshoheit über den Gesamtzustand der DFB-Elf gewinnen. Zweifel an Torwart Neuer sind auch nach der Fortsetzung der Patzer-Serie zudem strikt tabu. 

«Ich glaube extrem an die Mannschaft», verkündete Nagelsmann und entschwebte verbal in Turniersphären, die nach den finalen 90 Testminuten eher utopisch klangen. «Wir können Großes erreichen. Wir werden alles Menschenmögliche tun, um den Titel zu gewinnen», richtete er seine Vorgabe an die deutschen Fans. Am Sonntag wurden sie dann digital sicherlich auch in England, Spanien und Frankreich nochmals aufgenommen. 

Den Part des optimistischen Mahners übernahm diesmal Rudi Völler. Lehren müssen gezogen werden aus den Wacklern gegen die Griechen. Und Lehren werden gezogen, versprach der Sportdirektor via «Bild». «Wir müssen uns hinterfragen, wieso Griechenland so viele Konter-Chancen gegen uns hatte. Das war nicht gut! Wir waren leider zu Beginn zu träge und zu leichtsinnig, gerade im Aufbauspiel», monierte Völler. 

Völler sieht den Lerneffekt

«So etwas darf uns am Freitag, wenn es zum Auftakt gegen die Schotten geht, nicht passieren! Die Spieler wissen das jetzt und hinterfragen sich. Und das ist gut so. Ich sehe das daher fast schon wieder positiv, dass uns diese Fehler jetzt passiert sind und nicht erst bei der EM. Die Sinne unsere Spieler sind vor dem Schottland-Spiel nun definitiv geschärft», legte Völler nach. Kroos hatte schon vor seinem Familien-Wochenende in Madrid konstatiert: «Wir wussten, dass wir nicht so gut waren, wie wir im März gemacht wurden.»

Nagelsmanns Arbeitsaufträge sind klar. Neuer muss als Nummer eins gegen alle Angriffe verteidigt werden. «Es ist mir völlig wurscht, was in den Medien diskutiert wird. Das wurde auch schon vorher diskutiert und unzählige Male diskutiert», sagte Nagelsmann. Neuer spielt bei der EM sein achtes großes Turnier seit 2010 in Serie. Basta. 

Den müden «Zauberern» Jamal Musiala und Florian Wirtz muss nach einer langen und anstrengenden Saison und Verletzungen neue Kraft eingehaucht werden. Und ausgerechnet Kapitän Ilkay Gündogan muss gegen die Dauerzweifel an seiner Funktion und Position anspielen. Sonst könnte er im Turnier zum Taktikopfer werden. 

Startelf praktisch fix

Die Startelf wird Nagelsmann gegen Schottland kaum ändern. «Es wird ungefähr so aussehen wie heute», kündigte er vage an. Von 13 potenziellen Akteuren für die zehn Feldspielerplätze sprach der Bundestrainer. Zu dieser Gruppe zählt Nagelsmann auch Leroy Sané, der sich bei seinem 45-Minuten-Comeback nach drei Länderspielen Sperre und seiner kniffligen Schambein-Problematik empfehlen konnte. 

Nagelsmann hat sich früh auf seine EM-Prinzipien festgelegt. Nach zwei Wochen Vorbereitung, erst in Blankenhain und dann in Herzogenaurach, drängt sich im Lichte der Tests gegen die Ukraine (0:0) und Griechenland (2:1) aber der Eindruck auf, dass der Bundestrainer manche seiner Vorgaben zum Stichtag 14. Juni ins Ziel schleppen muss. Gute Laune inklusive. «Am Ende war der Sieg schon gut für die Gesamtstimmung», sagte Nagelsmann. «Und späte Tore sind ganz cool für die Psyche einer Mannschaft», bemerkte er nach dem Last-Minute-Treffer von Pascal Groß. 

Fans als wichtiger Faktor

Die Countdown-Woche beginnt am Montag in Franken mit einem öffentlichen Training. 4000 Zuschauer sind ab 16.00 Uhr im Adi-Dassler-Stadion dabei. Schnell werden Nagelsmann und seine 26 EM-Spieler merken, welch großer Faktor ihnen da frei Haus geliefert wird. Denn die Fans sind bereit. Dankbar für jeden Funken Turnier-Hoffnung zelebrierten sie auch die guten Momente in Mönchengladbach enthusiastisch. 

Wir brauchen die Unterstützung der Fans, das wird uns pushen», sagte Gündogan. Auch im ausverkauften Borussia-Park zeigte sich erneut, wie sehr sie ihr Team unterstützen und feiern wollen, wie sehr sie sich nach drei Murks-Turnieren nach Erfolgen und einer kollektiven Partystimmung sehnen. Der aus der musikalischen Mottenkiste ausgebuddelte Kultsong «Völlig losgelöst» bietet die Sommer-Melodie. Major Tom schwebt sprichwörtlich wie ein guter Geist über der Nationalmannschaft. 

© dpa ⁄ Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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